Neben den Kompetenzen des Insolvenzverwalters konnte
auch die
Insolvenzexpertise
des Sanierungsberaters als erfolgskri-
tisch identifiziert werden. Allerdings scheint gerade sie in der
Praxis bislang nur unzureichend existent.
3. Sanierungsbereitschaft
Sanierungsbereitschaft umfasst als Begriff all diejenigen kriti-
schen Determinanten, welche die Bereitwilligkeit der internen
und externen Sanierungsbeteiligten zur Aufnahme der Insol-
venzsanierung charakterisieren.
a) Differenzierte Kommunikation
Die Relevanz der Kommunikation im Rahmen erfolgreicher Un-
ternehmenssanierungen wird durch die Literatur gestu¨tzt
28
. Zu
betonen ist allerdings, dass gerade die Insolvenz besondere Kom-
munikationsanforderungen stellt. Dies nicht zuletzt, weil die un-
ausweichliche O¨ ffentlichkeitswirksamkeit von Insolvenzen sog.
Verdra¨ngungs- und Verleugnungsstrategien – nicht selten die vor-
herrschenden Kommunikationsstrategien des Managements in
Krisen
29
– faktisch unmo¨glich macht. Im Hinblick auf eine opti-
male Verteilung der knappen (Kommunikations-) Ressourcen er-
scheint zudem eine
Priorisierung
der Kommunikationsbedarfe der
beteiligten Stakeholder notwendig. Die Aussagen der interviewten
Experten legen nahe, dass mit Insolvenzanmeldung eine deutliche
Verschiebung der Kommunikationsbedarfe in Richtung Fremd-
kapitalgeber und Mitarbeiter zulasten von Gesellschaftern und
Top-Management einzutreten scheint. Zwar wird die Sta¨rke der
„Entmachtung“ des Top-Managements – und damit sein Kom-
munikationsbedarf – nach Ansicht der Experten von seiner Ak-
zeptanz und der gewa¨hlten Verfahrensart (z. B. Eigenverwaltung)
beeinflusst; Fremdkapitalgeber werden in (spa¨ten) Krisenphasen
jedoch zumeist zum „wirtschaftlichen Eigentu¨mer“
30
des Unter-
nehmens und verringern damit Macht und Legitimita¨t des Top-
Managements. Die Kommunikationsanspru¨che von Gesellschaf-
tern verlieren durch die weitestgehende Entwertung ihrer Kapital-
anteile gleichfalls an Dringlichkeit; eingeschra¨nkte Mitsprache-
rechte beschneiden zudem ihre Machtposition. Abb. 3 gibt eine
U¨ bersicht u¨ber die aus den Expertengespra¨chen gewonnene, ada¨-
quate Kommunikationsstrategie in der Insolvenz.
Dabei wird unter einer
extensiven Kommunikation
eine hoch-
detaillierte, quantitativ umfangreiche Kommunikation verstan-
den, die eine detallierte Sicht im Gesamtzusammenhang der Sa-
nierung erlaubt. Dagegen erfolgt die restriktive Kommunikation
weniger detailliert und umfangreich, erlaubt aber dennoch einen
hinreichenden U¨ berblick u¨ber Sanierungsziele und -strategien.
Die
differenzierte Kommunikation
richtet ihre Inhalte explizit auf
die Bedu¨rfnisse der Zielgruppe (des Empfa¨ngers) aus. Eine
zeit-
nahe Kommunikation
erfolgt mo¨glichst direkt mit der Insolvenz-
anmeldung
31
.
Die Mitarbeiter konnten – aufgrund ihres hohen Wertscho¨p-
fungspotenzials und der Relevanz ihrer fachlichen Expertise –
als kritischste Anspruchsgruppe identifiziert werden. Nach Ex-
pertenaussagen ist der Fokus dabei zuna¨chst auf die
Leistungstra¨-
ger
32
zu richten, die zeitnah und extensiv informiert werden soll-
ten. Um sie nicht zu u¨berfordern und ihr Fachwissen optimal zu
nutzen, scheint eine mo¨glichst differenzierte Kommunikation
besonders zielfu¨hrend. Die Kommunikation an die
Gesamtbeleg-
schaft
sollte hingegen zeitverzo¨gert erfolgen. Um bestehende
A¨ ngste abzubauen, sind die Informationen eher restriktiv und
konzentriert zu vermitteln.
Auch die Kommunikation gegenu¨ber den
Fremdkapitalgebern
sollte eher konzentriert erfolgen. Der Umfang wurde zwar als ex-
tensiv charakterisiert, jedoch „
[. . .]weiterhin fokussiert auf diese
Empfa¨ngergruppe und auch natu¨ rlich noch [. . .] zeitnah
“
33
. Lo¨-
sungsorientierte Inhalte sind dabei aus Sicht der befragten Ex-
perten besonders wichtig, schließlich sei es „
[. . .] sehr viel ein-
facher zu kommunizieren, wenn man dem Prozess die Lo¨sung [. . .]
[voranstellt]
“
34
. Notwendige Basis stellt hierzu die finanzielle
und leistungswirtschaftliche Transparenz (s. o.) dar.
Die Kommunikationsstrategie gegenu¨ber den
u¨ brigen Stake-
holdern
35
ist aufgrund deren Heterogenita¨t kaum generalisierbar
und stark abha¨ngig von den individuellen Unternehmensgege-
benheiten. Allgemein wurde der zu wa¨hlende Kommunikations-
inhalt von den befragten Experten jedoch als eher differenziert
und prima¨r restriktiv charakterisiert.
Die
Einbindung von Interessenvertretern
(hier: Betriebsrat und
Gewerkschaft) wurde kontrovers diskutiert, einheitlich wurde je-
doch ihre Relevanz betont. Mehrheitlich wiesen die Experten
auf die positive Wirkung der Einbindung eines kooperations-
bereiten Betriebsrats hin. So mache es „
[. . .] ein Betriebsrat ha¨u-
fig viel einfacher [. . .], ein Unternehmen zu sanieren [. . .]
“
36
nicht
zuletzt, da er als „[. . .]
Sprachrohr dessen, was die Verwaltung
transportieren will
“
37
sowie als „
[. . .] Sprachrohr fu¨ r die Mitarbei-
ter – fu¨ r die Themen, die da liegen und die man als Verwalter gar
nicht sieht –
“
38
dem effektiven Informationsaustausch sowie der
Komplexita¨tsreduktion dienlich sein kann. Unabdingbar sei es
bei der Einbindung jedoch, dass „
[. . .] der Betriebsrat bereit ist,
auch konstruktiv mitzuarbeiten
“
39
. Erstaunlicherweise konnte kei-
28 Zu den Defiziten der Forschung zur Krisenkommunikation konstatiert
Coombs
, Ongoing Crisis Communication. Planning, Managing and Respon-
ding, 3. Aufl. 2012, S. 163: „The end result is that we know precious little
about how stakeholders react to crises or to the crisis response strategies
used to manage crises“.
29
Coombs
, Corporate Reputation Review 2007 S. 170 ff., stellt in seiner Situa-
tional-Crisis-Communication-Theory (SCCT) die „Deny-Strategy“ als „Primary
Response Strategy“ des Managements auf eine Krise dar.
30
Tyroller/Nienstedt
, in: Baur/Kantowsky/Schulte, Stakeholder Management in
der Restrukturierung. Perspektiven und Handlungsfelder in der Praxis, 2012,
S. 64.
31 Die Einteilung der Gestaltungsparameter erfolgt anlehnend an
Richter
, in:
Becker/Oechsler, Personal, Organisation und Arbeitsbeziehungen, 2007,
S. 122.
32 Leistungstra¨ger sind hochqualifizierte Mitarbeiter und/oder Tra¨ger speziel-
len Detailwissens, so z. B. zu einzelnen Fertigungsprozessen, Kalkulations-
oder Vertragsinhalten usw. In der Praxis werden diese Mitarbeiter zumeist
eine leitende Ta¨tigkeit ausu¨ben, was jedoch nicht notwendigerweise der Fall
sein muss.
33 Experte Z.
34 Experte P.
35 Z. B. Kunden, Lieferanten sowie ggf. die Kommune, der Staat.
36 Experte D.
37 Experte C.
38 Experte C.
39 Experte D.
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
Betriebswirtschaft
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