DER BETRIEB 21 - page 63

geheimnis liegt vor, wenn Tatsachen in Zusammenhang mit ei-
nem Gescha¨ftsbetrieb, die nur einem eng begrenzten Personen-
kreis bekannt und nicht offenkundig sind, nach dem ausdru¨ck-
lich oder konkludent erkla¨rten Willen des Betriebsinhabers auf-
grund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim ge-
halten werden sollen
2
. Kundenlisten sind im Allgemeinen ein
Gescha¨ftsgeheimnis des Arbeitgebers
3
. Indem die Kunden des
Arbeitgebers oder deren Mitarbeiter als Kontakte im sozialen
Netzwerk gewonnen werden, was von anderen Nutzern – ins-
bes. von den anderen „Kontakten“/„Freunden“ – eingesehen
werden kann, werden die Kundennamen Dritten mitgeteilt.
Von Bedeutung ist allerdings, ob die Kontakte aus dem sozialen
Netzwerk
per se
den Kundenstamm des Unternehmens darstel-
len oder zumindest einen weit u¨berwiegenden Teil davon oder
ob sich unter zahlreichen Kontakten auch ein paar Kunden be-
finden, ohne dass der Nutzer des Netzwerks erkennen kann,
welches die Kunden des Arbeitgebers sind. Im letzteren Fall
wird die Kontakteliste kaum das Gescha¨ftsgeheimnis des Ar-
beitgebers verko¨rpern. Kundenlisten sind deshalb schutzwu¨rdig,
weil sie dem Nutzer ersparen zu ermitteln, welche Personen fu¨r
seine unternehmerische Ta¨tigkeit von Nutzen sind. Sind die
Kunden nur einige unter vielen Kontakten, wird dieser Aus-
wahlprozess noch nicht hinfa¨llig. U¨ berdies kann u¨ber § 17
UWG nur denjenigen Arbeitnehmern die Kontaktgewinnung
von Gescha¨ftspartnern verboten werden, die Kontakte zu Kun-
den des Arbeitgebers haben. Beschra¨nken sich die Kontakte auf
sonstige Gescha¨ftspartner, besteht schon kein Gescha¨fts-
geheimnis in der Kontakteliste.
Das Gescha¨ftsgeheimnis wird offenbart, wenn der Arbeitneh-
mer eine Kundenliste Dritten mitteilt. Fu¨r die Kontakteliste
heißt das, dass diese nur dann Dritten zuga¨nglich gemacht wird,
wenn die Kunden auch als Kunden des Arbeitgebers erkennbar
sind. Nur in diesem Fall hat ein Wettbewerber den Vorteil zu
wissen, dass diese Personen mit dem Arbeitgeber Gescha¨fte ma-
chen und kann diesen Vorteil gewinnbringend fu¨r sein eigenes
Gescha¨ft einsetzen. Tritt der Arbeitnehmer somit ohne Nen-
nung des Unternehmens des Arbeitgebers im sozialen Netzwerk
auf und ist nicht offenkundig, dass der Arbeitnehmer fu¨r den
Arbeitgeber arbeitet, liegt keine Offenbarung des Gescha¨fts-
geheimnisses vor.
Schließlich wird es beim bloßen Kontakteknu¨pfen regelma¨ßig
an einem der von § 17 Abs. 1 und 2 UWG genannten besonde-
ren Beweggru¨nde fehlen. Strafbar ist der Verrat des Gescha¨fts-
geheimnisses nur, wenn der Verrat vorgenommen wird zu Zwe-
cken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten
oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden
zuzufu¨gen. Dies wird man im bestehenden Arbeitsverha¨ltnis re-
gelma¨ßig bei keinem Arbeitnehmer annehmen ko¨nnen.
Ist § 17 UWG nicht einschla¨gig, bleibt noch die Mo¨glichkeit,
ein Kontaktverbot als Ausfluss der allgemeinen Treuepflicht des
Arbeitnehmers nach § 242 BGB bzw. nach § 241 Abs. 2 BGB
zu sehen. Die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers, und
damit das Verbot Gescha¨ftsgeheimnisse zu offenbaren, ist nicht
nur in § 17 UWG verankert, sondern auch in der allgemeinen
Treuepflicht des Arbeitnehmers
4
. Hier stellt sich erneut die Fra-
ge, ob die Kontakte im sozialen Netzwerk u¨berhaupt ein Ge-
scha¨ftsgeheimnis sind. Allenfalls im Einzelfall ko¨nnten § 242
BGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB damit eine Grundlage fu¨r ein
Verbot sein, Gescha¨ftspartner im sozialen Netzwerk als Kontak-
te zu gewinnen.
Abseits vertraglicher Vereinbarungen, die das allgemeine Per-
so¨nlichkeitsrecht beachten, besteht fu¨r Arbeitgeber somit nur
wenig Handhabe, ihren Arbeitnehmern zu untersagen, Ge-
scha¨ftspartner als Kontakte in einem sozialen Netzwerk zu ge-
winnen.
3. Zwischenergebnis
Die rechtlichen Mo¨glichkeiten der Einflussnahme des Arbeit-
gebers sind schon wa¨hrend des bestehenden Arbeitsverha¨ltnisses
außerordentlich beschra¨nkt sind. Empfehlenswert ist in jedem
Fall, vertragliche Vereinbarungen zu treffen, um den geringen
bestehenden Gestaltungsspielraum zu nutzen, jedenfalls aber
den Mitarbeitern eine Richtlinie fu¨r ihr Verhalten zu geben.
III. Umgang mit den Kontakten bei Beendigung des Ar-
beitsverha¨ltnisses
In Rechtsprechung und Literatur noch vo¨llig ungekla¨rt ist die
Frage, ob ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverha¨lt-
nisses diejenigen Kontaktdaten, die er aufgrund seiner Anstel-
lung beim Arbeitgeber in einem sozialen Netzwerk aufgebaut
hat, dem Arbeitgeber „herausgeben“ muss. Eine Herausgabe im
eigentlichen Sinn kann es naturgema¨ß nicht geben, da die Kon-
takte nicht – wie herko¨mmliche Visitenka¨rtchen – materialisiert
sind und es auch nicht um die Abtretung einer Art Kontaktrecht
geht. Die „Herausgabe“ hat vielmehr die folgenden zwei Aspek-
te. Erstens geht es um die Mitteilung der Kontaktnamen sowie
ihrer Kontaktadressen an den Arbeitgeber. Zweitens geht es um
die Lo¨schung dieser Kontakte im Account des Arbeitnehmers
im sozialen Netzwerk.
Regelma¨ßig ist der Arbeitnehmer selbst Mitglied im sozialen
Netzwerk und tra¨gt die ggf. anfallenden Nutzungskosten. Er ist
damit zuna¨chst berechtigter „Besitzer“ seiner Kontakte, insbes.
auch derjenigen Kontakte, die er wa¨hrend seines Arbeitsverha¨lt-
nisses mit dem Arbeitgeber geknu¨pft hat. Anders ist die Situati-
on, wenn es sich um einen Firmenaccount handelt, der lediglich
vom Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers betrieben wird.
1. Rechtliche Voraussetzungen
Anspruchsgrundlage fu¨r eine wie auch immer geartete Ru¨ckgabe
dieser Kontakte kann u. E. allein § 667 BGB sein
5
. Diese Vor-
schrift aus dem Auftragsrecht wird – ebenso wie der Aufwen-
dungsersatzanspruch des § 662 BGB – fu¨r Arbeitnehmer ent-
sprechend angewendet
6
. Die Nachteile, die einem Arbeitnehmer
aus dem Arbeitsverha¨ltnis entstehen, sollen ihm u¨ber § 662
BGB ausgeglichen werden. Umgekehrt soll er aber auch keine
Vorteile aus der Bescha¨ftigung ziehen.
Nach § 667 BGB Alt. 2 (analog) hat der Beauftragte (Arbeit-
nehmer) dem Auftraggeber (Arbeitgeber) alles herauszugeben,
was er aus der Gescha¨ftsbesorgung (Anstellung) erlangt. Das Er-
langte ist
jeder Vorteil
, den der Beauftragte aufgrund eines inne-
ren Zusammenhangs mit dem gefu¨hrten Gescha¨ft erhalten hat
7
.
Das gilt auch dann, wenn das Erlangte aus Hilfs- oder Neben-
gescha¨ften stammt, die aber der Auftragserfu¨llung dienen sollten.
2 BAG vom 16. 3. 1982 – 3 AZR 83/79, BAGE 41 S. 21 = DB 1982 S. 2247; BAG
vom 15. 12. 1987 – 3 AZR 474/86, BAGE 57 S. 159 = DB 1988 S. 1020;
Reichold
, in: Mu¨nchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 48,
Rdn. 33.
3 BGH vom 19. 12. 2002 – I ZR 119/00, DB0048296 = NJW-RR 2003 S. 833;
BAG vom 15. 12. 1987, a.a.O. (Fn. 2).
4
Fischinger/Richardi
, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 611 BGB,
Rdn. 646.
5 BGH vom 26. 2. 2009 – I ZR 28/06, DB 2009 S. 839; vgl. auch bei
Ernst
, CR
2012 S. 276.
6 BAG vom 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05, BAGE 118 S. 16 = DB 2006 S. 2068.
7 BGH vom 17. 10. 1991 – III ZR 352/89, NJW-RR 1992 S. 560.
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Arbeitsrecht
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