WP/StB Dr. Peter Bo¨melburg, Nu¨rnberg / Achim Curd Ra¨gle / Marco Gahm, beide Ku¨nzelsau
Aufwendungen fu¨r Zeitarbeitskra¨fte in der GuV –
betriebswirtschaftliche Analyse einer nicht mehr
zeitgema¨ßen Systematik
u
DB0581588
I. Einleitung
Im Juni 2012 waren etwa 908.000 Leiharbeiter in Deutschland
bescha¨ftigt. Damit lag die Zahl weiterhin auf einem mit dem
Vorjahr vergleichbaren sehr hohen Niveau
1
. Die Statistiken bele-
gen die praktischen Erfahrungen, dass die Zeitarbeit u¨ber die
letzten Jahre hinweg bei vielen Unternehmen, insbesondere im
produzierenden Gewerbe, stark an Bedeutung gewonnen hat.
Die Mo¨glichkeit, Personal nach Vorgabe eines gewu¨nschten
Anforderungsprofils flexibel von Zeitarbeitsfirmen fu¨r einen be-
stimmten Zeitraum zu entleihen, ermo¨glicht es den Unterneh-
men, kurzfristig auf A¨ nderungen des Personalbedarfs zu reagie-
ren. Insbesondere bei ungewissen konjunkturellen Entwicklun-
gen kann damit innerhalb kurzer Zeit auf positive und negative
Trends reagiert werden, ohne die Stammbelegschaft zu vera¨n-
dern. Bei Zeitarbeitsquoten von teilweise bis zu 20% dienen
Zeitarbeiter aber nicht nur dem Spitzenausgleich, sondern u¨ber-
nehmen Basisleistungen der regula¨ren Belegschaft. Mit der Ein-
fu¨hrung von Quotenbeschra¨nkungen versuchen allerdings große
Unternehmen wie z. B. BMW, fu¨r Beruhigung in der Stamm-
belegschaft zu sorgen
2
.
In der Fachliteratur wurden in der ju¨ngsten Vergangenheit
eher arbeitsrechtlich gepra¨gte Diskussionen rund um den
Gleichbehandlungsgrundsatz in der Leiharbeit (equal treatment
und equal pay) und die Auswirkungen der fehlenden Tariffa¨hig-
keit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften fu¨r
Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) gefu¨hrt
3
.
Unbeeindruckt von der zunehmenden betriebswirtschaftli-
chen Bedeutung der Zeitarbeit und der Diskussionen um den
Gleichbehandlungsgrundsatz wurde das Thema aus Sicht der
Bilanzierung in der Literatur verha¨ltnisma¨ßig wenig diskutiert.
U. E. ist eine Diskussion u¨ber einen zeitgema¨ßen Ausweis der
Aufwendungen fu¨r Zeitarbeitskra¨fte nach HGB und IFRS unter
Beru¨cksichtigung der vera¨nderten betriebswirtschaftlichen Situa-
tion u¨berfa¨llig.
II. Herrschende Meinung zur Abbildung von Zeit-
arbeitskra¨ften nach HGB
Das HGB entha¨lt bzgl. des Ausweises von Zeitarbeitskra¨ften
keine explizite Regelung und gibt in § 275 HGB lediglich die
Gliederung der GuV vor. Danach kommen fu¨r Anwender des
Gesamtkostenverfahrens (GKV) auf den ersten Blick drei mo¨gli-
che Posten fu¨r den Ausweis infrage: Aufwendungen fu¨r bezoge-
ne Leistungen als Teil des Materialaufwands nach § 275 Abs. 2
Nr. 5b HGB, Lo¨hne und Geha¨lter als Teil des Personalauf-
wands nach § 275 Abs. 2 Nr. 6a HGB oder die sonstigen be-
trieblichen Aufwendungen nach § 275 Abs. 2 Nr. 8 HGB als
Auffangposition. Fu¨r Anwender des Umsatzkostenverfahrens
(UKV) nach § 275 Abs. 3 HGB stellt sich die Ausweisfrage zu-
na¨chst nicht, da hier die Aufwendungen in der GuV funktional
gegliedert sind und somit eine Zuordnung der Aufwendungen
fu¨r Zeitarbeitskra¨fte in Abha¨ngigkeit des unternehmerischen
Einsatzgebiets erfolgt, z. B. zu den Herstellungskosten der zur
Erzielung der Umsatzerlo¨se erbrachten Leistungen. Allerdings
verpflichtet § 285 Nr. 8 HGB zu einer Angabe des Material-
und Personalaufwands analog der §§ 275 Abs. 2 Nr. 5 und 275
Abs. 2 Nr. 6 HGB im Anhang.
Fu¨r die Frage des Ausweises von Aufwendungen fu¨r Zeit-
arbeitskra¨fte bedarf es daher der Auslegung. Nach h. M. der
Kommentarliteratur sind Zeitarbeitnehmer grds. ausdru¨cklich
nicht dem Personalaufwand zuzuordnen
4
. Grund hierfu¨r ist,
dass nach h. M. der Posten Personalaufwand sa¨mtliche Per-
sonalaufwendungen fu¨r gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte,
Gescha¨ftsfu¨hrer und Vorsta¨nde entha¨lt, die beim berichtenden
Unternehmen angestellt sind
5
. Da Zeitarbeitskra¨fte allerdings
rechtlich bei einer Fremdfirma angestellt sind, fielen diese somit
nicht unter den Personalaufwand. Am Ausweis a¨ndert auch eine
Ermittlung und Auszahlung der Entgelte fu¨r die Zeitarbeiter
durch das entleihende Unternehmen nichts
6
. Die Argumentati-
on ist a¨hnlich zur Behandlung der Bezu¨ge von Aufsichtsra¨ten
und freiwilligen Beira¨ten, deren Vergu¨tungen aufgrund des feh-
lenden Anstellungsverha¨ltnisses nicht als Personalaufwand, son-
dern als sonstige betriebliche Aufwendungen ausgewiesen wer-
den
7
.
Nach h. M. sind Aufwendungen fu¨r Zeitarbeitskra¨fte grds.
unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen auszuweisen
8
.
Teilweise wird auch die Meinung vertreten, dass daru¨ber hinaus
Dr. Peter Bo¨melburg
ist Gescha¨ftsfu¨hrender Partner von Ro¨dl &
Partner in Nu¨rnberg,
Achim Curd Ra¨gle
ist Mitglied des Vorstands
und
Marco Gahm
ist Leiter Controlling bei der Ziehl-Abegg AG in
Ku¨nzelsau. Die Autoren geben ihre perso¨nliche Meinung wieder.
1 Statistik der Bundesagentur fu¨r Arbeit: Arbeitnehmeru¨berlassung, Leih-
arbeitnehmer und Verleihbetriebe, Nu¨rnberg, Juli 2012, online abrufbar un-
ter:
-
Themen/Beschaeftigung/Arbeitnehmerueberlassung/Arbeitnehmerueberlas-
sung-Nav.html?year_month=201206 (letzter Abruf: 23. 1. 2013).
2 Vgl.
Schumacher
, BMW will Zeitarbeit weiter reduzieren, WiWo Online vom
10. 11. 2012; online abrufbar unter
enchner-autokonzern-bmw-will-zeitarbeit-weiter-reduzieren/7367446.html
(letzter Abruf: 7. 2. 2013).
3 Vgl.
Blanke
, DB 2010 S. 1528;
Du¨well
, DB 2011 S. 1520;
Haas
, BC 2012
S. 268;
Hold
, NWB 2011 S. 2690.
4 Vgl.
Fo¨rschle
, in: Ellrott et al., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 8. Aufl. 2012,
§ 275 Rdn. 131; IDW, WP-Handbuch 2012, F, Rdn. 534.
5 Vgl.
Fo¨rschle
, a.a.O. (Fn. 4), § 275 Rdn. 125; IDW, a.a.O. (Fn. 4), F,
Rdn. 533.
6 Vgl.
Fo¨rschle
, a.a.O. (Fn. 4), § 275 Rdn. 131;
Adler/Du¨ring/Schmaltz
, Rech-
nungslegung und Pru¨fung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 275 HGB
Rdn. 100; IDW, a.a.O. (Fn. 4), F, Rdn. 534.
7 Vgl.
Fo¨rschle
, a.a.O. (Fn. 4), § 275 Rdn. 130; IDW, a.a.O. (Fn. 4), F, Rdn. 537.
8 Vgl.
Lachnit/Wulf
, in: Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, 2. Aufl. 2011,
54. Erga¨nzung, Kapitel 4, § 275 HGB Rdn. 98;
Lu¨denbach/Hoffmann
, NWB
Kommentar Bilanzierung, 3. Aufl. 2012, § 275 HGB Rdn. 33;
Morck
, in: Kol-
ler/Roth/Morck, Handelsgesetzbuch Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 275 HGB
Rdn. 6.
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
Betriebswirtschaft
765