Elektro Praktiker - Sonderheft Blitz- und Überspannungsschutz - page 53

– Sonderheft
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BLITZSCHUTZMAßNAHMEN
4.1 Messnetze
Da Einzelsensoren wenig genau sind,
werden für höhere Anforderungen Mess-
netze verwendet, in welchen zahlreiche
Sensoren in geeigneten Abständen die
jeweiligen Blitzdaten an eine Zentrale zur
Auswertung senden. Die Systeme erfas-
sen alle hinreichend starken Teilblitze ei-
nes Gesamtblitzes. Messtechnisch wer-
den Einzelimpulse detektiert, bei wel-
chen der Stromanstieg innerhalb einer
Mikrosekunde erfolgt. Innerhalb von
etwa einer Sekunde können aber meist
mehrere Teilblitze auftreten, welche den
gleichen oberen Blitzkanal durchlaufen,
jedoch verschiedene Einschlagpunkte am
Boden treffen.
4.2 Blitzsensoren
Moderne Blitzsensoren verwenden eine
Peiltechnik, welche auf dem Laufzeitver-
fahren beruht. Dies wird heute weltweit
durch die Verfügbarkeit von GPS-Modu-
len ermöglicht, welche die notwendige
Zeitbasis liefern. Die Sensoren selbst kön-
nen entweder das elektrische und/oder
magnetische Feld nutzen. Ältere Versio-
nen verwenden auch Richtungspeilung,
was aber zu hohen Ungenauigkeiten führt
und möglichst vermieden werden sollte.
Praktisch alle modernen Systeme erlau-
ben eine zuverlässige Erkennung von Ge-
wittern; sie unterscheiden sich aber er-
heblich hinsichtlich Nachweiswahrschein-
lichkeit und Ortungsgenauigkeit.
Während starke Blitze mit Maximalströ-
men über 10 kA (positiv oder negativ)
aufgrund der großen Reichweite relativ
leicht messbar sind, gibt es bei der Erfas-
sung kleinerer Ströme große Unterschie-
de. Nur wenige Netze sind in der Lage,
z. B. Teilblitze mit nur 4 kA zu messen,
welche durchaus ein Haus in Brand set-
zen können und daher erfasst werden
sollten.
4.3 Alarmierungsverfahren
Im Laufe der Zeit wurden verschiedene
Alarmierungsverfahren entwickelt. Die
einfachste Methode beruht auf der
Wahrnehmung von Blitz und Donner und
wird erstaunlicherweise noch heute viel-
fach praktiziert. Eine Verbesserung ergibt
sich bei Nutzung von Einzelsensoren,
welche die Gewittertätigkeit in einer
gewissen Umgebung auch richtungsbe-
zogen erfassen. Die weitaus besten Er-
gebnisse erzielt man aber mit den oben
genannten Messnetzen. Es ist damit
möglich, nahezu jeden Gesamtblitz zu
orten – schwächere Teilblitze mögen
unerfasst bleiben – und bei den besten
Systemen eine Lokalisierungsgenauigkeit
von 100 m zu erzielen. Wichtig ist dabei,
dass die Systeme keine Fehlblitze melden,
weil sonst eine Gewittergefahr an Orten
suggeriert wird, wo tatsächlich keine
Gefahr besteht.
Eine Alarmierung wird meist automa-
tisch ausgelöst, wenn ein Blitz innerhalb
eines definierten Überwachungsbereichs
auftritt. Dieser Bereich kann prinzipiell
beliebige Formen aufweisen. Ist das Ziel-
gebiet sehr klein, dann ist die Vorwarn-
zeit sehr kurz und ein solcher Alarm
meist zu spät. Ist das Gebiet aber aus
Sicherheitsgründen zu groß gewählt,
dann treten Fehlalarme auf, weil ein
Gewitter lediglich in der Nähe vorbeizie-
hen kann und das eigentliche Zielgebiet
gar nicht überdeckt.
4.4 Vorhersagen
Verbesserte Warnungen und Alarme
lassen sich mit einer prinzipiell einfachen
Methode erzielen, die aber nur im Kurz-
fristbereich funktioniert. Langfristvorher-
sagen beruhen auf zahlreichen Wetter-
informationen und nummerischen Be-
rechnungen des künftigen Wetterablaufs
und können naturgemäß mit deutlichen
Unschärfen behaftet sein. Real gemesse-
ne Gewitterzellen lassen sich in ihrem
räumlichen und zeitlichen Verlauf im
Bereich von etwa einer Stunde mit meist
hinreichender Verlässlichkeit prognosti-
zieren. Natürlich müssen hierbei Zelltei-
lung, Zusammenwachsen von Zellen und
Richtungsänderungen beachtet werden.
Ferner ist bei den längeren Prognosezeit-
räumen Zerfall und Auflösung des Ge-
witters zu prüfen. Eine neue Methode
nutzt dieses Verfahren zur Kurzfristvor-
hersage (Nowcasting) und ist nun als
internet-basierte Anwendung auch als
App (BlitzAlarm) für jeden verfügbar.
Bilder
™
a bis c zeigen das Warn- und
Alarmverfahren anhand eines Gewitters,
welches sich dem Flughafen München
nähert. Es wird ein kreisförmiges Gebiet
um das Flughafenzentrum als Überwa-
™
Das Blitzortungssystem LINET zeigt Blitzzellen, welche sich dem Flughafen München nähern
a) Solange die tatsächlichen Blitze und die prognostizierten Zellen das Flughafengebiet nicht erreichen, gibt es keine Warnung.
b) Die Blitze erreichen zwar nicht den Flughafenbereich, wohl aber die prognostizierten Zellen. Daher wird eine Warnung ausgelöst.
c) Die Blitze erreichen den Flughafenbereich, es erfolgt eine Alarmmeldung.
a)
b)
c)
1...,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52 54,55,56,57,58,59,60,61,62,63,...84
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