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I
Ein Fehlverhalten der amerikanischen Muttergesellschaft kann der
Schuldnerin zwar nicht zugerechnet werden. Ein Kreditinstitut hat den
Erlass eines Zahlungsverbots aber nicht nur zu vertreten, soweit dieses
auf Umsta¨nden beruht, fu¨r welche den Organen oder Erfu¨llungsgehilfen
perso¨nliches Verschulden zur Last fa¨llt (§§ 276, 278 BGB), sondern da-
ru¨ber hinaus auch dann, wenn die zum Erlass des Zahlungsverbots fu¨h-
renden Umsta¨nde dem betrieblichen oder unternehmerischen Risiko-
bereich des Kreditinstituts zuzuordnen sind
62
. Dabei fallen zur Insol-
venz fu¨hrende Zahlungsschwierigkeiten, sofern sie nicht lediglich durch
a¨ußere Umsta¨nde bedingt sind, grundsa¨tzlich in die Risikospha¨re des
Unternehmers
63
. So liegt der Fall auch hier. Die Refinanzierungs-
schwierigkeiten, die zum Erlass des Zahlungsverbots gegenu¨ber der
Schuldnerin fu¨hrten, beruhten auf der Abha¨ngigkeit der Schuldnerin
von der wirtschaftlichen Lage mit ihr verbundener Unternehmen und
damit auf den eigenen Organisations- und Refinanzierungsstrukturen
der Schuldnerin. Hierfu¨r hat sie nach allgemeinen Grundsa¨tzen ein-
zustehen.
62 Vgl. BGH vom 5. 3. 2008, a.a.O. (Fn. 61), Rdn. 2, 17 f.
63 Vgl. BGH vom 5. 3. 2008, a.a.O. (Fn. 61), Rdn. 18 ff., m. w. N.
Steuerberaterhaftung
Keine Pflicht des Steuerberaters, Gescha¨ftsfu¨hrer
auf Verantwortung zur Pru¨fung der Insolvenzreife
der Gesellschaft hinzuweisen
Pflichtenkreis im Rahmen eines steuerberatenden Dauerman-
dats – Keine Hinweispflicht auf mo¨gliche U¨ berschuldung der
Gesellschaft bei Unterdeckung in der Handelsbilanz – Keine
Einbeziehung des Gescha¨ftsfu¨hrers in den Schutzbereich des
Mandatsvertrags mit GmbH, wenn Pflicht schon der Gesell-
schaft gegenu¨ber nicht bestand
BGB § 675; GmbHG a. F. § 64 Abs. 2
a) Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begru¨n-
det bei u¨blichem Zuschnitt keine Pflicht, die Mandantin bei
einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ih-
res Gescha¨ftsfu¨hrers hinzuweisen, eine U¨ berpru¨fung in Auf-
trag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife
besteht.
b) Eine entsprechende drittschu¨tzende Pflicht trifft den steu-
erlichen Berater auch gegenu¨ber dem Gescha¨ftsfu¨hrer der
Gesellschaft nicht.
BGH-Urteil vom 7. 3. 2013 – IX ZR 64/12
u
DB0589576
Der Kla¨ger ist der Verwalter in dem am 10. 5. 2007 ero¨ffneten Insol-
venzverfahren u¨ber das Vermo¨gen der C. GmbH (im Folgenden:
Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war
und von dem Gescha¨ftsfu¨hrer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den
Eintritt der Zahlungsunfa¨higkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der
Gesellschaft ein Darlehen u¨ber insgesamt 80.000 € zur Verfu¨gung. Hie-
ru¨ber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm,
hinsichtlich des Ru¨ckzahlungsanspruchs einen Rangru¨cktritt zu erkla¨-
ren. Am 26. 1. 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz
der Schuldnerin fu¨r das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die
vom Beklagten angeregte Rangru¨cktrittserkla¨rung ab und erkla¨rte zu-
sa¨tzlich den Rangru¨cktritt fu¨r die Ru¨ckgewa¨hr von Sicherheiten, die er
in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfu¨gung gestellt hatte. Die
unter dem 6. 2. 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin fu¨r das Jahr 2004
wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von
73.121,63 € aus.
Am 29. 9. 2006 vera¨ußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldne-
rin. Diese stellte am 5. 12. 2006 Antrag auf Ero¨ffnung des Insolvenz-
verfahrens. Nach der Verfahrensero¨ffnung forderte der Kla¨ger den Ze-
denten auf, wegen Kreditru¨ckfu¨hrungen auf dem Gescha¨ftskonto der
Schuldnerin zwischen dem 26. 1. 2006 und dem 1. 9. 2006 i. H. von
insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Ru¨ck-
fu¨hrung des Kredits trotz der U¨ berschuldung der Gesellschaft zugelas-
sen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit
dem Kla¨ger am 25. 8. 2009 einen Vergleich, durch den er unter ande-
rem seine Anspru¨che gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an
den Kla¨ger abtrat.
Gestu¨tzt auf diese Abtretung verlangt der Kla¨ger unter Anrechnung
eines ha¨lftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz i. H. von
132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es – zuletzt bei der Unterre-
dung am 26. 1. 2006 – schuldhaft unterlassen, auf eine mo¨gliche U¨ ber-
schuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die U¨ ber-
schuldung pru¨fen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen (LG Aa-
chen und OLG Ko¨ln) hatten die Klage abgewiesen. Mit der vom Beru-
fungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Gescha¨ftsfu¨h-
rer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft
und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen
sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Gescha¨ftsfu¨hrers in
Rede stehe, verfolgt der Kla¨ger sein Begehren weiter. Die Revision des
Kla¨gers blieb erfolglos.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 11
I
I.
. . .
III.
Im Umfang der Zulassung bleibt die Revision
des Kla¨gers ohne Erfolg. Die Ausfu¨hrungen des Berufungs-
gerichts halten einer rechtlichen U¨ berpru¨fung im Ergebnis
stand.
Keine Pflicht des Steuerberaters aus dem mit der GmbH abge-
schlossenen Beratervertrag zum Hinweis auf eine U¨ berschul-
dung und auf eine U¨ berpru¨fungspflicht des Gescha¨ftsfu¨hrers
12
I
1.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass
der Beklagte aus dem mit der Schuldnerin abgeschlossenen Be-
ratervertrag nicht die Pflicht hatte, die Schuldnerin auf eine
mo¨glicherweise bestehende insolvenzrechtliche U¨ berschuldung
und die Pflicht des Gescha¨ftsfu¨hrers, eine U¨ berschuldungspru¨-
fung in Auftrag zu geben, hinzuweisen.
Belehrungspflichten des mit der allgemeinen steuerlichen
Beratung der GmbH beauftragten Steuerberaters
13
I
a)
Der Beklagte hatte fu¨r die Schuldnerin seit deren Gru¨n-
dung 2001 fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen
Auswertungen, die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, die
Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungstra¨ger,
die Jahresabschlu¨sse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei
den Pru¨fungen der genannten Stellen zu unterstu¨tzen. Diese Ta¨-
tigkeiten sind nach ihrem Gesamtbild als Wahrnehmung der all-
gemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers einzustufen.
Im Streitfall hat die Schuldnerin dem Beklagten aber nicht den
ausdru¨cklichen Auftrag erteilt, die GmbH in der Frage des Be-
stehens einer Insolvenzantragspflicht zu beraten. Die Pflicht
zum Hinweis auf die Erforderlichkeit einer U¨ berpru¨fung der In-
solvenzantragsvoraussetzungen ergibt sich aber auch nicht aus
der Verletzung einer allgemeinen Vertragspflicht.
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I
Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfu¨llen hat, richtet
sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats
1
. Der Steu-
erberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten
1 BGH-Urteil vom 4. 3. 1987 – IVa ZR 222/85, DB 1987 S. 1293 = WM 1987
S. 661 (662); vom 26. 1. 1995 – IX ZR 10/94, BGHZ 128 S. 358 (361) = DB
1995 S. 624.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013