DER BETRIEB 25 - page 16

resultate uneinheitlich sind
16
. Die zentrale Einschra¨nkung der
quantitativen Forschungsarbeiten ist die Verwendung von sog.
Surrogaten, um die nicht direkt beobachtbaren Gro¨ßen, Pru¨-
fungsqualita¨t sowie Pru¨fungskosten, messbar zu machen. Ange-
sichts dieser Beschra¨nkung besteht dringend der Bedarf, mit
Hilfe von qualitativen Forschungsmethoden Einblicke in die
tatsa¨chliche Wahrnehmung sowie die Einscha¨tzung von Joint
Audits durch Berufspraktiker, die Erfahrung mit einem verpflich-
tenden Joint Audit-Regime haben, zu gewinnen
17
. Ferner ver-
sta¨rkt der in der Zusammenfassung der Stellungnahmen zum
Gru¨nbuch enthaltene Appell nach wissenschaftlicher Forschung
u¨ber Erfahrungen in Frankreich in Bezug auf Joint Audits die
Notwendigkeit nach einer derartigen Analyse
18
. Vor diesem
Hintergrund wurde ein qualitatives Forschungsprojekt in Form
einer Fragebogenstudie konzipiert, um explizit die Wahrneh-
mung sowie die Einscha¨tzungen von Berufspraktikern in Frank-
reich im Hinblick auf die wesentlichen in der Joint Audit-Dis-
kussion angesprochenen Aspekte
19
zu untersuchen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die erforderliche Kommunikation
und Koordination mit dem anderen Abschlusspru¨fer in einem
Joint Audit, aber auch die Durchsicht von dessen Arbeitspapie-
ren, zu einem betra¨chtlichen Mehraufwand fu¨hren. Klare Ten-
denzen, ob sich der Mehraufwand auch in einer ho¨heren Pru¨-
fungsqualita¨t widerspiegelt, lassen sich nicht erkennen. Aller-
dings weisen die weiterfu¨hrenden Antworten der Berufspraktiker
darauf hin, dass das Know-how einer Big4-Pru¨fungsgesellschaft
alleine grds. ausreichend ist. Gleichwohl werden hinsichtlich der
Qualita¨tsbetrachtung Unterschiede in Abha¨ngigkeit von der
Gro¨ße des Abschlusspru¨fers konstatiert, die sich jedoch lediglich
in bestimmten Bereichen niederschlagen. Bezu¨glich der poten-
ziellen Verbesserung der Marktstruktur durch Joint Audits la¨sst
sich feststellen, dass eine große Anzahl der betrachteten Joint
Audit-Abschlusspru¨fungen (freiwillig) in der Konstellation Big4-
Pru¨fungsgesellschaft (in diesem Fall grds. PwC) und Non-
Big4-Pru¨fungsgesellschaft durchgefu¨hrt wird, was wiederrum als
Indikator fu¨r eine Verbesserung der Marktkonzentration zu wer-
ten ist. Sowohl die diskutierte Trittbrettfahrerproblematik als
auch die von Beho¨rden im Rahmen des Konsultationsprozesses
zum Gru¨nbuch befu¨rchteten Meinungsverschiedenheiten zwi-
schen den beteiligten Abschlusspru¨fern in Bezug auf das zu tref-
fende Pru¨fungsurteil
20
scheinen kein weitverbreitetes Problem
bei Joint Audits zu sein.
Im weiteren Verlauf der Studie werden Joint Audits in Frank-
reich auf Basis ihrer kodifizierten Grundlagen erla¨utert, bevor in
Abschn. III. wesentliche Aspekte der Joint Audit-Diskussion
aufgezeigt werden. In Abschn. IV. werden das Ziel und die
Konzeption der Befragung beschrieben. Daran schließt sich im
fu¨nften Abschnitt eine Darstellung und Interpretation der Er-
gebnisse an. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung.
II. Wirtschaftspru¨fung in Frankreich – Normen und
Gesetze
1. Franzo¨sische Pru¨fungsnormen – ’normes d’exercice pro-
fessionnel’
’Normes d’exercice professionnel’ (NEP) bezeichnen Pru¨fungs-
normen in Frankreich. NEP-100 betrifft hierbei Abschlusspru¨-
fungen, die von mehreren Wirtschaftspru¨fern durchgefu¨hrt wer-
den, d. h. Abschlusspru¨fungen in Form eines Joint Audits
21
.
Grundsa¨tzlich sieht die Norm eine Aufteilung des erforderlichen
Pru¨fungsaufwands zwischen den beteiligten Abschlusspru¨fern
vor. Gleichwohl erfordern Vorga¨nge von zentraler Bedeutung,
wie bspw. die Beurteilung bedeutsamer Pru¨fungsrisiken oder die
Berechnung von Wesentlichkeitsgrenzen, eine Beteiligung bei-
der im Joint Audit involvierten Abschlusspru¨fer
22
. Unabha¨ngig
von der grundsa¨tzlichen Aufgabenteilung ist ein Review der Ar-
beiten des oder der anderen Abschlusspru¨fer erforderlich
23
.
2. Der ’Code de commerce’
Gema¨ß Artikel L823-3 des franzo¨sischen ’Code de commerce’
werden Abschlusspru¨fer fu¨r sechs Jahre bestellt
24
. Ferner entha¨lt
der ’Code de commerce’ Regelungen, die Joint Audits im Spe-
ziellen betreffen. Gema¨ß Artikel L823-2 haben Unternehmen,
die einen Konzernabschluss erstellen, die Pflicht zur Bestellung
von
mindestens
zwei Abschlusspru¨fern
25
.
3. Die Aufteilung des Pru¨fungsaufwands zwischen den
beteiligten Abschlusspru¨fern
NEP-100 pra¨zisiert den konkreten Ablauf eines Joint Audits.
Gema¨ß Paragraph 07 ist auf eine ausgewogene Aufteilung des
Pru¨fungsaufwands zu achten, wobei fu¨r deren Beurteilung quali-
tative (bspw. Erfahrung oder die Qualifikation der Mitglieder
der Pru¨fungsteams) aber auch quantitative Kriterien (bspw. An-
zahl der gescha¨tzten Pru¨ferstunden) heranzuziehen sind
26
. Para-
graph 08 legt fest, dass nach Absprache zwischen den Ab-
schlusspru¨fern eine regelma¨ßige Modifikation der Arbeitsauftei-
lung stattzufinden hat
27
. Sowohl die ausgewogene Aufteilung als
auch die regelma¨ßige Modifikation der Arbeiten sind nach An-
sicht des Haut Conseil du Commissariat aux Comptes
28
(H3C)
wesentliche Voraussetzungen dafu¨r, dass Joint Audits zu einer
Steigerung der Pru¨fungsqualita¨t fu¨hren ko¨nnen
29
. Gema¨ß der
Auffassung des H3C la¨sst sich in gewissen Situationen eine un-
gleiche Aufteilung der Arbeiten
nicht
rechtfertigen, in anderen
hingegen schon. Folgende Szenarien sind hierbei der erstge-
nannten Kategorie unter Zugrundelegung qualitativer Kriterien
zuzuordnen:
– Lediglich ein
einziger
Ansprechpartner fu¨r den Mandanten
auf Seiten beider Abschlusspru¨fer;
– Struktureller Mitarbeitermangel bei einem der beteiligten
Abschlusspru¨fer;
16 So bspw.
Holm/Thinggaard
, Joint Audits – Benefit or Burden?, Arbeitspapier
2012;
Zerni/Haapama¨ki/Ja¨rvinen/Niemi
, European Accounting Review 2012
S. 1-35.
17 Siehe
Ratzinger-Sakel et al.
, a.a.O. (Fn. 13);
Velte
, WPg 2011 S. 952.
18 EU-Kommission, Gru¨nbuch, a.a.O. (Fn. 1), S. 26.
19 Dabei handelt es sich bspw. um die potenzielle Verbesserung der Pru¨fungs-
qualita¨t und den potenziellen Mehraufwand sowie mo¨gliche Meinungsver-
schiedenheiten der Abschlusspru¨fer hinsichtlich des Pru¨fungsurteils.
20 Die ’Public Authorities’ fordern einen Lo¨sungsmechanismus im Falle von
Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Abschlusspru¨fern, siehe
dazu EU-Kommission, a.a.O. (Fn. 10), S. 27.
21 Vgl. Norme d’Exercice Professionnel NEP-100, Journal Officiel de la Re´pu-
blique Franc¸aise vom 3. 8. 2011.
22 Siehe Norme d’Exercice Professionnel NEP-100, Journal Officiel de la Re´pu-
blique Franc¸aise vom 3. 8. 2011, Paragraph 05.
23 Vgl. Norme d’Exercice Professionnel NEP-100, Journal Officiel de la Re´pu-
blique Franc¸aise vom 3. 8. 2011.
24 Siehe Code de commerce, Article L 823-3, Journal Officiel de la Re´publique
Franc¸aise vom 9. 12. 2008.
25 Vgl. Code de commerce, Article L823-2, Journal Officiel de la Re´publique
Franc¸aise vom 9. 9. 2005. Es sei angemerkt, dass im Rahmen einer Joint
Audit-Abschlusspru¨fung in Frankreich auch mehr als zwei Abschlusspru¨fer
beteiligt sein ko¨nnen.
26 Vgl. NEP-100, Paragraph 07 sowie Avis 2012-01 des H3C, S. 9.
27 Vgl. NEP-100, Paragraph 08.
28 Der H3C ist die Aufsichtsstelle, die den Berufsstand der Wirtschaftspru¨fer in
Frankreich u¨berwacht. Der H3C setzt sich aus Beamten aus Ministerien und
Gerichten, Hochschullehrern, Wirtschaftspru¨fern und anderen Sachversta¨n-
digen zusammen; siehe hierzu auch
tionnement (letzter Abruf: 7. 6. 2013).
29 Siehe Avis 2012-01 des H3C, S. 1.
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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