Bei der Berechnung der effektiven Steuerbelastung eines Lan-
des finden die wesentlichen, systempra¨genden Parameter der be-
trachteten Unternehmensbesteuerungsregime Beru¨cksichtigung.
Diese Parameter umfassen zuna¨chst die tariflichen Steuersa¨tze
(inkl. Zuschla¨ge, lokale Steuern sowie spezielle Steuersa¨tze auf
bestimmte Einkommen). Im Hinblick auf die Bemessungs-
grundlagen werden die jeweiligen Abschreibungsregelungen fu¨r
die fu¨nf im Modell abgebildeten Wirtschaftsgu¨ter erfasst. Daru¨-
ber hinaus wird auch einer etwaigen Substanzbesteuerung in
Form von GrSt oder auf weitere Wirtschaftsgu¨ter Rechnung ge-
tragen. Bei der Berechnung der grenzu¨berschreitenden Steuerbe-
lastung werden zudem die Regelungen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung empfangener ausla¨ndischer Dividenden-
und Zinseinku¨nfte im Ansa¨ssigkeitsstaat der Muttergesellschaft
bzw. die Vorschriften zur Quellenbesteuerung auf gezahlte Divi-
denden und Zinsen im Ta¨tigkeitsstaat der Tochtergesellschaft
beru¨cksichtigt. Zudem wird die Behandlung von Refinanzie-
rungskosten auf Ebene der Muttergesellschaft in das Modell in-
tegriert.
III. La¨ndervergleich u¨ber den Betrachtungszeitraum
1998-2012
Tab. 1 (auf S. 897) zeigt die nationalen Durchschnittssteuerbe-
lastungen fu¨r jeden Mitgliedstaat der EU27 im Zeitraum von
1998–2012 sowie fu¨r Japan, Kanada, Kroatien, Mazedonien,
Norwegen, Schweiz, Tu¨rkei und USA von 2005 bis jeweils
2012. Die Spannweite der beobachteten Steuerbelastungen ist
durchgehend betra¨chtlich. Im Jahr 2012 betra¨gt sie 32,2 Pro-
zentpunkte. Die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedo-
nien weist dabei mit einer EATR von 7,9% die geringste effekti-
ve Steuerbelastung aus. Die ho¨chste Belastung erfolgt dagegen
mit 40,1% in Japan
4
.
Weiter la¨sst sich festhalten, dass nur ein einziges Land aus der
Gruppe der ju¨ngeren EU-Mitglieder – Malta – nicht zu den La¨n-
dern mit sehr geringer Durchschnittssteuerlast za¨hlt. Die ho¨chste
Durchschnittssteuerlast wird hingegen vorwiegend in Industrie-
staaten mit hohem Bruttoinlandsprodukt erhoben. Dies sind in
abnehmender Reihenfolge die Staaten Japan, USA, Frankreich,
Spanien, Deutschland, Großbritannien und Italien. Deutschland
rangiert im Jahr 2012 auf Position 30 der insgesamt 35 Staaten,
wobei Platz 1 der niedrigsten Belastung entspricht. Innerhalb
der EU weisen nur drei Staaten (Malta, Spanien, Frankreich) eine
ho¨here Durchschnittsbelastung als Deutschland auf
5
.
Bei einer Betrachtung der Zeitreihen ab 1998 bzw. 2005 ist
ein deutlicher Abwa¨rtstrend bei der Effektivsteuerbelastung zu
beobachten. Wa¨hrend sie im Jahr 1998 durchschnittlich noch
bei 29,3% lag, sank sie in den folgenden vierzehn Jahren um 7,7
Prozentpunkte auf 21,6%. Dabei ist die Steuerbelastung in Japan
und den USA durchgehend am ho¨chsten. Besonders bei den eu-
ropa¨ischen Staaten, die aufgrund des gemeinsamen Binnen-
markts in einem sta¨rkeren Standortwettbewerb miteinander ste-
hen, wird im Zeitablauf die Tendenz zu niedrigeren Unterneh-
mensteuerbelastungen ersichtlich.
Der detailliertere Blick auf die La¨nder der EU la¨sst in Abha¨n-
gigkeit vom Zeitpunkt des EU-Beitritts einen deutlichen Unter-
schied in der steuerpolitischen Dynamik erkennen. So betra¨gt
der Ru¨ckgang der durchschnittlichen EATR bei den a¨lteren
Mitgliedstaaten (EU15) u¨ber den betrachteten Zeitraum von
1998-2012 insgesamt 6,1 Prozentpunkte. Bei der erweiterten
EU-Gruppe unter Beru¨cksichtigung der ju¨ngeren Mitgliedstaa-
ten, die in den Jahren 2004 bzw. 2007 beigetreten sind (EU+12),
ist die Reduktion mit 11,1 Prozentpunkten deutlich ho¨her, was
auf eine insgesamt gro¨ßere Dynamik der Steuersenkungen bei
den neuen EU-Mitgliedstaaten hindeutet. Eine Betrachtung der
Entwicklung u¨ber die Zeit belegt, dass die EU+12 bis zum Jahr
2004 im Durchschnitt ho¨here Minderungen der EATR aufwei-
sen. Zwar bleibt es auch fu¨r die Jahre nach 2004 weiterhin bei
einer generellen Abwa¨rtsbewegung der Effektivsteuerbelastun-
gen in den La¨ndern der EU+12. Allerdings nimmt die Ge-
schwindigkeit, mit der sich diese Staaten in Richtung niedrigerer
Belastungsniveaus bewegen, deutlich ab. Insbesondere seit Aus-
bruch der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat sich
die EATR auch in diesen La¨ndern durchschnittlich nur noch
um 0,5 Prozentpunkte verringert. Betrachtet man den gleich
langen Zeitraum vor 2008, also die Periode zwischen 2004 und
2008, so war der Trend zur Entlastung noch fu¨nfmal so stark,
denn die Steuerlast fiel hier im Durchschnitt der EU+12 um 2,5
Prozentpunkte. Bemerkenswert bleibt, dass die Jahre zwischen
1998 und 2004 von den spa¨teren Beitrittsstaaten offenbar ge-
nutzt wurden, sich steuerpolitisch auf den Beitritt zur EU vor-
zubereiten und die Attraktivita¨t als Investitionsstandort mit einer
Belastungssenkung um durchschnittlich 8,1 Prozentpunkte zu
verbessern.
Eine Reaktion auf diese steuerliche Wettbewerbspolitik er-
folgte seitens der EU15 erst mit Verzo¨gerung. Steuerentlastun-
gen in nennenswertem Umfang setzten in diesen La¨ndern erst
mit der großen EU-Erweiterungsrunde im Jahr 2004 ein. So fiel
der EATR-Durchschnitt in den EU15 zwischen 2004 und 2008
um 3,6 Prozentpunkte – und damit in diesem Zeitraum sta¨rker
als in den jungen EU-Staaten. Deutschland hat im Jahr 2008
mit einer umfassenden Unternehmensteuerreform seine Effek-
tivbelastung um 7,3 Prozentpunkte auf 28,2% gesenkt und damit
sicherlich positive Impulse fu¨r die Stellung Deutschlands im in-
ternationalen Steuerwettbewerb gesetzt. Allerdings ist jedweder
Entlastungstrend auch in den EU15 seit dem Krisenjahr 2008
spu¨rbar abgeschwa¨cht. Die Senkung der durchschnittlichen Ef-
fektivbelastung zwischen 2008 und 2012 liegt bei nur noch 0,6
Prozentpunkten. Seit 2010 sind die Steuersa¨tze u¨ber alle EU-
Staaten betrachtet nahezu konstant geblieben.
Insgesamt la¨sst sich festhalten, dass die La¨nder der EU15
trotz einer zwischenzeitlich gesteigerten Steuersenkungsdynamik
die Entwicklungen in den neuen EU-Staaten nie komplett nach-
vollzogen haben. Im Ergebnis ist die Spanne zwischen dem EU-
Land mit der ho¨chsten und dem mit der niedrigsten EATR u¨ber
die Zeit zwar deutlich gesunken, sie bleibt mit 25,2 Prozent-
punkten (31,8 Prozentpunkte in 1998) aber weiterhin erheblich.
IV. Besteuerung grenzu¨berschreitender Investitionen
1. Modellansatz
Zur Messung der Steuerbelastung bei grenzu¨berschreitenden In-
vestitionen wird unterstellt, dass die Investition im Ausland
durch eine Tochtergesellschaft erfolgt, an der die inla¨ndische
Muttergesellschaft zu 100% beteiligt ist. Da das im Modell-
ansatz betrachtete hypothetische Investitionsprojekt einer Toch-
tergesellschaft zugeordnet ist und diese in allen La¨ndern ein
eigensta¨ndiges Besteuerungssubjekt darstellt, wird die ausla¨ndi-
sche Besteuerung auf Ebene dieser Tochter von der Ansa¨ssigkeit
der investierenden Muttergesellschaft nicht beru¨hrt. Allerdings
ko¨nnen sowohl der Sitzstaat der Tochter als auch der der Mut-
tergesellschaft Anspruch auf die Besteuerung der Zahlungsstro¨-
4 Die Standardabweichung als Maß der Streuung der Belastungen um den Mit-
telwert von 21,6% u¨ber alle La¨nder liegt 2012 bei 7,7.
5 Vgl. hierzu auch
Endres/Stellbrink
, StuW 2012 S. 96.
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Steuerrecht
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