bußen. . . . Verfassungsrechtliche Grundsa¨tze verbieten den Abzug
der Geldbußen als Betriebsausgaben nicht“
17
.
Der Große Senat hat mit dem Betriebsausgabenabzug fu¨r Geld-
bußen kein Neuland betreten. Er ist zwar nicht lediglich zur
Rspr. des RFH in der Zeit vor 1939 zuru¨ckgekehrt
18
, denn er
u¨bernahm den fru¨heren Bagatellvorbehalt nicht
19
. Im Ergebnis
stellte der Große Senat aber die auch vom RFH anerkannte
grds. Abziehbarkeit von Geldbußen wieder her. Er ra¨umte zwar
ein, dass der vom BMJ reklamierte weitere Zweck, ein unlauteres
Gewinnstreben angemessen zu beka¨mpfen, es gebieten ko¨nne,
„Geldbußen allgemein oder in bestimmten Bereichen vom Ab-
zug als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des steuerrecht-
lichen Gewinns auszuschließen“. Diese Abwa¨gung sei „jedoch
Sache des Gesetzgebers und nicht Sache des Richters“
20
. Der
Richter ko¨nne im Weg einer Lu¨ckenausfu¨llung nicht zu einem
Verbot des Abzugs von Geldbußen als Betriebsausgaben gelan-
gen
21
.
Der Gesetzgeber hat rasch auf den Rspr.-Wechsel reagiert.
Nach vehementen o¨ffentlichen Debatten wurde in breitem par-
lamentarischem Konsens
22
mit dem „Gesetz zur A¨ nderung des
EStG und des KStG“ im Fru¨hjahr 1984 ein fraktionsu¨bergrei-
fender Gesetzesentwurf in den Deutschen Bundestag einge-
bracht, dessen einziger Regelungsinhalt die Korrektur der Rspr.
des Großen Senats war. Darum ist vom sog. Geldbußengesetz
die Rede
23
. Die Entscheidungen des Großen Senats vom 21. 11.
1983 erforderten nach der Gesetzesbegru¨ndung „eine gesetzliche
A¨ nderung, durch die der bisherige Rechtszustand wiederher-
gestellt wird“
24
. Spa¨ter wurde die A¨ nderung aufgrund eines
Regierungsentwurfs
25
weiterverfolgt und beschlossen
26
. Der
Bundesrat betonte in seinem Antrag zum Ausschluss der steuer-
lichen Abziehbarkeit von Geldbußen, er respektiere die ho¨chst-
richterliche Entscheidung in Auslegung bestehender Gesetze,
halte aber die Abzugsfa¨higkeit von Geldbußen „unter dem Ge-
sichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung fu¨r rechtspolitisch
nicht hinnehmbar“. Er hielt es darum „fu¨r geboten, dass unver-
zu¨glich durch eine Gesetzesa¨nderung die Abzugsfa¨higkeit von
betrieblich oder beruflich veranlassten Geldbußen, Ordnungs-
geldern und Verwarnungsgeldern als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten ausgeschlossen wird“
27
. Daneben verweist die
Regierungsbegru¨ndung auch auf sonst drohende Steuerausfa¨lle
von mehreren Millionen DM
28
. Die sodann neugeschaffene Re-
gelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG
29
schließt die Abzugs-
fa¨higkeit von Geldbußen, Ordnungs- und Verwarnungsgeldern
als Betriebsausgaben generell aus. Bei den U¨ berschusseinku¨nften
gilt dasselbe nach § 9 Abs. 5 EStG fu¨r den Abzug von Wer-
bungskosten.
2. Objektives Nettoprinzip vs. Einheit der Rechtsordnung
Der Große Senat hatte das Spannungsverha¨ltnis zwischen dem
(objektiven) Nettoprinzip und dem Gedanken der Einheit der
Rechtsordnung eindeutig zugunsten des ersten aufgelo¨st:
„Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung rechtfertigt kein Ver-
bot des Abzugs von Geldbußen als Betriebsausgaben. Neben der
Verweisung auf das Strafrecht wird mit dem Gedanken der Einheit
der Rechtsordnung geltend gemacht, es erscheine nicht vertretbar,
Strafen und Geldbußen durch Zulassen der steuerlichen Abziehbar-
keit teilweise auf die Allgemeinheit zu u¨berwa¨lzen (. . .). Diese U¨ ber-
legung erweist sich bei na¨herer Pru¨fung als nicht geeignet, die Nicht-
abziehbarkeit von Geldbußen zu begru¨nden. Von einem „U¨ berwa¨l-
zen auf die Allgemeinheit“ ko¨nnte man nur dann sprechen, wenn
durch den Abzug der Betriebsausgaben ein bestehender Steuer-
anspruch des Staates geku¨rzt wu¨rde. Das ist nicht der Fall; der Ab-
zug der Betriebsausgaben dient der Feststellung des Steueranspruchs,
er begrenzt ihn unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der
Leistungsfa¨higkeit. Der Abzug der Betriebsausgaben ist daher kein
„Steuervorteil“, wie ihn der BMJ . . . nennt, sondern eine notwendige
Folge des steuerrechtlichen Netto-Prinzips“
30
.
Georg Do¨llerer
sah die bleibende Bedeutung der Beschlu¨sse des
Großen Senats darin, dass „der Große Senat dem steuerrecht-
lichen Nettoprinzip, das allma¨hlich Gefahr lief, in Vergessenheit
zu geraten, zum Sieg verholfen hat“
31
. Dieser vermeintliche Sieg
des objektiven Nettoprinzips war freilich nur ein kurzlebiger
Etappensieg. Der Gesetzgeber hat ihn rasch wieder zugunsten
der Einheit der Rechtsordnung korrigiert (vgl. unter II. 1.). Die-
se legislatorische Gewichtung zugunsten des Postulats der Ein-
heit der Rechtsordnung mag man begru¨ßen
32
, oder aber rechts-
politisch kritisieren. Jedenfalls hatte bereits der Große Senat
nicht in Zweifel gezogen, dass der Gesetzgeber trotz des Netto-
prinzips einzelne Betriebsausgaben vom Abzug ausschließen
ko¨nne, von dieser Mo¨glichkeit aber bei Geldbußen keinen Ge-
brauch gemacht habe
33
. Dass der Gesetzgeber dies unter dem
Eindruck des Rspr.-Wandels korrigiert und eine neue Entschei-
dung gegen die Abzugsfa¨higkeit getroffen hat, ist nicht zu bean-
standen
34
. Auch Autoren, die zur Gewa¨hr der Funktionsord-
nung innerhalb der Staatsgewalten Loyalita¨tspflichten der Legis-
lative annehmen
35
, sehen in der konkreten Reaktion auf den
Großen Senat keinen Akt illegitimer Korrekturgesetzgebung
36
.
Gleichwohl kollidiert das Abzugsverbot mit dem objektiven
Nettoprinzip
37
. Zu Recht hatte der Große Senat die Deutung
des Betriebsausgabenabzugs als ungerechtfertigten „Steuervor-
teil“ zuru¨ckgewiesen
38
. Die innersteuerrechtliche Wertung u¨ber
die Qualifikation als abzugsfa¨hige Betriebsausgaben hat nach
dem Veranlassungsprinzip
39
zu erfolgen, ohne dass das abstrakte
Postulat der Einheit der Rechtsordnung
40
hierfu¨r subsumtions-
fa¨hige Einzelwertungen vorgibt
41
. Allein nach den Kriterien des
17 BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984 S. 160 (163).
18 Dies betont aber
Do¨llerer
, BB 1984 S. 545 (546); ebenso
So¨hn
, a.a.O.
(Fn. 9), § 4 Rdn. N 10 (Mai 1995).
19
Walz
, StuW 1984 S. 170 (171, Fn. 10).
20 Beide Zitate aus BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984
S. 160 (165).
21 BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984 S. 160 (166).
22 Dazu
Walz
, StuW 1984 S. 170.
23 Vgl.
Kruschke
, in: Herrmann/Heuer/Raupach (HHR), EStG/KStG, § 4 EStG
Anm. 1700 (Okt. 2011).
24 Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE GRU¨ NEN vom
27. 3. 1984, BT-Drucks. 10/1189 S. 4.
25 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. 4. 1984, BT-Drucks. 10/1314.
26 Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 27. 4. 1984, BT-Drucks.
10/1370; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Ge-
setzesentwurf der Bundesregierung vom 18. 6. 1984, BT-Drucks. 10/1634.
27 Bundesrat, Antrag vom 27. 3. 1984, BR-Drucks. 87/1/84 S. 1.
28 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. 4. 1984, BT-Drucks. 10/1314
S. 1.
29 Gesetz zur A¨ nderung des EStG und des KStGs vom 25. 7. 1984, BGBl. I 1984
S. 1006.
30 BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984 S. 160 (166).
31
Do¨llerer
, BB 1984 S. 545 (546).
32 So namentlich
Hey
, a.a.O. (Fn. 7), § 8 Rdn. 294;
Tipke
, Die Steuerrechtsord-
nung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 59.
33 BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984 S. 160 (165).
34
Crezelius
, Steuerrecht II, 1990, S. 194.
35 Zuletzt
Schaumburg/Schaumburg
, in: FS Spindler, 2011, S. 171 (172).
36
Lang
, StuW 1992 S. 14 (19).
37 Deutlich BFH vom 9. 6. 1999 – I R 100/97, BStBl. II 1999 S. 658 = DB 1999
S. 1983, Rdn. 20: „Verstoß gegen das sog. Nettoprinzip als Ausdruck des all-
gemeinen Leistungsprinzips“.
38 Ebenso zuvor
Walz
, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980, S. 205
und spa¨ter
Tipke
, a.a.O. (Fn. 32), S. 59: „keine Steuervergu¨nstigung“.
39 Dazu allgemein
Hey
, a.a.O. (Fn. 7), § 8 Rdn. 213 ff.
40 Zu diesem Postulat und daraus ableitbaren Folgen monographisch
D. Felix
,
Einheit der Rechtsordnung, 1998.
41 Mit selbem Ausgangspunkt, aber anderem Ergebnis bereits
Walz
, a.a.O.
(Fn. 38), S. 199 (205); kritisch zu Ableitungen aus den Begriffen „Veranlas-
sung“ und „objektiver Zusammenhang“ spa¨ter
Walz
, StuW 1984 S. 170
(174).
1134
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013