DER BETRIEB 21 - page 64

Dabei kann das „Erlangte“ alles Mo¨gliche sein, z. B. Rechts-
und tatsa¨chliche Positionen: obligatorische Rechte (z. B. Forde-
rungen), dingliche Teilrechte, Eigentum und Besitz an beweg-
lichen Sachen und Grundstu¨cken, an Nutzungen
8
. Das BAG
hat die auf Gescha¨ftsreisen erworbenen Bonusmeilen z. B. auch
als etwas Erlangtes betrachtet, das der Arbeitnehmer zuru¨ck-
zugeben hat
9
.
Ein innerer Zusammenhang wird insbes. angenommen, wenn
die objektive Gefahr besteht, die Vorteilsgewa¨hrung ko¨nne dazu
fu¨hren, dass der Beauftragte die Interessen seines Gescha¨ftsherrn
außer Acht la¨sst
10
. Der Nachweis eines Schadens sei aber nicht
erforderlich
11
. Es sollen damit demjenigen, fu¨r dessen Rechnung
ein anderer Gescha¨fte fu¨hrt, die gesamten Vorteile des Gescha¨fts
ebenso gebu¨hren, wie er die gesamte Gefahr zu tragen hat
12
.
Wenn der Arbeitgeber sa¨mtliche Kosten der Arbeitsta¨tigkeit
und damit der Auftragsausfu¨hrung tra¨gt, wenn er z. B. die
dienstlich veranlassten Flugreisen des Arbeitnehmers zahlt, ge-
bu¨hren deshalb auch ihm die daraus resultierenden Vorteile
12
.
Demgegenu¨ber sind Vorteile, die der Beauftragte lediglich bei
Gelegenheit der Gescha¨ftsbesorgung erlangt hat, nicht heraus-
zugeben
12
.
2. Konsequenzen fu¨r Kontakte aus sozialen Netzwerken
a) Erlangtes
Fu¨r die Herausgabe von Kontakten aus sozialen Netzwerken
heißt dies: Der Kontakt ist wegen des weiten Versta¨ndnisses des
„Erlangten“ in § 667 BGB ein herausgabefa¨higer Gegenstand.
b) Aus der Anstellung erlangt
Hat der Arbeitnehmer seinen Account im sozialen Netzwerk im
Auftrag des Arbeitgebers fu¨r die gescha¨ftlichen Zwecke des Ar-
beitgebers eingesetzt und hat er dabei Kontakte geknu¨pft, wur-
den diese „aus der Anstellung“ erlangt. Gleiches gilt, wenn der
Arbeitnehmer die Kontaktperson außerhalb des sozialen Netz-
werks kennengelernt hat, z. B. perso¨nlich am Messestand des
Arbeitgebers, und ihn anschließend als Kontakt im sozialen
Netzwerk gewinnt. Umgekehrt sind Kontakte, die zwar im Zeit-
raum der Anstellung u¨ber das soziale Netzwerk geknu¨pft wur-
den, die aber keinerlei Verbindung zur Anstellung und berufli-
chen Ta¨tigkeit des Arbeitnehmers aufweisen, nicht „aus der An-
stellung“ erlangt. Lernt der Arbeitnehmer am Wochenende bei
einer privaten Geburtstagsfeier eine Person kennen und nimmt
sie in die Kontakteliste des sozialen Netzwerks auf, handelt es
sich nicht um einen „aus der Anstellung“ erlangten Kontakt.
Grenzwertig sind Fa¨lle, bei denen wa¨hrend der dienstlichen Ta¨-
tigkeit Kontakte geknu¨pft werden, diese aber Zufallsprodukte
sind. Kommt ein Arbeitnehmer bei der Ru¨ckreise von einer
Messe im ICE mit einer Person in Kontakt und nimmt sie zu
seinen Kontakten im sozialen Netzwerk auf, wurde der Kontakt
wohl nur bei Gelegenheit der Anstellung erworben. Noch kriti-
scher sind die Fa¨lle, in denen ein Arbeitnehmer nicht im Auftrag
des Arbeitgebers zu einer Abendveranstaltung geht, auf der er
neue Kontakte knu¨pft, sondern nur durch dessen Vermittlung:
Der Arbeitgeber erha¨lt eine Einladung zu einer Vernissage und
gibt sie an seinen Mitarbeiter weiter. Der Arbeitgeber ist Spon-
sor einer Sportveranstaltung; seine Mitarbeiter du¨rfen als Zu-
schauer an der Veranstaltung teilnehmen. Etwas klarer zuguns-
ten des Gelegenheits-Kontakts du¨rfte der Fall sein, dass der Ar-
beitnehmer durch u¨berobligatorischen Einsatz abends auf eigene
Initiative zu einer Veranstaltung geht, die aber Bezug zu seiner
beruflichen Ta¨tigkeit hat. Kontakte, die er hierbei knu¨pft und
anschließend im sozialen Netzwerk besta¨tigt, hat er u. E. nur bei
Gelegenheit der Anstellung erlangt.
3. Rechtsfolgen
Sofern der Kontakt also aus der Anstellung erlangt wurde, ist er
aus arbeitsrechtlicher Sicht herauszugeben. Was bedeutet dies
auf der Rechtsfolgenseite?
Der Arbeitnehmer muss zuna¨chst sa¨mtliche Daten, die er
u¨ber den jeweiligen Kontakt hat, dem Arbeitgeber mitteilen.
Dies sind in jedem Fall der Name und der Vorname, soweit be-
kannt auch das Unternehmen, bei dem die Person bescha¨ftigt
ist, und schließlich sa¨mtliche Kontaktmo¨glichkeiten (E-Mail-
Adresse, Telefonnummer, Faxnummer etc.), die im sozialen
Netzwerk verfu¨gbar sind.
Heißt dies in einem weiteren Schritt aber auch, dass der Ar-
beitnehmer diese Kontakte im sozialen Netzwerk lo¨schen muss?
Hier sto¨ßt die bisherige Rechtsprechung zu § 667 BGB auf das
Problem, dass alles andere, was bislang als „erlangt“ gewertet
wurde, auch nur einmal existiert. Mit der Herausgabe hat sich
die Frage der weiteren Nutzung durch den Arbeitnehmer erle-
digt. Selbst bei erworbenen Bonusmeilen: diese ko¨nnen nur ein-
mal eingesetzt werden und nicht gleichzeitig durch Arbeitneh-
mer und Arbeitgeber.
Gegen eine Lo¨schung sprechen die folgenden Aspekte:
– Die Kontaktdaten befinden sich auf einem perso¨nlichen Ac-
count des Arbeitnehmers im sozialen Netzwerk, das auch von
diesem finanziert wird. Anders als bei der Entgegennahme
einer Visitenkarte, hat er in die Kontaktplattform investiert
und bezahlt gewissermaßen fu¨r die Entgegennahme von
Kontakten.
– Die Kontaktpersonen haben ihre Kontaktbesta¨tigung oder
auch die zuvor geschaltete Kontaktanfrage gegenu¨ber der Per-
son des Arbeitnehmers vorgenommen, wohl aber nicht ge-
genu¨ber der Person als bloßem Vertreter des Arbeitgebers. Es
war somit der Wille der Kontaktpersonen, dass gerade der
Arbeitnehmer – unabha¨ngig von seiner derzeitigen Anstel-
lung – u¨ber ihre Kontaktdaten verfu¨gen soll.
– Mit der Lo¨schung wu¨rde damit in Rechtspositionen des Ar-
beitnehmers eingegriffen. Ihm standen die Kontaktdaten
nicht nur „als Vertreter des Arbeitgebers“, sondern auch „als
individuelle Person“ zu. Wa¨hrend die Herausgabe der Kon-
takte, die er „als bloßer Vertreter des Arbeitgebers“ gewonnen
hat, die Lo¨schung rechtfertigen wu¨rde, wu¨rde diese Lo¨schung
wegen der u¨berschießenden Qualita¨t der Kontakte hinsicht-
lich des Erwerbs „als individuelle Person“ eine ungerechtfer-
tigte Rechtsverletzung mit sich bringen.
Der hier gewonnenen Lo¨sung steht u. E. auch nicht die Recht-
sprechung des BGH entgegen. In einem Urteil vom 17. 4.
1996
13
hat der BGH in einem Vertragsha¨ndlerfall angenommen,
dass mit der Herausgabe des Erlangten nach § 667 BGB in
Form von Kundendaten auch eine Pflicht zur Lo¨schung dieser
Kundendaten verknu¨pft sei. Im Unterschied zur hier diskutierten
Lo¨schung von Kontakten in sozialen Netzwerken lag der Ent-
scheidung ein Fall zu Grunde, in dem der Beauftragte die Kon-
taktdaten zuna¨chst vom Auftraggeber erhalten hatte. Nach der
Ru¨ckgabe der Daten habe der Beauftragte die Kundendaten
nach Ansicht des BGH zu lo¨schen. In unserem Fall werden die
Kontaktdaten dem Arbeitnehmer aber gerade nicht vom Arbeit-
8
Seiler
, in: Mu¨nchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2012, § 667 BGB, Rdn. 10.
9 BAG vom 11. 4. 2006, a.a.O. (Fn. 6).
10 BGH vom 28. 10. 1965 – VII ZR 290/63, BB 1966 S. 99; vom 14. 11. 1977 –
II ZR 107/76, WM 1978 S. 115.
11 BGH vom 28. 10. 1965, a.a.O. (Fn. 10).
12 BAG vom 11. 4. 2006, a.a.O. (Fn. 6).
13 BGH vom 17.4.1996 – VIII ZR 5/95, DB 1996 S. 1512.
1176
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
1...,54,55,56,57,58,59,60,61,62,63 65,66,67,68,69,70,71,72,73,74,...86
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