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WP/StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Ko¨ln
Der neue § 50i EStG: Grenzu¨berschreitende
„Gepra¨ge-KG“ zur Verhinderung einer Wegzugs-
besteuerung
– Gestaltungsu¨berlegungen nach Verabschiedung des AmtshilfeRLUmsG –
u
DB0596144
I. Einleitung: Grenzu¨berschreitende PersGes im
AmtshilfeRLUmsG
Die deutsche Personengesellschaftsbesteuerung wird vom Trans-
parenzprinzip beherrscht, wonach Tra¨ger des Unternehmens fu¨r
ertragsteuerliche Zwecke die Mitunternehmer in ihrer (meist)
gesamtha¨nderischen Verbundenheit sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 2
EStG). Vermo¨gensverwaltend ta¨tige Personengesellschaften
ko¨nnen dabei durch eine Komplementa¨r-GmbH mit alleiniger
Gescha¨ftsfu¨hrungsbefugnis eine gewerbliche Pra¨gung erhalten
(§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Im Internationalen Steuerrecht gelten
nicht zuletzt wegen der konzeptionellen Vielfalt von Personen-
unternehmen in den verschiedenen Jurisdiktionen andere „Ge-
setzma¨ßigkeiten“, die zu mannigfachen Qualifikationskonflikten
mit der Folge von Doppel- oder Nichtbesteuerung fu¨hren ko¨n-
nen
1
. Im DBA-Recht ko¨nnen Unternehmensgewinne i. S. des
Art. 7 OECD-MA nach der BFH-Rechtsprechung u¨blicher-
weise nicht durch bloße gewerbliche Pra¨gung oder gewerbliche
Infektion entstehen. Es besteht seit Jahren ein Spannungsver-
ha¨ltnis zwischen dem BMF-Schreiben vom 16. 4. 2010
2
und der
sta¨ndigen BFH-Rechtsprechung
3
, welches vor allem die DBA-
rechtliche Einordnung gewerblich gepra¨gter/infizierter Personen-
gesellschaften sowie die Behandlung grenzu¨berschreitender Son-
dervergu¨tungen betrifft und in der Besteuerungspraxis erhebliche
Probleme bereitet. Das ku¨rzlich von Bundestag und Bundesrat
nach einem sehr unu¨bersichtlichen parlamentarischen Verfahren
verabschiedete „Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie
sowie zur A¨ nderung steuerlicher Vorschriften“ (Amtshilfericht-
linie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG)
4
schafft nun mit
§ 50i EStG fu¨r gepra¨gte Personengesellschaften neue Gesetzes-
koordinaten in Gestalt eines treaty override fu¨r Wegzugskonstel-
lationen, die hohe Praxisrelevanz haben. Die neue Vorschrift des
§ 50i EStG steht im Mittelpunkt der U¨ berlegungen. Neben
§ 50i EStG wurden zwei weitere wichtige Vorschriften mit Be-
deutung fu¨r grenzu¨berschreitende Personengesellschaften modi-
fiziert:
– Zum einen ist dies § 1 AStG, der fu¨r grenzu¨berschreitende
Berichtigungsfa¨lle in Umsetzung des AOA (Authorised
OECD Approach) eine Personengesellschaft/Mitunterneh-
merschaft als Steuerpflichtigen behandelt.
– Zum anderen ist dies der neu formulierte § 50d Abs. 10
EStG, um die bislang nach Meinung der Rechtsprechung
weitgehend leerlaufende „Altvorschrift“ zu ersetzen. Im Ge-
gensatz dazu steht die ku¨rzlich vom BMF vero¨ffentlichte
„Verhandlungsgrundlage fu¨r Doppelbesteuerungsabkommen
im Bereich der Steuern fu¨r Einkommen und Vermo¨gen“
(Stand: 17. 4. 2013)
5
, die wegen etwaiger Akzeptanzprobleme
im Ausland keine Klausel zur Sonderbehandlung von Gesell-
schafter-Sondervergu¨tungen entsprechend dem deutschen
Versta¨ndnis transparenter Mitunternehmerbesteuerung ent-
ha¨lt. Einen DBA-rechtlichen Verzicht auf die abweichende
Behandlung von Sondervergu¨tungen bedeutet dies allerdings
nicht
6
. Der in § 50d Abs. 10 EStG geschaffene treaty over-
ride erscheint in Anbetracht der DBA-Verhandlungsgrund-
lage besonders problematisch.
Beide Regelungen nebeneinander sind rechtssystematisch kaum
zu rechtfertigen. Die Behandlung von Personengesellschaften
fu¨r § 1 AStG-Zwecke nach dem Trennungsprinzip und das
Sondervergu¨tungsregime gem. § 50d Abs. 10 EStG schließen
sich denklogisch aus. Weiterhin sind im AmtshilfeRLUmsG
mit Relevanz fu¨r grenzu¨berschreitende Personengesellschaften
zu nennen: § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG zur Sicherstellung eines
inla¨ndischen Erstattungsanspruchs bei hybriden Gesellschaften
sowie § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG mit einer geltungserhaltenden
Konkurrenzregelung zur Verhinderung „weißer Einku¨nfte“.
II. Der „klassische“ Wegzugsfall als „Anwendungs-
hintergrund“ fu¨r § 50i EStG
In der gestaltenden Besteuerungspraxis wird im Zusammenhang
mit Wegzugsfa¨llen seit langem u¨ber die „Abschirmwirkung“ und
Ausgestaltung einer gewerblichen PersGes. bei hoch werthalti-
gen, steuerrelevanten KapGes.-Anteilen diskutiert. Eine „klassi-
sche“ Wegzugsplanung kann wie folgt aussehen
7
:
>
Beispiel:
Der Steuerinla¨nder A, wohnhaft in Ko¨ln, ha¨lt seit Jahren in
seinem Privatvermo¨gen einen 15%igen Anteil an einer Fami-
lien-GmbH mit hohen stillen Reserven. Er plant aus beruf-
Prof. Dr. Ulrich Prinz
ist bei der KPMG AG in Ko¨ln ta¨tig.
1 Vgl.
Prinz
, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Kap. 9
Rdn. 9.6 f.;
ders.
, FR 2013 S. 1.
2 BStBl. I 2010 S. 354 = DB0350421.
3 Vgl. zur origina¨ren Erlangung von doppelbesteuerungsrechtlichen Unterneh-
mensgewinnen BFH vom 25. 5. 2011 – I R 95/10, DB0426871 = BFH/NV
2010 S. 1602; vom 24. 8. 2011 – I R 46/10, DB 2011 S. 2413 = IStR 2011
S. 925; vom 28. 4. 2010 – I R 81/09, DB 2010 S. 1322; zu grenzu¨berschrei-
tenden Sondervergu¨tungen vgl. BFH vom 17. 10. 2007 – I R 5/06, BStBl. II
2009 S. 356 = DB0285278; vom 8. 9. 2010 – I R 74/08, DB 2010 S. 2654;
vom 8. 11. 2010 – I R 106/09, DB 2011 S. 32 sowie vom 7. 12. 2011 – I R
5/11, DB0490827 = BFH/NV 2012 S. 556.
4 Zur kompletten Neufassung des AmtshilfeRLUmsG, das den im Dezember
2012 gefundenen Kompromiss zum JStG 2013 mit Ausnahme der damals vor-
geschlagenen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften inte-
griert, vgl. BR/Drucks. 477/13 vom 6. 6. 2013, DB0596141. Der Bundestag
hat dem Gesetzgebungsvorschlag am 6. 6., der Bundesrat am 7. 6. 2013 zu-
gestimmt, vgl. auch DB0596080.
5 Zum Text der deutschen Verhandlungsgrundlage fu¨r DBA vgl. IStR 2013
Beihefter zu Heft 10 S. 46.
6 So zutreffend
Lu¨dicke
, IStR 2013 Beihefter zu Heft 10 S. 44.
7 Vgl. die U¨ berlegungen auf der Wiesbaden-Arbeitstagung vom 6. 5.–8. 5.
2013, Arbeitsbuch S. 370.
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