StB Prof. Dr. Dieter Endres, Frankfurt/M. / Dr. Jost H. Heckemeyer / Prof. Dr. Christoph Spengel / Katharina Finke / Katharina Richter,
alle Mannheim
Trends der Unternehmensbesteuerung in Europa
und weiteren Industriestaaten
u
DB0588245
I. Einleitung: Fragestellung und Vorgehensweise
Internationaler Steuerwettbewerb ist eine Folge der zunehmen-
den unternehmerischen Mobilita¨t. Es liegt daher nahe, dass die
Staaten die Ausgestaltung ihres Steuerrechts auch strategisch zur
Erho¨hung der Standortattraktivita¨t einsetzen. Bei Standortent-
scheidungen spielen nicht nur die lokalen Ma¨rkte, sondern stets
auch die Steuerbelastungen vor Ort eine maßgebliche Rolle. Fu¨r
die Unternehmen sind die Steuern ein wesentlicher Kostenfak-
tor, sodass sie im Rahmen ihrer Globalisierungsbemu¨hungen an-
gesichts des sich verscha¨rfenden Wettbewerbsumfelds auf
steuereffiziente Strukturen angewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund haben das Zentrum fu¨r Europa¨ische
Wirtschaftsforschung (ZEW) und die Universita¨t Mannheim in
Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auf-
trag der EU-Kommission, Generaldirektion Steuern und Zoll-
union, die Effektivsteuerbelastungen von Unternehmen in der
EU sowie weiteren bedeutsamen Industrienationen berechnet.
Fu¨r den Zeitraum von 1998 bis 2012 wurden die steuerlichen
Parameter durch umfangreiche Fragebogen-Recherchen im
weltweiten PwC-Netzwerk ermittelt. Ergebnis der langja¨hrigen
und kontinuierlich aktualisierten Arbeiten ist eine weltweit ein-
malige Datenbank, die u¨ber die la¨nderspezifische Beschreibung
der Steuersysteme hinaus Effektivsteuerbelastungen zur Ver-
fu¨gung stellt. Abgedeckt werden die EU, ausgewa¨hlte EU-Bei-
trittskandidaten und die OECD-La¨nder Kanada, Japan, Norwe-
gen, Schweiz und USA. Die im Herbst 2012 der EU-Kommis-
sion u¨berreichten neuesten Zahlen fu¨r das Jahr 2012 sind nun-
mehr freigegeben und werden in diesem Beitrag erstmalig der
O¨ ffentlichkeit vorgestellt.
Aus den umfassenden Daten zu den Effektivsteuerbelastun-
gen sowohl auf inla¨ndische als auch grenzu¨berschreitende Inves-
titionen von Unternehmen lassen sich einerseits Analysen zur
steuerlichen Wettbewerbsposition der untersuchten Staaten ab-
leiten. Andererseits liefern die Berechnungsergebnisse aber auch
Aussagen u¨ber Trends und Interaktionen der nationalen Steuer-
systeme und geben Hinweise auf die Effizienz der internationa-
len Besteuerung. Die Frage nach der Effizienz stellt sich ins-
besondere vor dem Hintergrund, dass sich in den vergangenen
Jahren immer mehr Staaten innerhalb wie auch außerhalb der
EU bei der Besteuerung grenzu¨berschreitender Investitionen
von der Anrechnungsmethode und damit dem Prinzip der Kapi-
talexportneutralita¨t abgewendet und sich fu¨r die Freistellungs-
methode und damit eine Sta¨rkung der Kapitalimportneutralita¨t
entschieden haben. Dadurch du¨rfte der steuerliche Einfluss des
lokalen Steuerniveaus auf die Gesamtsteuerbelastung eher zu- als
abgenommen haben – was sich als Katalysator fu¨r zusa¨tzlichen
Steuerwettbewerb erweisen ko¨nnte.
Der Beitrag stellt unter II. die angewandte Methodik zur Be-
messung der effektiven Unternehmensteuerbelastung vor. Unter
III. werden zuna¨chst zentrale Berechnungsergebnisse fu¨r natio-
nale Steuerbelastungen im Jahr 2012 diskutiert. Daneben wer-
den die Trends der Unternehmensbesteuerung im Betrachtungs-
zeitraum 1998-2012 herausgearbeitet. Unter IV. werden die
Effektivsteuerbelastung grenzu¨berschreitender Investitionen
analysiert. Zudem wird untersucht, welche Implikationen die
derzeit dominierenden internationalen Besteuerungssysteme fu¨r
die Steuerbelastung und damit das Investitionsverhalten haben.
Die Ergebnisse der Studien werden unter V. zusammengefasst.
II. Methodik der Steuerbelastungsanalyse
Die Ermittlung von la¨nderspezifischen effektiven Durch-
schnittssteuerbelastungen (
effective average tax rate
, EATR) er-
mo¨glicht einen konsistenten internationalen Vergleich der Belas-
tungswirkungen im Rahmen der Unternehmensbesteuerung.
Diese Belastungswirkungen wu¨rden u¨ber einen bloßen Abgleich
von tariflichen Ertragsteuersa¨tzen nur unzureichend abgebildet.
Die Berechnung der effektiven Steuerbelastung erfolgt nach
der Methodik von
Devereux
und
Griffith
1
, die ha¨ufig in interna-
tionalen Studien des ZEW, insbesondere im Auftrag der EU-
Kommission, Anwendung findet und sich weltweit etabliert
hat
2
. Die effektive Durchschnittssteuerbelastung beschreibt die
Steuerbelastung eines profitablen Investitionsprojekts, wobei in
der hier vorgestellten Untersuchung von einer fixen Bruttorendi-
te von 20% ausgegangen wird. Die Betrachtung hoch profitabler
Investitionen ist v. a. im Kontext von Standortentscheidungen
gerechtfertigt, bei denen es definitionsgema¨ß um die geographi-
sche Allokation o¨konomischer Renten geht
3
.
Die EATR kann sowohl in ihrer nationalen Variante, d. h.
nur unter Beru¨cksichtigung der jeweils lokalen Besteuerung des
betrachteten Standorts, als auch in einer grenzu¨berschreitenden
Auspra¨gung berechnet werden. Unabha¨ngig davon wird sie
stets fu¨r eine Serie hypothetischer Investitionsprojekte ermittelt,
die sich sowohl in Bezug auf das angeschaffte Wirtschaftsgut
(Geba¨ude, Maschinen, immaterielle Wirtschaftsgu¨ter, Finanz-
kapital oder Vorra¨te) als auch die genutzten Finanzierungsquel-
len (Selbst-, Beteiligungs- oder Fremdfinanzierung) unterschei-
Prof. Dr. Dieter Endres
ist Vorstand und Leiter der Steuerabteilung
bei PwC AG in Frankfurt/M.;
Prof. Dr. Christoph Spengel
ist Inhaber
des Lehrstuhls fu¨r Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebs-
wirtschaftliche Steuerlehre II an der Universita¨t Mannheim und Re-
search Associate am ZEW;
Dr. Jost H. Heckemeyer
ist Habilitand an
demselben Lehrstuhl und Research Fellow am ZEW.
Katharina Finke
und
Katharina Richter
sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am
Zentrum fu¨r Europa¨ische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
Die Autoren danken Frau
Alexandra Bartholmeß
, Senior Manager
bei PwC AG in Mu¨nchen, sehr herzlich fu¨r die geleistete engagierte
Unterstu¨tzung bei der Organisation der Recherchearbeiten, die den
in diesem Beitrag pra¨sentierten Analysen vorausgingen.
1 Vgl.
Devereux/Griffith
, The Taxation of Discrete Investment Choices, Revision
2 – IFS Working Paper No. W98/16, 1999;
Schreiber/Spengel/Lammersen
,
Schmalenbachs Business Review 2002 S. 2ff.
2 Vgl. zuletzt
Spengel/Elschner/Endres
, Effective Tax Levels Using the Dever-
eux/Griffith Methodology, Project for the European Commission TAXUD
2008/CC/099, Final Report, EU Commission, 2012.
3 Vgl.
Devereux/Griffith
, International Tax and Public Finance 2003 S. 107;
Spengel
, Internationale Unternehmensbesteuerung in der EU, 2003.
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