Spannweite bei den (
n
* = 35) Unternehmen
70
, die entweder mit-
bestimmungsfrei sind oder Angaben speziell zur Anteilseigner-
seite machen, zwischen 25,0% und 100,0%. Der mit Abstand
ha¨ufigste Zielwert (Modus), der von etwa der Ha¨lfte der antwor-
tenden Unternehmen gewa¨hlt wurde, betra¨gt 50,0%. Hinzu
kommen weitere 13 Gesellschaften, die sich fu¨r einen ho¨heren
Wert entschieden haben. Unternehmen mit einer Zielsetzung
unter 50,0% befinden sich somit deutlich in der Minderheit.
In Hinblick auf die strittige Frage des Unabha¨ngigkeitsstatus
der Arbeitnehmer
71
ist die angestrebte Anzahl unabha¨ngiger
AR-Mitglieder im Gesamt-AR mitbestimmter Gesellschaften
aufschlussreich. 68,2% der parita¨tisch mitbestimmten Unterneh-
men (
n
* = 22) streben eine Anzahl unabha¨ngiger AR-Mitglieder
an, die mehr als die Ha¨lfte aller Organmitglieder ausmacht. Hie-
raus folgt, dass sich die meisten dieser mitbestimmten Unterneh-
men entschieden haben, zumindest einige oder sogar alle
72
Ar-
beitnehmervertreter als unabha¨ngig zu behandeln.
Zum Stand der Umsetzung lassen die vorliegenden Befunde
erkennen, dass die antwortenden Unternehmen
73
die gesetzten
Ziele fu¨r die Anteilseignerseite ohne Ausnahme zumindest errei-
chen (41,9%) und nicht selten u¨bererfu¨llen (58,1%). Dabei ver-
fu¨gen immerhin 41,9% der Gesellschaften nach ihren Angaben
aktuell u¨ber ausschließlich unabha¨ngige Anteilseignervertreter.
Die Erhebungsergebnisse legen daher die These nahe, dass in
der Praxis eher realisierbare Ziele gewa¨hlt werden.
Bemerkenswert im Zusammenhang mit der Anzahl unabha¨n-
giger AR-Mitglieder ist schließlich, dass ihr Anteil in Pru¨fungs-
und in Nominierungsausschu¨ssen der Tendenz nach ho¨her liegt
als in den Gesamtgremien. Bei den Pru¨fungsausschu¨ssen
74
liegt
der Anteil (
n
* = 90) der unabha¨ngigen AR-Mitglieder zwischen
0,0%
75
und 100,0%. Dabei bildet 100,0% den ha¨ufigsten Wert,
da 59,1% der mitbestimmungsfreien (
n
* = 22) und 45,6% der
mitbestimmten (
n
* = 68) Pru¨fungsausschu¨sse ausschließlich un-
abha¨ngige Mitglieder haben. Im Fall der Nominierungsaus-
schu¨sse
76
ergibt sich ein a¨hnliches Bild. Bei gleicher Spanne sind
auch hier (bei 62,0% der Ausschu¨sse;
n
* = 71) zumeist alle Mit-
glieder unabha¨ngig.
Die Beru¨cksichtigung potenzieller Interessenkonflikte bei der
Zielsetzung zur Zusammensetzung des AR ist thematisch eng
mit der Unabha¨ngigkeitsproblematik verzahnt
77
. Dieser Konnex
spiegelt sich auch in den Befragungsergebnissen deutlich wider.
Konzentriert man sich auf diejenigen (
n
* = 27) Unternehmen,
die in der Studie fu¨r beide Besetzungsaspekte Angaben machen,
so verfolgen rund drei Viertel dieser Gesellschaften insoweit
identische Ziele. Der Rest hat sich fu¨r die Interessenkonflikte
ohne Ausnahme ho¨here Ziele als fu¨r die Unabha¨ngigkeit ge-
setzt.
Die Befunde zur namentlichen Benennung unabha¨ngiger
Mitglieder des AR in CG-Publikationen der Unternehmen zei-
gen deutliche Unterschiede zwischen der Person des unabha¨ngi-
gen Finanzexperten und den u¨brigen Organmitgliedern. Wa¨h-
rend 64,0% der antwortenden Unternehmen (
n
* = 125) zumin-
dest den Namen des Finanzexperten bereits vero¨ffentlichen bzw.
dies noch fu¨r das Jahr 2013 planen, erfolgt eine Nennung der
u¨brigen unabha¨ngigen AR-Mitglieder nur bei etwa 45,8% der
(
n
* = 118) Gesellschaften. Hervorzuheben ist, dass die Bereit-
schaft zur Namensnennung nicht wie bei den Akzeptanzwerten
u¨blich im DAX besonders ausgepra¨gt ist. Sie ist vielmehr fu¨r
den Finanzexperten beispielsweise im MDAX (80,8%) und im
SDAX (78,6%) ho¨her (DAX: 58,3%). Fu¨r die anderen unabha¨n-
gigen Organmitglieder liegen z. B. wiederum der SDAX
(61,5%) sowie der TecDAX (54,5%) vor dem DAX (31,8%).
b) Offenlegung bei Aufsichtsratswahlen
Die 2012 eingefu¨hrten Empfehlungen zur Offenlegung eventu-
eller perso¨nlicher oder gescha¨ftlicher Beziehungen von AR-Kan-
didaten zum Unternehmen, den Organen der Gesellschaft oder
einem wesentlich beteiligten Aktiona¨r
78
werfen die Frage nach
dem angemessenen Detaillierungsgrad dieser Informationen auf.
Die Gesellschaften wurden daher um eine Stellungnahme gebe-
ten, wie konkret ihre diesbezu¨glichen Mitteilungen in den
Wahlvorschla¨gen an die HV ausfallen (werden). Dazu konnten
sie jeweils ankreuzen, ob sie den Lebenslauf der Kandidaten
und/oder konkrete Angaben zur Art (z. B. Kunden- oder Liefe-
rantenbeziehung), zum Umfang und zur Dauer der jeweils vor-
liegenden Beziehungen des Kandidaten sowie dazu vero¨ffentli-
chen, ob der Kandidat als unabha¨ngig angesehen wird. Um diese
Antworten in den Kontext der generellen Professionalita¨t der
Kandidatenauswahl einordnen zu ko¨nnen, wurde daru¨ber hinaus
erhoben, inwiefern systematische Anforderungsprofile fu¨r den
AR erstellt werden und ob sich diese Profile auf das Gesamt-
organ oder aber lediglich auf einzelne Mitglieder beziehen.
Die drei am ha¨ufigsten genannten Informationen
79
umfassen
den Lebenslauf der AR-Kandidaten (73,7%), die Art der Bezie-
hungen (60,5%) sowie die Einscha¨tzung des Unabha¨ngigkeits-
status (48,7%). Geringer ausgepra¨gt ist demgegenu¨ber die Be-
reitwilligkeit der Unternehmen, auch zum Umfang (38,2%) und
vor allem zur Dauer (30,3%) der Beziehungen Stellung zu neh-
men. In Hinblick auf die Kombinationsmo¨glichkeiten fa¨llt zu-
na¨chst auf, dass gut die Ha¨lfte der Unternehmen entweder nur
u¨ber einen (34,2%) oder aber u¨ber alle (18,4%) der fu¨nf ange-
sprochenen Punkte informiert. Dabei steht bei der knappen In-
formationspolitik der Lebenslauf (als einzige Information) mit
Abstand im Vordergrund
80
. Die u¨brigen Unternehmen infor-
mieren entweder u¨ber zwei (26,3% der Unternehmen), drei
(11,8%) oder vier (9,2%) der genannten Aspekte.
Geht man davon aus, dass Mitteilungen zu drei oder mehr
Aspekten bereits ein erheblicher Informationswert zukommt, so
69 Diese Frage ist vor allem fu¨r die Fa¨lle interessant, in denen nicht alle Mit-
glieder eines AR als unabha¨ngig angesehen werden, da ansonsten schon die
nach § 285 Nr. 10 HGB zu vero¨ffentlichende Mitgliederliste Informationen
u¨ber die Namen der (unabha¨ngigen) Organmitglieder vermittelt.
70 Die nachfolgenden empirischen Befunde beziehen sich auf die spezifische
Antwortstichprobe
n
* als jeweilige Menge derjenigen Unternehmen, welche
die zugrunde liegenden Empfehlungen (heute oder in Zukunft) befolgen
und die zugeho¨rigen Zusatzfragen beantwortet haben.
71 Zur kontroversen Diskussion fu¨r viele
Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder
, NZG
2012 S. 1081 (1087 f.);
Klein
, AG 2012 S. 805 (807 f.);
Kremer/v. Werder
, AG
2013 S. 344.
72 Dies gilt z. B. fu¨r die acht Unternehmen, die nach ihren Angaben eine voll-
sta¨ndig unabha¨ngige Besetzung des AR anstreben und/oder bereits errei-
chen.
73 Hierbei handelt es sich um 31 Gesellschaften, die sowohl die Zielsetzung als
auch den Umsetzungsstand angegeben haben.
74 Die Pru¨fungsausschu¨sse umfassen mindestens zwei, ho¨chstens acht und am
ha¨ufigsten vier Mitglieder (
n
* = 98), wobei lediglich in rund 10% der Pru¨-
fungsausschu¨sse mitbestimmter Unternehmen (
n
* = 73) keine Arbeitnehmer
vertreten sind.
75 Da fu¨r bo¨rsennotierte Aktiengesellschaften nach § 107 Abs. 4 i. V. mit § 100
Abs. 5 AktG mindestens ein unabha¨ngiges AR-Mitglied im Pru¨fungsausschuss
vertreten sein muss, wird damit streng genommen gegen geltendes Recht
verstoßen.
76 Die (nach der Empfehlung in Tz. 5.3.3 DCGK allein mit Vertretern der Aktio-
na¨re zu besetzenden) Nominierungsausschu¨sse haben mindestens zwei,
ho¨chstens sechs und am ha¨ufigsten drei Mitglieder (
n
* = 76).
77 Siehe bereits
v. Werder/Wieczorek
, DB 2007 S. 297 (299 ff.) sowie ju¨ngst
Kre-
mer/v. Werder
, AG 2013 S. 340 m. w. N.
78 Siehe die Empfehlungen E55 bis E57 in Tz. 5.4.1 Abs. 4 DCGK sowie hierzu
auch Tz. 5.4.1 Abs. 5 und 6 DCGK.
79 Die Antwortstichprobe fu¨r alle Werte der beiden folgenden Absa¨tze betra¨gt
n*
= 76.
80 Von den antwortenden Unternehmen vero¨ffentlichen 25,0% ausschließlich
diese Information.
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013