DER BETRIEB 21 - page 21

Univ.-Prof. Dr. Klaus-Dieter Dru¨en, Du¨sseldorf
Zum Betriebsausgabenabzug von Geldbußen
u
DB0591288
I. Einleitung
Nicht allein große, sondern auch kleinere und mittelgroße Un-
ternehmen sind von staatlichen Geldbußen tangiert, die zum
klassischen Instrumentarium staatlicher Wirtschaftsaufsicht und
Regulierung geho¨ren. Der Staat setzt mit seiner Wirtschaftsauf-
sicht der privaten Wirtschaftsfreiheit zum Schutz o¨ffentlicher
Gu¨ter und spezieller privater Schutzgu¨ter Grenzen
1
und sanktio-
niert Grenzu¨berschreitungen unterhalb der Schwelle der Straf-
barkeit mit Bußgeldern. Bekanntlich kennt das deutsche Straf-
recht als klassisches Individualstrafrecht keine Unternehmens-
strafe. De lege lata gibt es keine Kriminalstrafe fu¨r Verba¨nde
2
.
Bislang hat sich das deutsche Strafrecht dem europa¨ischen und
globalen Trend zur Unternehmensstrafbarkeit verschlossen
3
. So-
lange die rechtspolitischen Vorschla¨ge einer eigensta¨ndigen Un-
ternehmenstra¨gerverantwortlichkeit
4
nicht verwirklicht sind,
bleibt allein die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit von Un-
ternehmen. § 1 Abs. 1 OWiG definiert seit langem die Ord-
nungswidrigkeit anhand der Rechtsfolge der Ahndung mit einer
Geldbuße. Eine Vielzahl von Gesetzen unterschiedlichster Re-
gelungsbereiche statuieren Ordnungswidrigkeitstatbesta¨nde als
Verwaltungsunrecht ohne kriminellen Gehalt
5
. § 30 OWiG re-
gelt die Sanktionsfa¨higkeit von Verba¨nden
6
. U¨ berdies sieht
§ 130 OWiG Bußgelder bei Verletzung der Aufsichtspflicht von
Betrieben und Unternehmen vor. Nachfolgend wird die steuer-
rechtliche Abzugsfa¨higkeit unternehmerisch veranlasster Geld-
bußen dargestellt
7
.
II. Steuerrechtliche Konsequenzen unternehmens-
bezogener Geldbußen: Grundlagen und Grundfragen
1. Ru¨ckblick auf die wechselvolle Geschichte des Betriebs-
ausgabenabzugs von Geldbußen und seiner Versagung
Die steuerrechtlichen Konsequenzen von Geldbußen fu¨r Ord-
nungswidrigkeiten sind ein besonderes und zugleich lehrreiches
Kapitel
8
. Der RFH hatte zuna¨chst zwischen Kriminalstrafen
nach dem StGB einerseits und Ordnungsstrafen (heutige Geld-
bußen) nach Maßgabe des Wirtschaftsstrafrechts andererseits
unterschieden und nur die Ordnungsstrafen fu¨r betrieblich be-
gangene Handlungen als Betriebsausgaben anerkannt
9
. Die Ab-
zugsmo¨glichkeit widerstrebte der Finanzverwaltung
10
. Der
Reichsminister der Finanzen bestimmte in seinem ku¨rzesten Er-
lass im RStBl. 1939 (Nr. 235) vom 4. 2. 1939: „§ 1 Abs. 3 des
Steueranpassungsgesetzes gem. ko¨nnen Ordnungsstrafen bei der
Ermittlung des Einkommens nicht abgezogen werden“
11
. Da-
raufhin hat der RFH innerhalb weniger Wochen seine bisherige
Rspr. aufgegeben und Ordnungsstrafen den Kriminalstrafen
gleichgestellt
12
. Die Begru¨ndung lautete im Jahre 1939, dass sich
die tatsa¨chlichen Verha¨ltnisse und die Volksanschauung gea¨n-
dert ha¨tten. Der BFH hat die gea¨nderte Rspr. fortgesetzt
13
. In
erster Linie stu¨tzte er das Abzugsverbot auf den Gedanken der
„Einheit der Rechtsordnung“
14
.
Die Wende zuru¨ck vollzog erst der Große Senat im Jahre
1983. In zwei Verfahren zur Abzugsfa¨higkeit hatte er sich ins-
besondere mit der Frage der Abzugsfa¨higkeit von Geldbußen
wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen Wettbewerbs-
beschra¨nkungen
15
und das Außenwirtschaftsgesetz als Betriebs-
ausgaben zu bescha¨ftigen
16
. Die Abkehr von der bisherigen
Rspr. begru¨ndete der Große Senat im Wesentlichen mit folgen-
der Argumentationsfolge:
„Geldbußen nach den Vorschriften des OWiG, auch Geldbußen ge-
gen juristische Personen als Nebenfolge einer Straftat oder Ord-
nungswidrigkeit nach . . . § 30 OWiG . . ., sind Betriebsausgaben,
wenn die Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit
einem Gewerbebetrieb begangen wurde. . . . Betriebsausgaben min-
dern . . . den Gewinn, es sei denn, dass das Gesetz einzelne Betriebs-
ausgaben vom Abzug ausschließt. Die Vorschriften der Steuergeset-
ze enthalten kein Abzugsverbot fu¨r Geldbußen. Geldbußen sind in
dem Katalog der nichtabziehbaren Ausgaben in § 12 KStG, § 10
KStG nicht enthalten. . . . § 4 Abs. 5 EStG, der auch im Ko¨rper-
schaftsteuerrecht gilt (§ 8 Abs. 1 KStG), entha¨lt ebenfalls kein Ab-
zugsverbot fu¨r Geldbußen. Schließlich kann auch aus § 12 EStG
kein Abzugsverbot hergeleitet werden. . . . Auch die Vorschriften
des OWiG und des StGB enthalten kein Abzugsverbot fu¨r Geld-
Univ.-Prof. Dr. Klaus-Dieter Dru¨en
ist Inhaber des Lehrstuhls fu¨r
Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und O¨ ffentliches Recht an
der Heinrich-Heine-Universita¨t Du¨sseldorf und im zweiten Hauptamt
RiFG Du¨sseldorf im KSt-Senat. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag
des Verf. auf der 64. Du¨sseldorfer Steuerfachtagung des Du¨sseldor-
fer Steuerberatervereins NRW e.V. im Ma¨rz 2013.
1 Allgemein zur Wirtschaftsaufsicht und ihren „Einwirkungsinstrumenten“
Ziekow
, O¨ ffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2010, § 5 Rdn. 6 ff.
2
Bock
, Criminal Compliance, 2011, S. 372 (374), m. w. N.
3 Na¨her
Eidam
, Unternehmen und Strafe, 3. Aufl. 2008, Rdn. 905 ff., 909 ff.
4 Dazu
Bock
, a.a.O. (Fn. 2), S. 376; na¨her zu Modellen eines Unternehmens-
strafrechts und Alternativen bereits
Ransiek
, Unternehmensstrafrecht, Habil.
Bielefeld, 1996, S. 8, 322 sowie ju¨ngst
Kempf/Lu¨derssen/Volk
, Unterneh-
mensstrafrecht, 2012.
5 Zur Abgrenzung der legislatorischen Zuordnungsfreiheit und ihren Grenzen
vgl. nur
Roxin
, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 2
Rdn. 130 ff.
6 Zur aktuellen Diskussion um die Einfu¨hrung einer Regelung zur Rechtsnach-
folge bei Bußgeldern vgl. nur
Bischke/Brack
, NZG 2012 S. 1140 (1141 f.).
7 Fu¨r Geldstrafen gilt das Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG bzw. § 10 Nr. 3
KStG (dazu
Bruschke
, DStZ 2009 S. 489;
Hey
, in: Tipke/Lang, Steuerrecht,
21. Aufl. 2013, § 8 Rdn. 294;
Tanzer
, DStJG 3/1980 S. 227).
8 Hierzu und zum Folgenden bereits
Dru¨en
, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 AO
Rdn. 21 (Juni 2012), m. w. N.
9 RFH vom 31. 10. 1928 – VI A 1147/28, RStBl. 1929 S. 83 (84), der maßgeb-
lich auf die enge Beziehung zwischen Strafe und Ta¨ter abstellt, weshalb
grundsa¨tzlich bei allen kriminellen Geldstrafen der etwaige daneben noch
vorhandene Zusammenhang zwischen Strafe und Betrieb zuru¨cktreten mu¨s-
se. Ausnahmen hielt der RFH nur bei enger Beziehung der strafbaren Hand-
lung zum Betrieb und nur dann fu¨r mo¨glich, wenn die Strafrechtsordnung
die perso¨nliche Schuld als besonders leicht ansehe, so insbesondere bei blo-
ßen Ordnungswidrigkeiten im Unterschied zu kriminellen, d. h. „verbreche-
rischen“ Handlungen (vgl. RFH vom 17. 8. 1938 – VI 440/38, StuW 1938,
Bd. 2 Nr. 460). Weitere Nachweise zur Rspr. bis 1939 bei
So¨hn
, in: Kirchhof/
So¨hn/Mellinghoff (KSM), EStG, § 4 Rdn. N 7 (Mai 1995).
10
Do¨llerer
, BB 1984 S. 545 (546), zitiert dazu einen den Geist der Zeit erhel-
lenden Fachaufsatz eines Beamten des Reichsfinanzministeriums aus dem
Jahre 1938.
11 RdF, Erlass vom 4. 2. 1939 – S 2118 – 254 III, RStBl. III 1939 S. 251.
12 RFH vom 8. 3. 1939 – VI 175/39, RFHE 46 S. 236 (237). Weitere Nachweise
bei
So¨hn
, a.a.O. (Fn. 9), § 4 Rdn. N 8 (Mai 1995).
13 BFH vom 21. 7. 1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955 S. 338 (340) = DB 1955
S. 1104; vom 18. 12. 1975 – IV R 12/72, BStBl. II 1976 S. 370 (371) = DB
1976 S. 1605.
14 Zur Rspr. des BFH vgl.
So¨hn
, a.a.O. (Fn. 9), § 4 Rdn. N 9 (Mai 1995),
m. w. N.
15 BFH vom 21. 11. 1983 – GrS 2/82, BStBl. II 1984 S. 160 = DB 1984 S. 485.
16 BFH vom 21. 11. 1983, a.a.O. (Fn. 15), BStBl. II 1984 S. 160 (166).
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Steuerrecht
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