zu befassen, die zur pflichtgema¨ßen Erledigung des ihm erteilten
Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen
Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch unge-
fragt u¨ber die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrecht-
lichen Fragen zu belehren
2
. Zu den vertraglichen Nebenpflich-
ten des Steuerberaters geho¨rt es, den Mandanten vor Schaden zu
bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die fu¨r ihn
offen zutage liegen, hinzuweisen
3
.
Keine Hinweispflicht des Steuerberaters gegenu¨ber Gescha¨fts-
fu¨hrer auf Insolvenzpru¨fungspflicht bei Unterdeckung in Han-
delsbilanz
15
I
b)
Gemessen an diesen Grundsa¨tzen war es nicht Aufgabe
des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH be-
auftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in
der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des
Gescha¨ftsfu¨hrers ist, eine U¨ berpru¨fung vorzunehmen oder in
Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und ggf. gem.
§ 15a InsO Antrag auf Ero¨ffnung eines Insolvenzverfahrens ge-
stellt werden muss. Anders als bei einem ausdru¨cklichen Auftrag
zur Pru¨fung der Insolvenzreife eines Unternehmens
4
besteht
eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen
Mandat nicht. Sie wu¨rde die Verantwortlichkeit des Beraters,
sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, er-
heblich erweitern. Der Berater mu¨sste dann trotz der Beschra¨n-
kung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung
5
auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die
Pru¨fung des Vorliegens von Insolvenzgru¨nden zu za¨hlen ist, im
Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Rat-
schla¨gen ohne besonderen Auftrag auch insolvenz- und gesell-
schaftsrechtliche Hinweise erteilen.
Insolvenzrechtliche U¨ berschuldung ist aus der Handelsbilanz
nicht ohne Weiteres erkennbar
16
I
c)
Die Unterdeckung in der im Rahmen des Steuerberaters
erstellten Bilanz kann zwar einen indiziellen Hinweis auf die
mo¨glicherweise drohende oder bereits eingetretene U¨ berschul-
dung geben, sie weist diese aber nicht aus
6
. Festgestellt werden
kann die U¨ berschuldung i. S. des § 19 Abs. 2 InsO nur durch
Aufstellung einer U¨ berschuldungsbilanz, die anderen Gesetzma¨-
ßigkeiten unterliegt als die vom Steuerberater zu fertigende Bi-
lanz. Die insolvenzrechtliche U¨ berschuldung ist deshalb aus der
Handelsbilanz auch nicht ohne Weiteres zu entnehmen
7
.
Im Rahmen der Wahrnehmung des allgemeinen Mandats keine
Pflicht des Steuerberaters zum Hinweis auf eine mo¨gliche U¨ ber-
schuldung bei bloßem a¨ußerem Verdacht
17
I
aa)
Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter wel-
chen Voraussetzungen eine U¨ berschuldung i. S. des § 19 InsO
vorliegt
8
, ha¨tte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfra-
gen zu befassen, die fu¨r ihn – auch im Fall der Feststellung einer
Unterdeckung in der Handelsbilanz – in aller Regel nicht offen
zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt wer-
den, auf bloßen a¨ußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen,
die Gesellschaft sei mo¨glicherweise u¨berschuldet i. S. des § 19
InsO, oder ohne konkreten Auftrag zuna¨chst eine Fortfu¨hrungs-
prognose zu erstellen
9
und sodann – je nach Ergebnis dieser
Prognose – eine Pru¨fung der rechnerischen U¨ berschuldung nach
Fortfu¨hrungs- oder Zerschlagungswerten
10
vorzunehmen.
18
I
Die Erkenntnis der U¨ berschuldung setzt vielmehr voraus, dass wei-
tere Untersuchungen – etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen
Reserven und der bestehenden Fortfu¨hrungsaussichten – angestellt wer-
den, die fu¨r den Steuerberater nicht ohne Weiteres aus dessen Kenntnis
der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Er-
stellung der Fortfu¨hrungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 InsO,
die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Ge-
setzes zur Einfu¨hrung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess
und zur A¨ nderung anderer Vorschriften vom 5. 12. 2012
11
auf Dauer
ausreicht, um eine rechnerische U¨ berschuldung zu u¨berwinden
12
, sub-
jektive und prognostische Elemente zu beru¨cksichtigen, die sich dem
Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne Wei-
teres erschließen. Ob Fortfu¨hrungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein
umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlu¨ssiges und realisier-
bares Unternehmenskonzept fu¨r die Zukunft vorliegt
13
, kann der Steu-
erberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen
Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Fu¨r ihn wird nur die bilanzielle
U¨ berschuldung offenbar, die nicht einmal ausreicht, um eine rechneri-
sche U¨ berschuldung i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 InsO erkennbar
zu machen.
Keine Hinweispflicht des Steuerberaters aus der vertraglichen
Nebenpflicht zur Bewahrung des Mandanten vor Schaden
19
I
bb)
Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in
der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater ha-
be im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Scha-
densverhu¨tung kraft seines u¨berlegenen Wissens den Gescha¨fts-
fu¨hrer einer GmbH daru¨ber aufzukla¨ren, dass er verpflichtet sei,
zur Kla¨rung der Insolvenzreife eine U¨ berschuldungsbilanz auf-
zustellen und bei Feststellung der U¨ berschuldung die Ero¨ffnung
des Insolvenzverfahrens u¨ber das Vermo¨gen der Gesellschaft
fristgerecht zu beantragen, wenn U¨ berschuldung der Gesell-
schaft gem. § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits ein-
getreten sei
14
, ist mit der Beschra¨nkung der Pflichten des Steuer-
beraters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steu-
errechtlichen Mandat nicht in U¨ bereinstimmung zu bringen.
Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht, den Mandanten vor
Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des
Steuerberaters, auf einen mo¨glicherweise bestehenden Anlass zur
Pru¨fung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den
2 Vgl. BGH-Urteil vom 28. 11. 1966 – VII ZR 132/64, DB 1967 S. 244 = WM
1967 S. 72 (73); vom 6. 12. 1979 – VII ZR 19/79, DB 1980 S. 685 = WM 1980
S. 308 (309); vom 26. 1. 1995, a.a.O. (Fn. 1)
3 BGH-Urteil vom 7. 5. 1991 – IX ZR 188/90, DB 1991 S. 2029 = WM 1991
S. 1303 (1304); vom 26. 1. 1995, a.a.O. (Fn. 1), BGHZ 128 S. 358 (362);
vom 21. 7. 2005 – IX ZR 6/02, DB0118666 = WM 2005 S. 1904 (1905), unter
B. I. 1. a);
Vill
, in: Zugeho¨r/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Hand-
buch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rdn. 550 ff.
4 Vgl. BGH-Urteil vom 14. 6. 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193 S. 297 = DB 2012
S. 1559, Rdn. 9 ff.
5 Vgl. § 33 StBerG und BGH vom 14. 6. 2012, a.a.O. (Fn. 4), Rdn. 10 f.
6
Pape
, in: Ku¨bler/Pru¨tting/Bork, InsO, 2010, § 19 Rdn. 53;
Uhlenbruck
, InsO,
13. Aufl., § 19 Rdn. 10.
7 Vgl. BGH-Beschluss vom 28. 4. 2008 – II ZR 51/07, DB0291682 = ZInsO 2008
S. 1019, Rdn. 8; vom 8. 3. 2012 – IX ZR 102/11, DB0469593 = ZInsO 2012
S. 732, Rdn. 5, m. w. N.
8 Vgl.
Schro¨der
, in: Hamburger Komm-InsO, 4. Aufl., § 19 Rdn. 12 ff.;
Schu¨ler
,
in: Drukarcyk, Mu¨nchKomm-InsO, 2. Aufl., § 19 Rdn. 52 ff.;
Pape
, a.a.O.
(Fn. 6), Rdn. 34 ff.;
Sikora
, in: Pape/Uhla¨nder, InsO, § 19 Rdn. 9 ff.;
Uhlen-
bruck
, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 28 ff.
9 Vgl.
Pape
, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 37 ff.;
Sikora
, a.a.O. (Fn. 8), Rdn. 16 ff.
10 Vgl.
Pape
, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 52 ff.;
Sikora
, a.a.O. (Fn. 8), Rdn. 28 ff.
11 BGBl. I S. 2418.
12 Vgl.
Pape
, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 34.
13 Vgl.
Pape
, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 37 ff.
14 Vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 6. 7. 2011 – 3 O 359/10, ZInsO 2011 S. 1997
(1998 f.); LG Saarbru¨cken, Urteil vom 28. 11. 2011 – 9 O 261/10, ZInsO 2012
S. 330 (337);
Ho¨lzle
, DStR 2003 S. 2075;
Gra¨fe
, DStR 2010 S. 618;
Mutschler
,
DStR 2012 S. 539 (540);
Reck
, ZInsO 2000 S. 121 (122);
Schmittmann
, StuB
2009 S. 696;
Sundermeier/Gruber
, DStR 2000 S. 929;
Wagner/Zabel
, NZI
2008 S. 660;
Zugeho¨r
, NZI 2008 S. 652 (653);
Karsten Schmidt
, in: Schmidt/
Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl.,
Rdn. 1.182;
Gra¨fe
, in: Gra¨fe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung,
4. Aufl., Rdn. 291, Stichwort: U¨ berschuldung.
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
929
1...,47,48,49,50,51,52,53,54,55,56 58,59,60,61,62,63,64,65,66,67,...84