marginale ku¨nftige Steigerungen der Akzeptanzwerte zu erwar-
ten.
Im Rahmen der Kodexrevision vom 15. 5. 2012 sind fu¨nf
neue Soll-Regelungen aufgenommenen worden. Der Kodex
empfiehlt nun explizit, dass ein eventuell bestehender Aus-
schuss fu¨r Vorstandspersonalien dem AR-Plenum Vorschla¨ge
zur Vorstandsvergu¨tung unterbreiten soll (E15)
49
. Die weiteren
vier Empfehlungen betreffen das Thema Unabha¨ngigkeit im
AR. Demnach sollen nun auch konkrete Ziele zur Unabha¨ngig-
keit der AR-Mitglieder benannt (E49) sowie die gescha¨ftlichen
und perso¨nlichen Beziehungen von AR-Kandidaten offengelegt
werden (E55-E57). Alle fu¨nf neuen Empfehlungen erscheinen
zuna¨chst neuralgisch. Unter Beru¨cksichtigung einer entspre-
chenden Adjustierung wird E15 jedoch nahezu vollsta¨ndig be-
folgt (adjustierter Akzeptanzwert: 98,9%). Da E55 und E56
ausweislich der Angaben der Unternehmen bis Ende 2013
ebenfalls allgemein akzeptiert werden, werden letztlich lediglich
zwei der fu¨nf neuen Bestimmungen (E49; E57) noch neural-
gisch sein.
c) Wirksamkeit der Abweichungskultur
Hinsichtlich der Akzeptanzeffekte des 2012 explizit in die
Pra¨ambel aufgenommenen Gedankens einer sinnvollen Abwei-
chungskultur
50
bietet sich zuna¨chst ein u¨berschla¨giger Blick auf
die generellen Befolgungsquoten an. Vergleicht man fu¨r die
Empfehlungen
51
die diesbezu¨glichen Befunde der aktuellen Er-
hebung mit den entsprechenden Ergebnissen der vorangegange-
nen Akzeptanzstudie des BCCG
52
, ist sowohl u¨ber alle Unter-
nehmen als auch in den Teilstichproben eine ru¨ckla¨ufige Befol-
gung zu verzeichnen. Wa¨hrend diese Tendenz im DAX und im
TecDAX allerdings eher marginal ausfa¨llt, ist sie gerade im Pri-
me Standard und im General Standard mit gut 7 Prozentpunk-
ten deutlicher ausgepra¨gt (vgl. Tab. 6).
DAX TecDAX MDAX SDAX Prime General
Ges.
2010 96,3 88,6 90,9 85,9 79,6 78,3
85,8
2013 95,8 87,9 86,8 80,9 72,5 71,2
81,9
Differenz – 0,5 – 0,8 – 4,1 – 5,0 – 7,1 – 7,1
– 3,9
Tab. 6: Befolgungsquoten nach Kodex Report 2010 und heute
(Angaben in Prozent bzw. Prozentpunkten)
Bei der Interpretation der Entwicklung der Befolgungsquoten
ist zu beru¨cksichtigen, dass sich zum einen innerhalb des Be-
trachtungszeitraums sowohl die Anzahl der Empfehlungen als
auch manche Empfehlungsinhalte gea¨ndert haben. Zum ande-
ren sind die Untersuchungsstichproben aufgrund unterschiedli-
cher Zusammensetzungen der Bo¨rsenindizes sowie des Kreises
der antwortenden Gesellschaften nicht vollkommen deckungs-
gleich. Zur Bereinigung der Erhebungsergebnisse um die hieraus
resultierenden Einflu¨sse konzentriert sich die weitere Analyse
einerseits auf die insgesamt 69 Soll-Bestimmungen, die im Be-
trachtungszeitraum entweder keine oder lediglich redaktionelle
Vera¨nderungen ohne inhaltliche Bedeutung erfahren haben
53
.
Andererseits werden nur diejenigen (73) Unternehmen einbezo-
gen, die an beiden Befragungen teilgenommen haben
54
. Fu¨r die-
se Teilmengen von Empfehlungen und Gesellschaften betragen
die Unterschiede der Akzeptanz
55
im Zeitablauf u¨ber alle Unter-
nehmen betrachtet bei 50 Soll-Bestimmungen lediglich maximal
± 5%. Bei elf Empfehlungen sind die Akzeptanzwerte hingegen
um jeweils mehr als 5% gesunken und bei acht anderen Empfeh-
lungen um mehr als 5% gestiegen (vgl. Tab. 7).
Wa¨hrend Akzeptanzschwankungen innerhalb einer Bandbrei-
te von ± 5% noch als moderat gelten ko¨nnen, erweisen sich daru¨ber
hinausgehende Abweichungen schon als auffa¨lliger. Mit Blick auf
die hier untersuchten eventuellen Auswirkungen der statuierten
Abweichungskultur ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass sich
diese Effekte zwar bei den elf Empfehlungenmit markant ru¨ckla¨u-
figer Akzeptanz anzudeuten scheinen. Diesen elf Soll-Bestim-
mungen stehen allerdings immerhin acht Empfehlungen mit ge-
genla¨ufiger Akzeptanzentwicklung gegenu¨ber. Hinzu kommt,
dass neben gea¨nderten Einstellungen in der generellen Abwei-
chungspolitik mo¨glicherweise auch andere Gru¨nde wie z. B. A¨ n-
derungen der spezifischen Unternehmenssituationen
56
den Ru¨ck-
gang der Befolgung in den elf Fa¨llen erkla¨ren ko¨nnten. Es ist zwar
zumindest bemerkenswert, dass viele der Empfehlungen mit
merklich gesunkener Akzeptanz besonders sensible Fragen der
personellen Zusammensetzung und Vergu¨tung von Vorstand
und Aufsichtsrat betreffen. Na¨here Anhaltspunkte u¨ber die Ursa-
chen des Akzeptanzru¨ckgangs lassen sich jedoch erst in Folge-
untersuchungen gewinnen, welche die konkreten Abweichungs-
begru¨ndungen in den Entsprechenserkla¨rungen auswerten
57
.
Aufschlussreich in Hinblick auf die Abweichungspolitik der
Unternehmen ist ferner die Akzeptanzentwicklung der vier Ko-
dexbestimmungen, die 2012 ohne inhaltliche A¨ nderung
58
aus
dem Anregungsstatus in Empfehlungen u¨berfu¨hrt worden sind.
Wie ein Vergleich der aktuellen Werte mit Daten aus der Erhe-
bung 2010
59
ergibt, hat die Akzeptanz u¨ber alle Unternehmen
betrachtet bei drei der Bestimmungen zugenommen, bei einer
Regelung dagegen abgenommen (vgl. Tab. 8). Der u¨ber die Jah-
re stabile Trend, wonach Empfehlungen tendenziell eher befolgt
werden als Anregungen
60
, findet folglich insofern eine zwar
u¨berwiegende, jedoch nicht durchga¨ngige Besta¨tigung. Er wird
hinsichtlich der empfohlenen Unabha¨ngigkeit des Pru¨fungsaus-
schussvorsitzenden vielmehr offenkundig von einer zunehmen-
den Ablehnung dieser Bestimmung u¨berlagert.
Insgesamt lassen die Erhebungsergebnisse somit zumindest
bislang keinen fla¨chendeckenden Einbruch der Akzeptanzwerte
als Konsequenz des neuen Pra¨ambelhinweises auf die Abwei-
49 Siehe
v. Werder/Bartz
, DB 2012 S. 1733 (1735).
50 Siehe bereits in der Einleitung S. 885.
51 Da die Zahl der Anregungen inzwischen deutlich zuru¨ckgegangen ist, kon-
zentriert sich die folgende Analyse auf die Empfehlungen.
52 Siehe
v. Werder/Talaulicar
, DB 2010 S. 853 (854).
53 Vgl. die den beiden Studien zugrunde liegenden Kodexfassungen vom 18. 6.
2009 und vom 15. 5. 2012 und zu den A¨ nderungen
v. Werder/Bo¨hme
, DB
2010 S. M16;
v. Werder/Bartz
, DB 2012 S. 1733.
54 Bei diesen 73 Unternehmen hat es zugleich auch keinen Wechsel bei der Zu-
ordnung zu den Bo¨rsenindizes und -segmenten gegeben.
55 Die prozentualen Akzeptanzwerte beziehen sich hier jeweils ausschließlich
auf die Unternehmen, die in beiden Studien Angaben zur Befolgung der be-
treffenden Empfehlung gemacht haben.
56 Etwa die erstmalige Etablierung eines Ausschusses fu¨r Sitzungsvorbereitung
und Vorstandsvertra¨ge (vgl. E36) oder der Abschluss von Beratungsvertra¨-
gen mit AR-Mitgliedern (vgl. E71).
57 Nach einer u¨berschla¨gigen Auswertung von Entsprechenserkla¨rungen des
DAX und MDAX werden mitunter im Gegensatz zur Befragung keine Abwei-
chungen angegeben, sodass insoweit auch keine Abweichungsbegru¨ndun-
gen existieren. Hierin zeigt sich einmal mehr, dass das CG-Reporting gele-
gentlich noch Schwa¨chen aufweist (vgl.
v. Werder/Talaulicar/Pissarczyk
, AG
2010 S. 62;
v. Werder/Pissarczyk/Bo¨hme
, AG 2011 S. 492) und die Unterneh-
men bei der Befragung teilweise eher als in den Entsprechenserkla¨rungen
Abweichungen darlegen.
58 Eine weitere Anregung wurde im selben Jahr ebenfalls in eine Empfehlung
u¨berfu¨hrt, zugleich aber auch inhaltlich modifiziert. Die betreffende Kodex-
bestimmung (E69) wird daher im Folgenden ausgeblendet.
59 Im Unterschied zu den Werten des Kodex Report 2010 [
v. Werder/Talaulicar
,
DB 2010 S. 853 (860)] beziehen sich die hier verwendeten Daten nur auf
die 73 an beiden Studien teilnehmenden Unternehmen, siehe nochmals
Fn. 54.
60 Siehe hierzu
v. Werder/Talaulicar
, DB 2010 S. 853 (861).
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
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