3. Kapitalexportneutralita¨t
Mit den Effizienzu¨berlegungen verbunden ist insbesondere die
Frage nach der u¨berlegenen Methode zur Vermeidung interna-
tionaler Doppelbesteuerung. Die Diskussion zur Effizienz der
internationalen Besteuerung kreist dabei um zwei fundamentale
Paradigmen. Dies sind zum einen das Konzept der Kapital-
exportneutralita¨t und zum anderen das Konzept der Kapital-
importneutralita¨t
8
.
Kapitalexportneutralita¨t betrachtet einen inla¨ndischen Inves-
tor, fu¨r den es unter steuerlichen Gesichtspunkten gleichgu¨ltig
sein muss, ob er sein Kapital im In- oder Ausland investiert. Be-
zugspunkt fu¨r eine neutrale Besteuerung ausla¨ndischer Gewinne
ist also der Ansa¨ssigkeitsstaat des Investors. Wettbewerbs-
gesichtspunkte im Ausland bleiben außer Betracht. Das Anrech-
nungsverfahren zur Vermeidung der internationalen Doppel-
besteuerung garantiert, dass ausla¨ndische Gewinne unabha¨ngig
von ihrem Entstehungsort bzw. Zielland der Investition gem.
den Wertungen des Ansa¨ssigkeitsstaats besteuert werden. Zu-
mindest bei niedrigerer ausla¨ndischer Belastung verzerrt die Be-
steuerung die Allokation des Kapitals auf die Produktionsstand-
orte somit nicht. Sie ist dann vielmehr kapitalexportneutral. Die
von den gewinnmaximierenden Unternehmen angestrebte An-
gleichung der Nettorenditen u¨ber alle Produktionsstandorte im-
pliziert zudem aufgrund der stets einheitlichen Steuerbelastung
eine Angleichung der Bruttorenditen auf das eingesetzte Kapi-
tal
9
. Produktionseffizienz wa¨re damit erreicht.
4. Kapitalimportneutralita¨t
Kapitalimportneutralita¨t der Besteuerung betrachtet hingegen den
ausla¨ndischen Investitionsort. Danach sollen alle Aktivita¨ten auf
einemAuslandsmarkt unabha¨ngig von der Ansa¨ssigkeit der Inves-
toren nur dem dort vorherrschenden Steuerniveau unterliegen
10
.
Daher ist die Freistellungsmethode als Verfahren zur Vermeidung
der internationalen Doppelbesteuerung konsistent zum Para-
digma der Kapitalimportneutralita¨t – alle Wettbewerber am
Markt sollen vergleichbaren Steuerparametern unterliegen. Die
konsequente Sicherstellung einer kapitalimportneutralen Besteue-
rung geht jedoch weit u¨ber die Freistellung ausla¨ndischer Dividen-
den hinaus und erfordert – verglichen mit einer kapitalexportneu-
tralen Besteuerung – ein erheblich ho¨heres Maß an internationaler
Steuerkooperation. So muss die Besteuerung
sa¨mtlicher
Einku¨nfte
im Quellenland abschließend erfolgen, sodass der Einfluss einer
abweichenden Wohnsitzbesteuerung, etwa durch Fremdfinanzie-
rung des Auslandsengagements, ausgeschlossen ist. Jedoch ge-
wa¨hrleistet selbst eine abschließende Besteuerung ausla¨ndischer
Einku¨nfte im Quellenland und somit eine tatsa¨chlich kapital-
importneutrale Besteuerung bei divergierenden nationalen Steu-
ersa¨tzen und Gewinnermittlungsvorschriften keine Produktions-
effizienz. Vielmehr fu¨hrt die von den gewinnmaximierenden Un-
ternehmen angestrebte Angleichung der Nettorenditen u¨ber alle
Produktionsstandorte infolge der divergierenden nationalen Steu-
erbelastungen zu standortspezifischen Bruttorenditen. Lediglich
eine gro¨ßere Harmonisierung der Steuerbelastungen ko¨nnte diese
Schlussfolgerung relativieren.
5. Was dominiert international?
Welches der beiden Paradigmen mitsamt seinen Implikationen
fu¨r die Effizienz der Kapitalallokation dominiert international?
Auch auf diese Frage gibt ein detaillierter Blick auf Tab. 2 (auf
S. 899) eine Antwort. Bei konsequenter kapitalexportneutraler
Besteuerung wu¨rden fu¨r alle betrachteten Staaten die in
Spalte (1) ausgewiesenen Steuerbelastungen inla¨ndischer Investi-
tionen mit den Ergebnissen fu¨r Outbound-Investitionen
(Spalte (3)) u¨bereinstimmen und die Standardabweichung in
Spalte (5) durchweg einen Wert von null ausweisen. Eine solche
Situation wu¨rde bedeuten, dass jedes in einem der La¨nder ansa¨s-
sige Unternehmen der gleichen effektiven Durchschnittssteuer-
belastung unterliegt, unabha¨ngig davon, ob es in seinem Sitz-
staat oder an einem anderen der betrachteten Standorte inves-
tiert. Im Gegensatz dazu wa¨re Kapitalimportneutralita¨t gegeben,
wenn fu¨r alle Staaten die Steuerbelastung inla¨ndischer Investitio-
nen (Spalte (1)) mit derjenigen auf Inbound-Investitionen
(Spalte (2)) identisch wa¨re und die Standardabweichung
(Spalte (4)) wiederum durchgehend null betragen wu¨rde. Damit
wa¨re die Steuerbelastung auf Investitionsprojekte in jedem In-
vestitionsland unabha¨ngig vom Sitz des Investors.
Tab. 2 (auf S. 899) zeigt eine relativ geringe Streuung der
durchschnittlichen EATR bei Outbound-Investitionen u¨ber alle
Sitzstaaten des Investors i. H. von 2,4 (Spalte (3)). Die Streuung
der durchschnittlichenEATR bei Inbound-Investitionen u¨ber alle
Quellenstaaten ist dagegen mit einem Wert von 7,6 (Spalte (2))
deutlich ausgepra¨gter. Indes fa¨llt bei gegebenem Quellenstaat
die Streuung der EATR in Abha¨ngigkeit vom Sitzstaat des Inves-
tors (Wohnsitzstaat) mit durchschnittlich 3,2 (Spalte (4)) geringer
aus als die durchschnittliche Streuung der EATR in Abha¨ngigkeit
vom Investitionsstandort (Quellenstaat) bei gegebenem Sitzstaat
des Investors, die einen Wert von 7,9 annimmt (Spalte (5)).
Die effektive Durchschnittssteuerbelastung auf Inbound-
Investitionen variiert somit in erheblicher Weise zwischen den
einzelnen Ziella¨ndern (Spalte (2)). Bei gegebenem Investitions-
standort ist der Sitzstaat des Investors dagegen vergleichsweise
nachrangig fu¨r die Ho¨he der EATR (Spalte (4)). Die geringen
Auswirkungen des Sitzstaats eines Investors auf die EATR gren-
zu¨berschreitender Aktivita¨ten zeigen sich auch anhand der fest-
gestellten geringen Streuung der EATR von Outbound-Investi-
tionen u¨ber alle Sitzstaaten (Spalte (3)). Bei gegebenem Sitzstaat
kann es indes zu erheblichen Variationen der EATR in Abha¨ngig-
keit vom Zielland der Investition kommen (Spalte (5)). Die weit-
gehende Dominanz der Besteuerung nach Maßgabe des Niveaus
im Zielland der Investition wird daru¨ber hinaus durch die z. T. er-
hebliche Variation der Differenz zwischen der Steuerbelastung auf
inla¨ndischen Investitionen und derjenigen auf Outbound-Investi-
tionen unterstrichen. So sehen sich Investoren insbesondere in eu-
ropa¨ischen Hochsteuerla¨ndern wie Frankreich und Spanien einer
im Vergleich zur inla¨ndischen Steuerlast deutlich geringeren
EATR ihrer Outbound-Engagements gegenu¨ber. InNiedrigsteu-
erla¨ndern wie Bulgarien und Zypern ist die Situation umgekehrt.
Es la¨sst sich somit festhalten, dass die in Tab. 2 (auf S. 899) be-
trachteten Effektivsteuerbelastungen auf grenzu¨berschreitende
Investitionen und die Muster ihrer Variation u¨ber Ansa¨ssigkeits-
bzw. Quellenla¨nder die vorrangige Ausrichtung der grenzu¨ber-
schreitenden Besteuerung am Prinzip der Kapitalimportneutrali-
ta¨t verdeutlichen. Tatsa¨chlich dominiert bei der Vermeidung der
Doppelbesteuerung von Dividenden mit zunehmendem Trend
8 Vgl. zu den wettbewerbspolitischen Konsequenzen der Konzepte
Jacobs/
Endres/Spengel
(Hrsg.), Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl.
2011, S. 18.
9 Vgl. zu alternativen formalen Darstellungen
Devereux
, in:
S. Cnossen
, Taxa-
ting Capital Income in the European Union, Issues and Options for Reform,
2000, S. 116 f.;
Homburg
, in: Andel, Probleme der Besteuerung III, 2000,
S. 11.
10 Es wird also unterstellt, dass sich der globale Wettbewerb um Investitionen
auf ra¨umlich separierbaren Ma¨rkten abspielt. Dieses Wettbewerbsargument
gilt infolge mehrstufiger und arbeitsteiliger Produktionsprozesse, der Nut-
zung firmenspezifischen Know-hows und der mangelnden Separierbarkeit
von Absatzma¨rkten mittlerweile als widerlegt, wird im Folgenden aber nicht
weiter problematisiert. Vgl. weiterfu¨hrend
Jacobs/Endres/Spengel
(Hrsg.),
a.a.O. (Fn. 8), S. 29, m. w. N.;
Scho¨n
, World Tax Journal 2009 S. 80.
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Steuerrecht
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