DER BETRIEB 21 - page 67

AUS DEN GRU¨ NDEN
Bei einer Betriebsaufspaltung ist eine Zuordnung der Arbeit-
nehmer vorzunehmen – Maßgeblich dafu¨r ist zuna¨chst der Wille
der Vertragsparteien, sodann das Direktionsrecht
1 . . . 33
I
A.
. . .
B. I. 3.
Ein U¨ bergang des mit der Betriebsver-
a¨ußerin, der Beklagten zu 2., bestehenden Arbeitsverha¨ltnisses
des Kla¨gers auf die Beklagte zu 1. gem. § 613a Abs. 1 Satz 1
BGB ha¨tte nur dann stattgefunden, wenn der Kla¨ger dem u¨ber-
gegangenen Betrieb zugeordnet gewesen wa¨re
1
.
34
I
a)
Zutreffend hat das LAG angenommen, dass der Kla¨ger
dem Bereich „Backoffice“ zugeordnet war, welcher ab 7. 12.
2009 im Weg der Betriebsaufspaltung als neuer Betrieb „Back-
office“ verselbststa¨ndigt wurde.
35
I
b)
Fu¨r die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Ar-
beitnehmer zugeordnet ist, kommt es zuna¨chst auf den Willen
der Arbeitsvertragsparteien an
2
. Liegt ein solcher weder in aus-
dru¨cklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt die Zu-
ordnung grundsa¨tzlich – ebenfalls ausdru¨cklich oder konkludent
– durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts
3
.
36
I
Das LAG hat fu¨r den Senat bindend festgestellt, dass der Kla¨ger
aufgrund einer Anweisung der Beklagten zu 2. ab Sommer 2009 – ent-
weder ab 1. 7. oder ab September 2009 – einen Arbeitsplatz in einem
Raum, dem sog. Studio 5b, im ersten Obergeschoss des Geba¨udes in
der C in E zugewiesen bekommen hatte. Dort verrichtete er ausschließ-
lich sog. „Backofficeta¨tigkeiten“ im Zwei-Schicht-Modell. Im U¨ brigen
Bereich, dem Großraumbu¨ro des Callcenters, wurden andere Mitarbei-
ter mit Telefonta¨tigkeiten im 24-Stunden-Takt eingesetzt.
37
I
Es kann dahinstehen, ob dies eine einvernehmliche Zuord-
nung des Kla¨gers zum Arbeitsbereich „Backoffice“ dargestellt
hat. Auf jeden Fall lag eine entsprechende Zuordnung des Kla¨-
gers aufgrund einer im Rahmen des Direktionsrechts getroffenen
Weisung der Beklagten zu 2. vor. Davon ist auch das LAG in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen.
Dass und warum die Beklagte zu 2. in diesem Zusammenhang
ihr Direktionsrecht dem Kla¨ger gegenu¨ber unter Verstoß gegen
§ 106 GewO, d. h. insbes. nicht nach billigem Ermessen, aus-
geu¨bt haben soll, ist in den Vorinstanzen vom Kla¨ger nicht kon-
kret dargetan worden . . . (wird ausgefu¨hrt).
38
I
c)
Dem Umstand, dass der Kla¨ger in der Anlage 1 zum Interessen-
ausgleich vom 27. 11. 2009 als „Mitarbeiter Betrieb Backoffice“ genannt
ist, kommt fu¨r seine Zuordnung zu diesem Betrieb keine rechtlich bin-
dende Wirkung zu. Wa¨re na¨mlich keine wirksame (fru¨here) Zuordnung
des Kla¨gers zum Betrieb „Backoffice“ erfolgt gewesen, so wa¨re die
(nachtra¨gliche) Zuordnung zu diesem Betrieb mittels eines Interessen-
ausgleichs wegen Verstoßes gegen § 613a BGB unwirksam
4
.
39
I
4.
Damit wa¨re das Arbeitsverha¨ltnis des Kla¨gers nach § 613a
Abs. 1 BGB grundsa¨tzlich auf die U¨ bernehmerin des Betriebs
„Backoffice“, d. h. auf die b GmbH u¨bergegangen. Diesem
U¨ bergang hat der Kla¨ger jedoch form- und fristgerecht gem.
§ 613a Abs. 6 BGB mit Schreiben vom 29. 12. 2009 gegenu¨ber
der Beklagten zu 2. widersprochen.
40
I
5.
Entgegen der Ansicht des LAG war der Kla¨ger nach sei-
nem Widerspruch nicht dem Betrieb „Service-Center Telekom-
munikation“ zuzuordnen, welcher am 1. 1. 2010 im Weg des
Betriebsu¨bergangs auf die Beklagte zu 1. u¨bergegangen ist.
Bei Widerspruch gegen einen Teil-Betriebsu¨bergang fa¨llt das
Arbeitsverha¨ltnis nicht automatisch in einen eventuell weiter-
gefu¨hrten Bereich eines Betriebs . . .
41
I
a)
Arbeitsverha¨ltnisse von Arbeitnehmern, die dem U¨ ber-
gang ihres Arbeitsverha¨ltnisses auf einen Betriebserwerber wirk-
sam gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen haben, fallen nicht
„automatisch“ in den vom Arbeitgeber eventuell weitergefu¨hrten
und einem spa¨teren Betriebsu¨bergang zuga¨nglichen Bereich
5
.
42
I
b)
Der Kla¨ger hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte zu
2. auf Zuordnung zum Betrieb „Service-Center Telekommuni-
kation“ ab Zugang seines Widerspruchs vom 29. 12. 2009.
43
I
Zwar hat der Kla¨ger in seinem Widerspruchsschreiben erkla¨rt: „Ich
stehe Ihnen gern fu¨r eine Ta¨tigkeit in der neu gegru¨ndeten Firma t
GmbH zur Verfu¨gung“. Dies kann als Angebot zu einer A¨ nderung der
arbeitsvertraglichen Vereinbarungen u¨ber den Bescha¨ftigungsbereich,
d. h. nunmehrige Bescha¨ftigung im Betrieb „Service-Center Telekom-
munikation“ verstanden werden. Allerdings bestand keine Verpflich-
tung der Beklagten zu 2., dieses A¨ nderungsangebot des Kla¨gers anzu-
nehmen . . . (wird ausgefu¨hrt).
. . . auch eine Pflicht zur Versetzung in einen solchen Bereich
besteht nicht
44
I
c)
Da die Beklagte zu 2. nach dem Widerspruch des Kla¨gers
keine neue Zuordnung vorgenommen hat, ist § 315 Abs. 3
Satz 1 BGB nicht einschla¨gig, da es an einer „getroffenen Be-
stimmung“ i. S. dieser Vorschrift fehlt. Allein die Freistellung
des Kla¨gers ab 1. 1. 2010 stellt keine Zuordnung zu einem Be-
trieb oder Betriebsteil dar, weil es an der Zuweisung eines ande-
ren Arbeitsbereichs fehlt
6
.
45
I
d)
§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB, der fu¨r den Fall gilt,
dass eine Bestimmung i. S. des § 315 BGB „verzo¨gert wird“, ist
im Streitfall ebenfalls nicht anwendbar, weil die Beklagte nicht
verpflichtet war, den Kla¨ger dem Betrieb „Service-Center Tele-
kommunikation“ zuzuordnen. Eine solche Zuordnung ha¨tte sich
als Versetzung i. S. des § 95 Abs. 3 BetrVG dargestellt, da die
Ta¨tigkeit in einem anderen Betrieb stets als Ta¨tigkeit in einem
anderen Arbeitsbereich i. S. des § 95 Abs. 3 BetrVG anzusehen
ist
7
. Eine solche Versetzung ha¨tte daher auch nicht durch die
Beklagte zu 2. unmittelbar nach Zugang des Widerspruchs-
schreibens des Kla¨gers (d. h. fru¨hestens am 29. 12. 2009) erfol-
gen du¨rfen, da eine solche Versetzung der Zustimmung des Be-
triebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedurft ha¨tte. Eine
„vorla¨ufige“ Versetzung nach § 100 Abs. 1 BetrVG wa¨re allein
deshalb unzula¨ssig gewesen, weil es an einem sachlichen Grund
gefehlt ha¨tte, der die Versetzung als dringend erforderlich
i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ha¨tte erscheinen lassen.
Als solche sachlichen Gru¨nde gelten na¨mlich nur betriebliche
Gru¨nde
8
. Daran a¨ndert auch ein Einversta¨ndnis des Kla¨gers mit
seiner Versetzung nichts, weil dieses das Beteiligungsrecht des
Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht ausschließt
9
.
46
I
aa)
Grundsa¨tzlich entscheidet der Arbeitgeber aufgrund sei-
nes Organisations- und Direktionsrechts u¨ber den Arbeitsein-
satz des Arbeitnehmers. Dieser hat nur Anspruch auf vertrags-
gema¨ße Arbeit zu vertragsgema¨ßen Bedingungen
10
, nicht auf
1 Allgemeine Meinung, vgl. BAG vom 18. 10. 2012 – 6 AZR 41/11, Rdn. 43, DB
2013 S. 586.
2 St. Rspr., vgl. BAG vom 21. 6. 2012 – 8 AZR 181/11, Rdn. 78, DB 2012
S. 2584 = BB 2012 S. 3144.
3 St. Rspr., vgl. BAG vom 24. 5. 2005 – 8 AZR 398/04, Rdn. 41, BAGE 114
S. 374 = DB 2005 S. 2472 = AP BGB § 613a Nr. 284.
4 Vgl. BAG vom 21. 6. 2012, a.a.O. (Fn. 2).
5 BAG vom 13. 2. 2003 – 8 AZR 102/02, Rdn. 45, DB 2003 S. 1740.
6 Vgl. BAG vom 28. 3. 2000 – 1 ABR 17/99, BAGE 94 S. 163 = DB 2000
S. 2176.
7 BAG vom 19. 2. 1991 – 1 ABR 36/90, BAGE 67 S. 236 = DB 1991 S. 1627.
8 H. M.: vgl.
Fitting
, 26. Aufl., § 100 Rdn. 4a.
9 BAG vom 14. 11. 1989 – 1 ABR 87/88, Rdn. 27, DB 1990 S. 1093.
10 Vgl. BAG vom 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, Rdn. 18, BAGE 121 S. 133 = DB
2008 S. 201 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 19.
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Arbeitsrecht
1179
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,...86
Powered by FlippingBook