triebspru¨fungen (Bp) bei Großbetrieben i. S. von § 3 BpO Stel-
lung genommen. Das BMF trifft Aussagen zum berechtigten
und verpflichteten Adressatenkreis der Ru¨ckstellungsbildung so-
wie zu Umfang und Bewertung entsprechender Ru¨ckstellungen.
Der folgende Beitrag mo¨chte das BMF-Schreiben zum Anlass
nehmen, den Umfang sowie etwaige Bewertungsobergrenzen
von Ru¨ckstellungen wegen Aufwendungen zuku¨nftiger Betriebs-
pru¨fungen bei Großbetrieben na¨her auszufu¨hren.
II. Ausgangslage
Der BFH hat mit Urteil vom 6. 6. 2012
2
die Bildung von Ru¨ck-
stellungen fu¨r Aufwendungen zur Erfu¨llung der Mitwirkungs-
pflichten
3
nach §§ 90, 200 AO anla¨sslich einer zuku¨nftigen Bp
auch ohne eine zuvor ergangene Pru¨fungsanordnung fu¨r die Fa¨l-
le zugelassen, dass es sich bei den zu pru¨fenden Betrieben um
Großbetriebe i. S. des § 3 BpO handelt und somit ho¨chstwahr-
scheinlich mit einer Anschlusspru¨fung gem. § 4 Abs. 2 BpO zu
rechnen sei. Hierdurch hat der BFH die Diskussion zur Abha¨n-
gigkeit der Ru¨ckstellungsbildung von einer zuvor ergangenen
Pru¨fungsordnung fu¨r die Fa¨lle der Großbetriebe beendet
4
. Das
BMF hat sich nun dieser Auffassung angeschlossen und erkla¨rt
die Grundsa¨tze des BFH-Urteils vom 6. 6. 2012
5
u¨ber den ent-
schiedenen Einzelfall hinaus fu¨r allgemein anwendbar. Diese
Grundsa¨tze sind lt. BMF-Schreiben in allen offenen Fa¨llen an-
zuwenden und die Regelungen zur Bilanzberichtigung nach
R 4.4 Abs. 1 Satz 3-10 EStR zu beachten. Zugleich stellt das
BMF ausdru¨cklich klar, dass diese Grundsa¨tze und damit eine
Passivierung einer Ru¨ckstellung fu¨r Aufwendungen, die im Zu-
sammenhang mit der Durchfu¨hrung einer zuku¨nftigen Bp ste-
hen fu¨r diejenigen Stpfl. nicht mo¨glich ist, bei denen eine An-
schlusspru¨fung nach § 4 Abs. 2 BpO nicht in Betracht kommt.
Zur Begru¨ndung fu¨hrt das BMF aus, die Soll-Vorgabe des § 4
Abs. 2 BpO sei fu¨r den BFH ein tragender Grund gewesen, um
von einer hinreichend bestimmten und sanktionsbewehrten Ver-
pflichtung auszugehen, bei der die Inanspruchnahme u¨berwie-
gend wahrscheinlich sei. Die Frage, ob diese Voraussetzungen
einer Ru¨ckstellungsbildung gleichfalls in Fa¨llen von Klein- und
Mittelbetrieben erfu¨llt sind, hat der BFH mangels Entschei-
dungserheblichkeit offengelassen, sodass nach den Feststellun-
gen des BMF fu¨r diese Stpfl. eine Ru¨ckstellungsbildung ohne
eine zuvor ergangene Pru¨fungsanordnung nach § 196 AO wie
bisher nicht in Betracht kommt. Weiterhin bleibt im BFH-
Urteil
6
mangels Entscheidungserheblichkeit offen, welche Kos-
ten bei der Bewertung entsprechender Ru¨ckstellungen zu be-
ru¨cksichtigen sind. Hinsichtlich des „ob“ der Ru¨ckstellungsbil-
dung hat sich das BMF nunmehr klar positioniert, bezu¨glich des
„wie“ stellt sich jedoch die Frage des Umfangs und der Bewer-
tung entsprechender Ru¨ckstellungen.
III. Umfang und Bewertung entsprechender Ru¨ckstel-
lungen
Die Aufwendungen des Stpfl. zur Erfu¨llung seiner Mitwir-
kungspflichten im Rahmen einer Bp stellen ungewisse Verbind-
lichkeiten dar. Der Stpfl. hat in gewisser Form unentgeltliche
Dienstleistungen gegenu¨ber der Finanzverwaltung zu erbringen
wie z. B. die Gestellung von Bu¨rora¨umen, EDV-Dienstleistun-
gen und Auskunftspersonal. Hierbei handelt es sich mangels
Geldleistungsverpflichtungen um ungewisse Verbindlichkeiten
in Gestalt von Sachleistungsverpflichtungen. Da nunmehr in
Fa¨llen von Großbetrieben die Zula¨ssigkeit der Bildung von
Ru¨ckstellungen fu¨r Aufwendungen zuku¨nftiger Bp durch das
BMF-Schreiben
7
statuiert ist, stellt sich anschließend die Frage
des Umfangs sowie etwaiger, im Maßgeblichkeitsgrundsatz be-
gru¨ndeter steuerlicher Bewertungsobergrenzen entsprechender
Ru¨ckstellungen. Systematisch ist zur korrekten (steuerlichen)
Abbildung einer entsprechenden Ru¨ckstellung zuna¨chst zwi-
schen den handels- und steuerlichen Bewertungsansa¨tzen zu dif-
ferenzieren, um u¨ber den Maßgeblichkeitsgrundsatz
8
schluss-
endlich korrekte Ru¨ckstellungsbetra¨ge in der Steuerbilanz abbil-
den zu ko¨nnen.
1. Handelsrechtliche Bewertung
Zu den handelsrechtlichen Bewertungsansa¨tzen trifft das BMF-
Schreiben keine Feststellungen. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2
HGB
9
findet handelsrechtlich bei den vorliegenden Sachleis-
tungsverpflichtungen wa¨hrend der Durchfu¨hrung der Bp im
Ergebnis die Vollkostenmethode Anwendung, da Ru¨ckstellun-
gen i. H. des nach vernu¨nftiger kaufma¨nnischer Beurteilung
notwendigen Erfu¨llungsbetrags anzusetzen sind
10
. Die kauf-
ma¨nnische Beurteilung bedingt eine objektive Nachpru¨fbarkeit,
sodass – soweit vorhanden – auf Erfahrungswerte vorangegan-
gener Bp hinsichtlich der Ho¨he des Erfu¨llungsbetrags zuru¨ck-
gegriffen werden kann. Gegenstand der Vollkosten sind sowohl
die Einzel- als auch die Gemeinkosten inkl. der variablen und
fixen Kosten; demgegenu¨ber sind kalkulatorische Kosten und
Gro¨ßen des anteiligen Unternehmergewinns nicht ru¨ckstel-
lungsfa¨hig
11
. Direkt zuzuordnende Material- und Fertigungs-
kosten sowie Personalkosten geho¨ren zu den Einzelkosten,
wa¨hrend sa¨mtliche Kosten, welche einem Wirtschaftsgut nicht
unmittelbar – wie im Fall der Einzelkosten – zugeordnet wer-
den ko¨nnen, sondern erst mittels einer Aufschlu¨sselung bzw.
Umlage zuzuordnen sind, den Gemeinkosten zugeschrieben
werden
12
. Der somit ermittelte Erfu¨llungsbetrag ist durch die
Neufassung des § 253 HGB im Zuge des BilMoG
13
nicht
mehr reglementiert auf die Preis- und Wertverha¨ltnisse zum
Bilanzstichtag, sondern nach dem Bilanzstichtag liegende Preis-
und Kostensteigerungen sind zur Erfu¨llung der ungewissen
Verbindlichkeit zusa¨tzlich zu beru¨cksichtigen, um einen mo¨g-
lichst realistischen Bilanzansatz abzubilden
14
.
2 BFH-Urteil vom 6. 6. 2012 – I R 99/10, DB 2012 S. 2019; Vorinstanz: FG Ba-
den-Wu¨rttemberg, Urteil vom 14. 10. 2010 – 3 K 2555/09, DB0402307.
3 Instruktiv zu den bestehenden Mitwirkungspflichten:
Kleine/Werner
, DStR
2006 S. 1954;
Werner
, BC 2008 S. 225;
Frotscher
, in: Schwarz, AO, § 200
Rdn. 1 ff., jew. m. zahlr. N. zum Umfang der Mitwirkungspflichten.
4 Zum Stand der Diskussion:
Buciek
, in: Blu¨mich, EStG, § 5 Rdn. 791 ff.;
Weber-Grellet
, in: Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 5 Rdn. 550, m. w. N. Nach der
nunmehr u¨berkommenden Auffassung der Finanzverwaltung wurde nach
R 5.7 Abs. 3 EStR 2010 bis dato die steuerrechtliche Zula¨ssigkeit solcher
Ru¨ckstellungen unter Berufung auf die Rspr. des BFH grds. von einer bereits
ergangenen Pru¨fungsanordnung nach §§ 196 ff. AO abha¨ngig gemacht.
5 A.a.O. (Fn. 2).
6 A.a.O. (Fn. 2).
7 A.a.O. (Fn. 1).
8 Das Maßgeblichkeitsprinzip findet auch nach den Neuregelungen des
BilMoG (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. 5. 2009, BGBl.
I 2009 S. 1102) Anwendung.
9 Anm.: i. d. F. des BilMoG, BGBl. I 2009 S. 1102.
10
Kulosa
, in: Schmidt, EStG, § 6 Rdn. 472;
Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner
,
Buchfu¨hrung und Bilanz, S. 986, 20. 1. 7.1;
Werndl
, in: Kirchhof/So¨hn/Mel-
linghof, EStG, Bd. 6, § 6 Rdn. 1;
Ehmcke
, in: Blu¨mich, EStG, § 6 Rdn. 976;
BFH-Urteil vom 25. 2. 1986 – VIII R 134/80, BStBl. II 1986 S. 788 = DB 1986
S. 1901; vom 19. 7. 1983 – VIII R 160/79, BStBl. II 1984 S. 56 = DB 1984
S. 94; vom 19. 1. 1972 – I R 114/65, BStBl. II 1972 S. 392 = DB 1972 S. 894;
vom 19. 8. 2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 2003 S. 131 = DB 2002 S. 2463.
11
Kulosa
, a.a.O. (Fn. 10), § 6 Rdn. 472;
Werndl
, a.a.O. (Fn. 10), § 6 Rdn. 20,
m. w. N.
12
Kulosa
, a.a.O. (Fn. 10), § 6 Rdn. 472;
Ehmcke
, a.a.O. (Fn. 10), § 6 Rdn. 269;
Prinz
, in: Bordewin/Brandt, EStG, Bd. 3, § 6 Rdn. 504c.
13 BilMoG, BGBl. I S. 1102.
14
Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner
, a.a.O. (Fn. 10), S. 986, 20. 1. 7.1;
Werndl
,
a.a.O. (Fn. 10), § 6 Rdn. 1, m. w. N.;
Merkt
, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 253
Rdn. 3;
Morck
, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 253 Rdn. 4.
902
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013