Im Vergleich zu ihrer steigenden Verantwortung bei der er-
folgreichen Durchfu¨hrung von Insolvenzsanierungen – speziell
nach ESUG – scheint das
Amt des Insolvenzrichters
in Deutsch-
land in vielfacher Hinsicht unterbewertet. Dem ließe sich nach
Expertenmeinung dadurch begegnen, dass „
[. . .] man die Insol-
venzrichter besser besoldet, damit die Position erstrebenswert ist
56
.
Hierzu mu¨sse man zusa¨tzlich „
[. . .] dazu kommen, auch wenn das
politisch nicht opportun ist, die Insolvenzgerichte zu verkleinern und
hochspezialisierte Insolvenzgerichtsabteilungen einzufu¨ hren
57
.
Trotz weitreichender Diskussionen scheiterte die intendierte
Zusta¨ndigkeitskonzentration der Insolvenzgerichte – wie bereits
in den 1990er Jahren – auch im ESUG
58
. Es gilt abzuwarten, in-
wieweit sich die Fa¨higkeiten der Insolvenzgerichte ku¨nftig als
Flaschenhals oder gar Blockade zur Umsetzung der sanierungs-
affinen Maßnahmen des ESUG herausstellen
59
.
Mit Blick auf die Anreizfunktion der Vergu¨tungsordnung fu¨r
Insolvenzverwalter
(InsVV) bemerkt ein Großteil der befragten
Experten die Schaffung von Fehlanreizen. So biete eine „
[. . .]
Verwertung der Masse sicherlich fu¨ r den Verwalter einen ho¨heren
wirtschaftlichen Anreiz [. . .] als die Fortfu¨ hrung des Unternehmens
in der Insolvenz
60
. Als Lo¨sung dieses Fehlanreizes schlagen ein-
zelne Experten eine erho¨hte Gla¨ubigereinbindung vor: „
Und da
wa¨re es gut, wenn man das von Anfang an mit den Gla¨ubigern ver-
handelt. Das heißt, am Ende des Verfahrens setzt der Rechtspfleger
nur noch die Grundvergu¨ tung fest [. . .] Sie glauben gar nicht, was
wir plo¨tzlich fu¨ r super Verwalter ha¨tten und fu¨ r super Ergebnisse
61
.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Gla¨ubi-
gerautonomie (gem. ESUG) erscheint diese Alternative sinnvoll
und zielfu¨hrend. Kritisch anzumerken gilt es jedoch, dass stets
die Unabha¨ngigkeit des Insolvenzverwalters – auch durch trans-
parente Vergu¨tungsstrukturen – sichergestellt werden muss.
4. Sanierungsprozess
Der Sanierungsprozess umfasst die Umsetzung der Sanierung
und damit die Implementierung der identifizierten Sanierungs-
maßnahmen, die unter besonders herausfordernden Rahmenbe-
dingungen erfolgt.
a) Umsetzungsorientierung
Eine umsetzungsorientierte Atmospha¨re wurde in den gefu¨hrten
Experteninterviews als kritisches Konstrukt des Sanierungspro-
zesses identifiziert. Ha¨ufig sei es „
[. . .] eines der Kernprobleme,
dass Dinge einfach nicht umgesetzt werden
62
. Zudem scheint der
Umsetzungsorientierung eine motivationale Wirkung zuzukom-
men. So ko¨nne sie der durch halbherzige, vorinsolvenzliche Sa-
nierungsversuche und leere Versprechungen des Top-Manage-
ments (z. B. Zusage u¨ber Gehaltszahlungen) entmutigten Beleg-
schaft neue Motivation verleihen.
b) Sanierungscontrolling
Wenig u¨berraschend erscheint die in diesem Zusammenhang
einheitlich postulierte Expertenforderung nach einem stringen-
ten Sanierungscontrolling
63
. Hierdurch kann auch die Erzeu-
gung eines (positiven / motivationalen)
64
Handlungsdrucks reali-
siert werden.
c) Experteneinbindung
Zwischen der Einbindung externer Berater und dem Sanie-
rungserfolg konnte – u¨berraschenderweise – keine generelle Kor-
relation festgestellt werden, da die Beratungsleistungen sehr un-
terschiedlich sind, ihr Mehrwert schwer greifbar und daher nicht
generalisierbar erscheint. Als Hauptaufgabe der Berater wurde
jedoch die Bereitstellung von – u¨ber den „normalen“ Arbeits-
markt nicht beschaffbarer – „(Sanierungs-) Expertise“ fest-
gestellt. So seien die „
[. . .] Businessplanung [. . .] Krisenursachen-
analyse, Konzepterstellung [. . .] Liquidita¨tsplanung und -steuerung
[. . .] u¨ blicherweise Themen, die im Unternehmen meistens nicht
vorgehalten werden [. . .]
65
. Ebenfalls scheint die Einbindung
von Experten auch i. S. einer (tempora¨ren) Fu¨hrungsunterstu¨t-
zung bzw. der U¨ bernahme der tempora¨ren Gescha¨ftsfu¨hrung
(CRO) in der Praxis bedeutend. Die Experten kritisierten erheb-
lich die teils fehlende Insolvenzexpertise der Berater und schlu-
gen die Einfu¨hrung von Qualita¨tskriterien fu¨r Sanierungsberater
vor. Besonders vor dem Hintergrund der Schaffung einer neuen
Insolvenzkultur (ESUG) scheint der Ausbau der spezifischen
Insolvenzexpertise von Sanierungsberatern unabdingbar.
IV. Zusammenfassung und Fazit
Trotz umfassender Diskussionen und aktueller Reformen fristet
die Insolvenz in ihrer Anwendung als Sanierungsinstrument bis
heute ein Schattendasein. Zu schwer wiegt noch ihre Stigmati-
sierung als unumkehrbarer Niedergang des Unternehmens, zu
groß sind auch die theoretischen und praktischen Erkenntnis-
lu¨cken u¨ber ihre zielgerichtete Anwendung. Dabei stellt sie ha¨u-
fig eine sinnvolle und effektive Sanierungsalternative dar. Die
vorliegende Untersuchung identifizierte die kritischen Determi-
nanten von Insolvenzsanierungen, die letztlich eine erfolgreiche
Steuerung und ein effektives Management der Krisenbewa¨lti-
gung ermo¨glichen. Dabei scheinen die besonderen Rahmenbe-
dingungen der Insolvenz eine Anwendung der Erkenntnisse au-
ßergerichtlicher Sanierungen nur bedingt zuzulassen. So wurde
die grundlegende Risikoaversion der Sanierungsbeteiligten als
maßgebende Sanierungsblockade identifiziert. Demgegenu¨ber
konnte eine differenzierte Kommunikationsstrategie entwickelt
werden, deren Anwendung eine positive Auswirkung auf die in-
terne und externe Sanierungsbereitschaft vermuten la¨sst. Zudem
wurde festgestellt, dass institutionelles Vertrauen – trotz des
Mangels an (personalem) Vertrauen in die (stigmatisierte) Un-
ternehmensfu¨hrung – in erfolgreichen Insolvenzsanierungen
etabliert werden kann und muss. Nicht nur hierbei wurde die ex-
ponierte Stellung der Person des Insolvenzverwalters betont,
dessen branchenspezifische und soziale Kompetenzen als inte-
graler Bestandteil eines wirksamen Krisenmanagements identifi-
ziert werden konnten. Die Erkenntnisse legen zudem nahe, dass
eine U¨ berarbeitung der (moneta¨ren) Anreizmechanismen von
Insolvenzrichtern und -verwaltern mit Blick auf die Etablierung
einer positiven Insolvenzkultur u¨beraus sinnvoll erscheint. Die –
durch die Expertenaussagen gestu¨tzte – Beru¨cksichtigung der
zuvor dargestellten Erfolgsdeterminanten ko¨nnte allgemein
einen Beitrag zur Verbesserung der Krisenbewa¨ltigung und spe-
ziell zu einer Akzeptanzsteigerung der Insolvenzsanierung leis-
ten. Sie ko¨nnen daru¨ber hinaus fu¨r weitere Forschungen auf dem
noch wenig bearbeiteten Gebiet der Sanierung insolventer Un-
ternehmen dienen.
56 Experte A.
57 Experte D.
58 Zur Begru¨ndung vgl. BR-Drucks. 127/11.
59
Vallender
, DB 2012 S. 1609-1614 (1669-1672).
60 Experte X.
61 Experte F.
62 Experte N.
63 Vgl.
Krystek/Evertz/Moldenhauer
, Zeitschrift fu¨r Controlling & Management
2009 S. 164-168.
64 Ein positiver Handlungsdruck sichert die Herleitung ada¨quater Problemlo¨-
sungen, ohne die beteiligten Akteure dabei dem Gefu¨hl der (leistungshem-
menden) Angst auszusetzen. Der Handlungsdruck ist in der Insolvenz daher
moderat aufzubauen.
65 Experte O.
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
Betriebswirtschaft
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