DER BETRIEB 25 - page 17

– Mangelnde Kompetenz bei einem der beteiligten Abschluss-
pru¨fer, bspw. bzgl. den zugrunde liegenden Rechnungs-
legungs- und Pru¨fungsnormen.
Nachstehende Szenarien sind unter die letztgenannte Kategorie
unter Zugrundelegung qualitativer Kriterien zu klassifizieren:
– Spezifische Qualifikation eines der beteiligten Abschlusspru¨-
fer, die nicht den Bereichen Rechnungslegung oder Abschluss-
pru¨fung zuzuordnen ist
30
und keine maßgebliche Bedeutung
fu¨r die (durchzufu¨hrende) Abschlusspru¨fung darstellt.
– Besondere Organisationsstruktur des gepru¨ften Unterneh-
mens, bspw. in geographische Gebiete, solange dadurch nicht
einer der beteiligten Abschlusspru¨fer lediglich die Kontrolle
der Abschlusspru¨fung u¨bernimmt, ohne selbst pru¨ferisch ta¨tig
zu werden.
– Bessere Kenntnis der gepru¨ften Einheit auf Seiten eines der
beteiligten Abschlusspru¨fer, bspw. angesichts der Pru¨fung
eines konsolidierten Tochterunternehmens
31
.
Zusa¨tzlich zu den genannten qualitativen Kriterien anhand derer
auf Fa¨lle geschlossen werden kann, die eine ungleiche Aufteilung
des Arbeitsaufwands zwischen den beteiligten Abschlusspru¨fern
nicht rechtfertigen bzw. rechtfertigen, pra¨zisiert der H3C in
einem ’Avis’
32
auch quantitative Kriterien, die eine derartige Un-
terscheidung mo¨glich machen.
– Vermutung einer ausgeglichenen Aufteilung, solange Pru¨fer-
stunden und Honorare zwischen den Abschlusspru¨fern ein
Verha¨ltnis von 60% zu 40% nicht u¨bersteigen.
– Liegt das Verha¨ltnis von Pru¨ferstunden und Honoraren je-
weils nicht weiter auseinander als 70% zu 30%, so liegt keine
Vermutung vor.
– U¨ berschreitet mindestens eines der beiden Kriterien, Pru¨fer-
stunden oder Honorare, die Grenzen von 70% zu 30% , blei-
ben sie aber unter der Grenze von 90% zu 10%, so liegt eine
widerlegbare Vermutung einer unausgewogenen Arbeitsauf-
teilung vor.
– Erreicht oder u¨berschreitet die Aufteilung bei mindestens
einem der beiden Kriterien ein Verha¨ltnis von 90% zu 10%, so
liegt eine unwiderlegbare Vermutung der ungleichen Arbeits-
aufteilung zwischen den beteiligten Abschlusspru¨fern vor.
Die Beurteilung der ausgewogenen Aufteilung der Pru¨ferstun-
den bzw. des Pru¨fungsaufwands zwischen den beteiligten Ab-
schlusspru¨fern hat auf Ebene einzelner Auftra¨ge bzw. Mandate
zu erfolgen
33
.
III. Zentrale Aspekte in der Joint Audit-Diskussion
In der Debatte um Gemeinschaftspru¨fungen werden die poten-
ziellen Auswirkungen auf die Pru¨fungsqualita¨t einerseits sowie
auf die Pru¨fungskosten andererseits thematisiert. Wa¨hrend die
Befu¨rworter tendenziell eine Steigerung der Pru¨fungsqualita¨t
sehen, gehen die Gegner davon aus, dass ho¨here Pru¨fungskosten
die Folge sind
34
. Die Mehrzahl der insgesamt a¨ußerst be-
schra¨nkten Anzahl an existierenden Forschungsarbeiten greift
die im Rahmen der Diskussion um Joint Audits relevanten Pru¨-
fungsqualita¨ts- und den Pru¨fungskostenaspekte auf und analysiert
diese empirisch
35
. Die diesbezu¨glich vorliegenden empirischen
Ergebnisse sind uneinheitlich. Des Weiteren steht die Auswir-
kung von Joint Audits auf die Marktstruktur im Fokus des Inte-
resses. Die Senkung der hohen Marktkonzentration ist als prima¨-
res Ziel der EU-Kommission im Rahmen ihrer Reformvorschla¨ge
zu werten
36
. Folglich wird die Auswirkung von Joint Audits auf
die Marktkonzentration ha¨ufig zum Gegenstand der Diskussion,
wie z. B. die Stellungnahmen zum Gru¨nbuch zeigen
37
. Das Po-
tenzial von Joint Audits, die Marktkonzentration zu verbessern,
wird auch von Forschungsarbeiten aufgegriffen. Diese geben einen
Indikator dafu¨r, dass der Pru¨fungsmarkt in Frankreich unter
dem verpflichtenden Joint Audit-Regime weniger stark konzen-
triert ist als in anderen europa¨ischen La¨ndern
38
. Im Kontext der
Diskussion der Marktstruktur lenkt die EU-Kommission die
Debatte auch auf eine etwaige Schutzfunktion durch Gemein-
schaftspru¨fungen im Fall eines Ausfalls einer der großen, system-
relevanten Big4-Pru¨fungsgesellschaften
39
. Neben den o. g., mo¨g-
lichen Auswirkungen von Joint Audits auf zentrale Pru¨fungs-
marktaspekte werden in der gefu¨hrten Debatte auch praktische
Herausforderungen, die eine Gemeinschaftspru¨fung nach sich
ziehen ko¨nnte, adressiert. In diesem Kontext bildet die sog.
Trittbrettfahrerproblematik, d. h., dass einer der beteiligten Ab-
schlusspru¨fer auf Kosten des Anderen seinen Arbeitseinsatz
reduziert, deren Auftreten im Fall von Joint Audits nicht ga¨nz-
lich unwahrscheinlich erscheint, einen weiteren zentralen Dis-
kussionspunkt. So wird diskutiert, ob die verpflichtende Bestel-
lung von mindestens zwei Abschlusspru¨fern zu eben dieser
Trittbrettfahrerproblematik fu¨hrt
40
. Schließlich sind Lo¨sungs-
ansa¨tze fu¨r potenzielle Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf
das zu treffende Pru¨fungsurteil im Fall einer Gemeinschaftspru¨-
fung ha¨ufig Gegenstand der Diskussion. Von Seiten der Beho¨r-
den wird im Rahmen des Konsultationsprozesses zum Gru¨nbuch
ein Lo¨sungsmechanismus fu¨r den Fall, dass zwischen den betei-
ligten Abschlusspru¨fern Unterschiede in Bezug auf das (Pru¨-
fungs-)Urteil vorliegen, gefordert
41
. Fundierte wissenschaftliche
Erkenntnisse zu den beiden letztgenannten Punkten liegen je-
doch nicht vor.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Joint
Audit-Diskussion insbesondere durch die Auswirkungen von
Gemeinschaftspru¨fungen auf Pru¨fungsqualita¨t, Pru¨fungskosten
und Marktkonzentration sowie durch die mo¨gliche Trittbrett-
fahrerproblematik und potenzielle Lo¨sungsansa¨tze im Fall von
Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf das zu treffende Pru¨-
fungsurteil gepra¨gt ist.
30 Beispielhaft werden im Avis 2012-01 Aktuarsdienstleistungen bei der Beur-
teilung von Pensionsverpflichtungen genannt.
31 Siehe Avis 2012-01des H3C, S. 6 ff.
32 Aufgabe des H3C ist es u. a., u¨ber sog. Avis seine Ansicht zu den berufssta¨n-
dischen Normen der Wirtschaftspru¨fer in Frankreich darzustellen.
33 Siehe Avis 2012-01 des H3C, S. 4.
34 Diese zwei zentralen Diskussionspunkte spiegelt auch die Zusammenfassung
der Stellungnahmen zum Gru¨nbuch wider, a.a.O. (Fn. 11), S. 26 ff.
35 Vgl. bspw.
Holm/Thinggaard
, a.a.O. (Fn. 16);
Lesage/Ratzinger-Sakel/Kettu-
nen
, Struggle over Joint Audit – On Behalf of Public Interest?, Arbeitspapier
2012;
Zerni/Haapama¨ki/Ja¨rvinen/Niemi
, European Accounting Review 2012
S. 1-35.
36 Siehe dazu auch die Argumentation in
Lesage/Ratzinger-Sakel/Kettunen
,
a.a.O. (Fn. 35), S. 11 und S. 27.
37 Siehe die Stellungnahmen zum Gru¨nbuch, a.a.O. (Fn. 10).
38 So argumentieren bspw.
Piot
und
Francis/Richard/Vanstraelen
, dass der Pru¨-
fungsmarkt in Frankreich aufgrund des verpflichtenden Joint Audit-Regimes
weniger stark konzentriert ist; vgl.
Piot
, Managerial Auditing Journal 2007
S. 174;
Francis/Richard/Vanstraelen
, Auditing: A Journal of Practice and
Theory 2009 S. 40.
39 Das Gru¨nbuch spricht von Marktsto¨rungen, die sich ergeben ko¨nnten, wenn
eine der Big4-Pru¨fungsgesellschaften ausfallen wu¨rde. Eine Sta¨rkung der
Non-Big4-Pru¨fungsgesellschaften u. a. im Rahmen der Mitwirkung an Joint
Audits ko¨nnte diesbezu¨glich ein Lo¨sungsansatz sein, siehe EU-Kommission,
Gru¨nbuch, a.a.O. (Fn. 1), S. 17 f.
40 So stellen etwa auch
Lesage/Ratzinger-Sakel/Kettunen
und
Zerni/Haapama¨-
ki/Ja¨rvinen/Niemi
fest, dass das Auftreten der Trittbrettfahrerproblematik
eine negative Konsequenz der Abschlusspru¨fung in Form eines Joint Audits
sein ko¨nnte; vgl.
Lesage/Ratzinger-Sakel/Kettunen
, a.a.O. (Fn. 35), S. 14;
Zerni/Haapama¨ki/Ja¨rvinen/Niemi
, European Accounting Review 2012 S. 4.
41 EU-Kommission, a.a.O. (Fn. 11), S. 27.
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
Betriebswirtschaft
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