a) Top-Management Akzeptanz
Die exponierte Stellung des Top-Managements
10
krisenbefalle-
ner Unternehmen gilt in der Literatur als unumstritten
11
. Die
befragten Experten stellten die Top-Management-Akzeptanz
als unabdingbaren Baustein erfolgreicher Insolvenzsanierungen
heraus. „Top-Management-Akzeptanz“ geht begrifflich weit
u¨ber die reine „Qualita¨t“ des Top-Managements hinaus und be-
misst sich insbesondere an vergangenheitsorientierten Fragestel-
lungen: „
Welchen Anteil hat das [Top-] Management an der Situa-
tion gehabt? Wie lange ist das [Top-] Management dabei
“
12
? Eben-
falls umfasst sie nicht nur die unternehmensinterne Akzeptanz
des Top-Managements, sondern daru¨ber hinaus auch die der ex-
ternen Stakeholder, speziell der Fremdkapitalgeber. Zur (Wie-
der-) Herstellung der Top-Management-Akzeptanz wird nach
Expertenaussagen nicht selten ein Austausch der obersten Fu¨h-
rung vorgenommen. Zum Erhalt der Expertise des bisherigen
Top-Managements wird dabei auch auf rein unterstu¨tzende
CRO-Modelle
13
(sog. Berater-Modell) zuru¨ckgegriffen, die die
Kompetenzen des amtierenden Top-Managements grundsa¨tz-
lich nicht beschneiden.
b) Fru¨hzeitige Insolvenzanmeldung
Aufgrund des exponentiellen Anstiegs der (realen) destruktiven
Krisenwirkungen in der Insolvenz
14
scheint es wenig u¨berra-
schend, dass die befragten Experten der fru¨hzeitigen Insolvenz-
anmeldung einheitlich eine positive Wirkung zuschrieben. Zwar
intendiert das ESUG, den bestehenden „Teufelskreis“ aus Stig-
matisierung, spa¨ter Anmeldung und voranschreitendem Wert-
verlust aufzubrechen, jedoch wu¨rde „
ein Problem, das wir haben,
auch durch das ESUG nicht gelo¨st. Wenn Sie als Gescha¨ftsfu¨ hrer tat-
sa¨chlich eine ganz saubere Insolvenz anmelden [. . .], haben sie im-
mer dieses Kainsmal auf der Stirn
“
15
.
c) Tragfa¨higes Gescha¨ftsmodell
Einigkeit herrschte seitens der Experten daru¨ber, dass „[. . .]
Strukturprobleme in der Insolvenz nicht [gelo¨st werden ko¨nnen].
Und da macht es auch keinen Unterschied, ob ich den Antrag fru¨ h
oder spa¨t stelle
“
16
. „
Wenn das Unternehmen operativ wirklich kein
funktionierendes Gescha¨ftsmodell hat, [. . .] dann ist das Unterneh-
men auch nicht sanierungsfa¨hig
“
17
. Die Vorlage eines tragfa¨higen,
nachhaltig erfolgversprechenden Gescha¨ftsmodells ist eine unab-
dingbare Grundvoraussetzung fu¨r eine erfolgreiche Insolvenzsa-
nierung
18
.
d) Interne (Fach-) Kompetenz
Auch die interne (Fach-) Kompetenz der Mitarbeiter des zu sa-
nierenden Unternehmens konnte als kritischer Faktor des Sanie-
rungspotenzials identifiziert werden. Dabei wird in der Praxis
ha¨ufig festgestellt, „
dass das Unternehmen einige Themen gar nicht
angehen kann, weil die Expertise fehlt [. . .]“
19
.
e) Transparente, belastbare Datenlage
Ebenfalls konnte eine transparente Datenlage – im Hinblick auf
Prozess-, Ergebnis-, Kapital- und Liquidita¨tsstruktur – als
grundlegende Determinante des Sanierungspotenzials identifi-
ziert werden. Sie scheint insbesondere mit Blick auf die Formu-
lierung eines zielgerichteten, problemada¨quaten Sanierungskon-
zepts relevant. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund verscha¨rfter
Haftungsnormen
20
sowie der Notwendigkeit umfassender, ri-
sikobehafteter Sanierungsbeitra¨ge sa¨mtlicher Stakeholder muss
der Datentransparenz in der Insolvenz ein besonderer Stellen-
wert beigemessen werden. Nur auf Basis einer transparenten Da-
tenlage ist eine klare Problembeschreibung und somit die Ablei-
tung problemada¨quater Maßnahmen mo¨glich und zielfu¨hrend
21
.
f) Person des Insolvenzverwalters
Das
externe Sanierungspotenzial
manifestiert sich insbesondere
in der Person des Insolvenzverwalters. Neben seinen juristi-
schen Fa¨higkeiten scheint der
Branchenexpertise des Insolvenz-
verwalters
eine exponierte Stellung zuzukommen. Diese bezieht
sich weniger auf konkrete Prozess- bzw. Produktkenntnis, son-
dern vielmehr auf „
[. . .] ein gewisses Grundversta¨ndnis [. . .],
wie die Lieferkette funktioniert, wie die Vertragsbeziehungen sind
[. . .] und was ich mir in dem Umfeld erlauben kann und was
nicht
“
22
. In weiteren Expertengespra¨chen konnte die Definition
der Branchenexpertise – i. S. der Kenntnis von Branchen-
mechanismen
23
– besta¨tigt werden. Auch Studien auf dem Ge-
biet außergerichtlicher Sanierungen stellen fest, dass eine klare
Vision/Strategie des zu sanierenden Unternehmens nur durch
einen branchenkundigen Manager entwickelt und motivations-/
engagementfo¨rdernd kommuniziert werden ko¨nne
24
. Daru¨ber
hinaus scheint die
soziale Kompetenz
des Insolvenzverwalters
von besonderer Bedeutung. So sind sozial kompetente Fu¨h-
rungskra¨fte eher in der Lage, ihre Mitarbeiter besonders zu mo-
tivieren
25
, die Investitionsbereitschaft externer Stakeholder posi-
tiv zu beeinflussen
26
und die Mitarbeiter fachlich sowie
menschlich zu beurteilen und sie entsprechend ihren Qualita¨ten
effizient in die Projektorganisation
27
einzubinden. In diesem
Zusammenhang erscheint auch die perso¨nliche Anwesenheit
des Insolvenzverwalters wichtig, um – ausgehend von einem
perso¨nlichen Kontakt – ein grundlegendes Vertrauensverha¨ltnis
zu den Mitarbeitern aufbauen zu ko¨nnen.
10 Unter dem Begriff des „Top-Managements“ werden im Rahmen dieser Unter-
suchung der Vorstandsvorsitzende bzw. CEO/Gescha¨ftsfu¨hrer sowie die zen-
tralen oberen Fu¨hrungskra¨fte des Unternehmens subsummiert.
11 Vgl.
Lohrke/Bedeian/Palmer
, International Journal of Management Reviews
2004 S. 63;
Krystek/Moldenhauer
, Handbuch Krisen- und Restrukturierungs-
management, 2007, S. 162 f.;
Bo¨ckenfo¨rde
, Unternehmenssanierung – ein
konzeptioneller Ansatz unter Beru¨cksichtigung methodischer, institutionel-
ler und finanzinhaltlicher Elemente, 1990, S. 95 f.;
Lentz/Evertz
, in: Evertz/
Krystek, Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen. Grundlagen,
Fallstudien und Instrumente fu¨r die Praxis, 2010, S. 340.
12 Experte J.
13 Zur praktischen Ausgestaltung des Mandats des CRO vgl. in der Restrukturie-
rung allgemein
Kantowsky/Schulte
, in: Baur/Kantowsky/Schulte, Stakehol-
der Management in der Restrukturierung. Perspektiven und Handlungsfelder
in der Praxis, 2012, S. 304 ff. Vgl. zum (positiven) Einfluss eines Top-
Managementwechsels auf den Sanierungserfolg
Hofer
, Journal of Business
Strategy 1980 S. 25;
Goodstein/Boeker
, Academy of Management Journal
1991 S. 306 f.;
Barker III/Duhaime
, Strategic Management Journal 1997
S. 33.
14 Vgl. Krisenmodell von
Krystek
, Unternehmungskrisen. Beschreibung, Ver-
meidung und Bewa¨ltigung u¨berlebenskritischer Prozesse in Unternehmun-
gen, 1987, S. 29.
15 Experte W.
16 Experte L.
17 Experte Y.
18 Zur Relevanz der strategischen Neuausrichtung im Rahmen einer Unterneh-
menssanierung vgl. auch
Barker III/Duhaime
, Strategic Management Journal
1997 S. 33 und
Dalton/Perry/Younger/Smallwood
, Human Resource Manage-
ment 1996 S. 433.
19 Experte C.
20 Vgl.
Brinkmann
, DB 2012 S. 1313-1319 (1369-1372).
21 Vgl.
Krystek/Evertz/Moldenhauer
, Zeitschrift fu¨r Controlling & Management
2009 S. 164–168.
22 Experte Z.
23 So z. B. das Versta¨ndnis u¨ber Abha¨ngigkeitsverha¨ltnisse zwischen Lieferant
und Kunde, das allgemeine Wettbewerbsumfeld, die daraus resultierende In-
dustriepolitik oder auch besondere Produkteigenschaften.
24 Vgl.
Ketelho¨hn/Jarillo/Kubes
, European Management Journal 1991 S. 118.
25 Insbesondere durch die Implementierung eines transformationalen Fu¨h-
rungsstils, vgl.
Felfe
, Zeitschrift fu¨r Personalpsychologie 2006 S. 16.
26 Vgl.
Flynn/Staw
, Strategic Management Journal 2004 S. 323.
27 Vgl.
Lentz/Evertz
, a.a.O. (Fn. 11), S. 336 f.;
Brians
, Kritische Faktoren bei Re-
strukturierungen in Unternehmen. Theoretische Betrachtung – Empirische
Studie – Ausblick, 2007, S. 163, online abrufbar unter:
-
doc.bib.uni-mannheim.de/madoc/volltexte/2007/1418/ (letzter Abruf:
25. 2. 2012).
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013