Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines u¨berlegenen
Wissens
15
oder seiner besonderen Autorita¨t
16
, ist nicht gerecht-
fertigt. Ein u¨berlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende
U¨ berschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen
U¨ berschuldung hat der Steuerberater durch seine Aufgabe, Jah-
resabschlu¨sse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hin-
ter dem des Gescha¨ftsfu¨hrers zuru¨ck, der nicht nur die reinen
Zahlen kennt, sondern auch die fu¨r eine Fortfu¨hrungsprognose
maßgeblichen weiteren Umsta¨nde. Der Gescha¨ftsfu¨hrer muss
beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form
fortfu¨hren kann. Dass der a¨ußere Anlass fu¨r eine U¨ berschul-
dungspru¨fung gegeben ist, kann er ohne Weiteres aus der Han-
delsbilanz, vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen,
wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine – mo¨glicherweise
auch drittschu¨tzende – Haftung des Steuerberaters fu¨r einen In-
solvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur eintreten, wenn
dieser ausdru¨cklich mit der Pru¨fung der Insolvenzreife eines Un-
ternehmens beauftragt ist
17
.
Berufsrechtlich zula¨ssige Insolvenz- und Sanierungsberatung
ist nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats
20
I
Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Be-
rufsbildes gem. § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf „eine wirtschafts-
beratende, gutachtliche oder treuha¨nderische Ta¨tigkeit sowie die
Erteilung von Bescheinigungen u¨ber die Beachtung steuerrecht-
licher Vorschriften in Vermo¨gensu¨bersichten und Erfolgsrech-
nungen“ grundsa¨tzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahr-
zunehmen, wenn er den Auftrag dazu hat
18
. Ein Konflikt zu § 5
Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenz- und die Sanie-
rungsberatung geho¨rt als Nebenleistung zum Berufsbild des
Steuerberaters/Wirtschaftspru¨fers
19
. Deshalb ist diese berufs-
rechtlich zula¨ssige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes
steuerlichen Dauermandats.
Origina¨re Aufgabe des Gescha¨ftsfu¨hrers zur U¨ berwachung der
finanziellen Situation der GmbH
21
I
Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinun-
gen, die eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf
die Pflichten bei mo¨glicher Insolvenzreife im Falle eines all-
gemeinen Mandats ablehnen
20
. Es ist origina¨re Aufgabe des Ge-
scha¨ftsfu¨hrers, die Zahlungsfa¨higkeit und eine etwaige U¨ ber-
schuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu
behalten und auf eventuelle Anzeichen fu¨r eine Insolvenzreife zu
reagieren
21
. Der Gescha¨ftsfu¨hrer einer Gesellschaft mit be-
schra¨nkter Haftung ist nach sta¨ndiger Rechtsprechung des
BGH verpflichtet, fu¨r eine Organisation zu sorgen, die ihm die
zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche U¨ bersicht u¨ber
die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft je-
derzeit ermo¨glicht; verfu¨gt er selbst nicht u¨ber ausreichende per-
so¨nliche Kenntnisse, muss er sich ggf. fachkundig beraten las-
sen
22
. Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine U¨ berschul-
dung aus, hat er nach diesen Grundsa¨tzen eine U¨ berschuldungs-
pru¨fung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben.
Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines
allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der
Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen
Auftrag abwa¨lzen.
Keine Haftung des Steuerberaters wegen Empfehlung, eine
Rangru¨cktrittserkla¨rung abzugeben
22 . . . 23
I
d)
. . .
e)
Soweit der Beklagte dem Zedenten im De-
zember 2005 auf Nachfrage den Rat erteilt hat, hinsichtlich der
Ru¨ckzahlung des der Schuldnerin zur Verfu¨gung gestellten Kre-
dits eine Rangru¨cktrittserkla¨rung abzugeben und der Zedent
diesem Rat im Januar 2006 gefolgt ist, kann hieraus eine Haf-
tung des Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Empfehlung,
eine entsprechende Erkla¨rung abzugeben, welcher der Zedent
ohne na¨here Erkundigung nach deren Sinn und Zweck gefolgt
sein will, war richtig; Rangru¨cktritte werden typischerweise im
Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung
einer rechnerischen U¨ berschuldung vorgenommen
23
. Der Ru¨ck-
tritt war unter Umsta¨nden geeignet, die bestehende Unterkapita-
lisierung zu beseitigen. Dass der Beklagte den Zedenten mit sei-
ner Empfehlung in die Irre gefu¨hrt und bei diesem die fehlerhaf-
te Vorstellung hervorgerufen habe, er brauche sich um die Frage
der U¨ berschuldung nicht mehr zu ku¨mmern, weil mit der Abga-
be der Erkla¨rungen am 26. 1. 2006 alles getan sei, um der Pflicht
zur U¨ berpru¨fung der mo¨glicherweise gegebenen Insolvenzreife
der Schuldnerin zu genu¨gen, hat der Kla¨ger selbst nicht vor-
getragen. Dieser stu¨tzt seine Klage vielmehr auf die Behauptung,
der Beklagte habe es ga¨nzlich unterlassen, den Zedenten auf die
bestehende Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen. Der Vor-
wurf, der Beklagte habe außerhalb der Grenzen seines Mandats
die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Zedenten
verursacht, weil er diesem fa¨lschlich den Eindruck vermittelt ha-
be, der sich aus der Bilanz fu¨r das Jahr 2004 ergebende Anlass,
eine U¨ berschuldungspru¨fung vorzunehmen, habe sich erledigt,
kann dem Beklagten nicht gemacht werden. Dieser Anlass be-
stand nach dem eigenen Vorbringen des Kla¨gers ungeachtet der
erkla¨rten Rangru¨cktritte weiter.
Keine Einbeziehung des Gescha¨ftsfu¨hrers in den Schutzbereich
des Steuerberatervertrages zwischen GmbH und Steuerberater
24
I
2.
Eine Einbeziehung des Zedenten in den Schutzbereich
des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem
Beklagten, die zur Entstehung abtretbarer Anspru¨che aus Be-
ratungsverschulden im Zusammenhang mit einer Insolvenz-
verschleppungshaftung fu¨hren ko¨nnten, kommt nicht in Be-
tracht.
Voraussetzungen der Einbeziehungen eines Dritten in den
Schutzbereich vertraglicher Pflichten
25
I
a)
Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher
Pflichten einbezogen sein, wenn der geschu¨tzte Dritte mit der
Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgema¨ß in
Beru¨hrung kommt, zu dieser Leistungsna¨he ein schutzwu¨rdiges
Interesse des Gla¨ubigers an der Einbeziehung des Dritten in den
Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichti-
gen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisi-
15 Vgl.
Mutschler
, DStR 2012 S. 539 (540).
16 Vgl.
Karsten Schmidt
, a.a.O. (Fn. 14).
17 BGH vom 14. 6. 2012, a.a.O. (Fn. 4), Rdn. 9 ff.
18 Vgl. BGH vom 14. 6. 2012, a.a.O. (Fn. 4), Rdn. 10.
19
Gra¨fe
, DStR 2010 S. 618 (619).
20 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 6. 4. 2011 – 3 U 190/10, ZInsO 2011 S. 1004; vom
10. 10. 2012 – 4 U 36/12, ZIP 2012 S. 2353; OLG Schleswig, GI 1993 S. 373
(378 f.); LG Koblenz, Urteil vom 22. 7. 2009 – 15 O 397/08, DStRE 2010
S. 647;
Hoth
, ZInsO 2011 S. 1009;
Farr
, Die Besteuerung in der Insolvenz,
Rdn. 101.
21 OLG Celle vom 4. 6. 2011, a.a.O. (Fn. 20), ZInsO 2011 S. 1004 (1005).
22 BGH-Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126 S. 181 (199) = DB 1994
S. 1608; vom 20. 2. 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995 S. 560 (561); vom 14. 5.
2007 – II ZR 48/06, DB 2007 S. 1455 = ZInsO 2007 S. 660, Rdn. 16; vom
27. 3. 2012 – II ZR 171/10, DB 2012 S. 1320 = ZInsO 2012 S. 1177, Rdn. 15;
vom 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, DB 2012 S. 1797 = ZInsO 2012 S. 1536,
Rdn. 11.
23 Vgl. BGH-Urteil vom 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146 S. 264 (273) = DB
2001 S. 373.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60,61,62,63,64,65,66,67,68,...84