DER BETRIEB 21 - page 61

Schuldhafte Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsver-
pflichtung
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I
2.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Zuwiderhand-
lungen gegen die Unterlassungsverpflichtung seien schuldhaft
erfolgt, wird von der Revision nicht angegriffen. Auch ein
Rechtsfehler ist insoweit nicht ersichtlich.
Fehlerfreie Auslegung der strafbewehrten Unterlassungsver-
pflichtungserkla¨rung durch das Berufungsgericht
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I
3.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Aus-
legung der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserkla¨rung
der Beklagten durch das Berufungsgericht.
Keine Zusammenfassung der Werbeanrufe zu einer natu¨rlichen
Handlungseinheit
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I
a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Unterlas-
sungsverpflichtungserkla¨rung sei dahin auszulegen, dass jeder
Werbeanruf bei einem Verbraucher einen selbststa¨ndigen Ver-
stoß gegen die Unterlassungsverpflichtung darstelle. Insbesonde-
re ko¨nnten die festgestellten 43 Anrufe weder ganz noch teilwei-
se zu einer natu¨rlichen Handlungseinheit zusammengefasst wer-
den.
Auslegung des Berufungsgerichts entspricht anerkannten Aus-
legungsgrundsa¨tzen
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I
b)
Diese Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserkla¨-
rung durch das Berufungsgericht ha¨lt rechtlicher Nachpru¨fung
stand.
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I
In der Revisionsinstanz unterliegt die Auslegung individuel-
ler Vertragsstrafevereinbarungen nur insoweit der Nachpru¨fung,
als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssa¨tze
oder Verfahrensvorschriften verletzt sind
17
. Entgegen der An-
sicht der Revision widerspricht die Auslegung des Berufungs-
gerichts nicht anerkannten Auslegungsgrundsa¨tzen.
Keine Anwendung eines etwa vorgegebenen Rechtsbegriffs der
fortgesetzten Handlung
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I
aa)
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass
Unterlassungsvertra¨ge nach den auch sonst fu¨r die Vertragsausle-
gung geltenden Grundsa¨tzen auszulegen sind. Maßgebend ist
demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157
BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erkla¨rungswortlaut die
beiderseits bekannten Umsta¨nde wie insbesondere die Art und
Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck,
die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie
deren Interessenlage heranzuziehen sind
18
. Die Entscheidung,
ob nach dem Inhalt des Unterlassungsvertrages ggf. mehrere
Versto¨ße zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind,
kann - auch nach Ansicht der Revision - nicht in Anwendung
eines etwa vorgegebenen Rechtsbegriffs der fortgesetzten Hand-
lung beantwortet werden
19
.
Unterlassungsvereinbarung gerichtet auf Unterlassung von
Telefonanrufen
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I
bb)
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der
Wortlaut der Unterlassungsvereinbarung keinen Anhaltspunkt
dafu¨r gibt, die Datensa¨tze nach den zugrundeliegenden Internet-
gewinnspielen zu gliedern und die Versto¨ße in entsprechenden,
den jeweiligen Gewinnspielen zuzuordnenden Gruppen zusam-
menzufassen. Das Berufungsgericht hat sich dabei davon leiten
lassen, dass die Vereinbarung darauf gerichtet ist, Telefonanrufe
und nicht die Nutzung von Datensa¨tzen zu unterlassen. Dies
la¨sst entgegen der Ansicht der Revision keinen Verstoß gegen
Denkgesetze oder Auslegungsgrundsa¨tze erkennen.
Zuwiderhandlung durch Anrufe, nicht durch Beauftragung des
Callcenters
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I
cc)
Soweit die Revision geltend macht, die Zuwiderhand-
lung gegen die Unterlassungsverpflichtungserkla¨rung ko¨nne al-
lenfalls in der Beauftragung des jeweiligen Callcenters bestehen
und nicht in den Anrufen als solchen, legt sie gleichfalls keinen
Rechtsfehler dar. Da die Anrufe durch die Dritten gem. § 278
BGB der Beklagten zuzurechnen sind, mussten sie dem Beru-
fungsgericht keinen Anlass geben, die Zuwiderhandlungen ent-
sprechend den jeweils verwendeten Datenpaketen zusammen-
zufassen.
Fehlerfreie Beurteilung der beiderseitigen Interessenlage
durch das Berufungsgericht
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I
dd)
Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die
Beurteilung der beiderseitigen Interessenlage durch das Beru-
fungsgericht. Das Berufungsgericht hat insbesondere das Inte-
resse der Kla¨gerin an einer wirksamen Abwehr zuku¨nftiger Ver-
sto¨ße und das Interesse der Beklagten, durch die Unterlassungs-
erkla¨rung die durch die Erstbegehung indizierte Wiederholungs-
gefahr zu beseitigen
20
, in die Auslegung einbezogen. Rechtlich
nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts,
die Ho¨he der Vertragsstrafe von 2.000 € spreche angesichts des
Umfangs eines Datenpakets und des Umstands, dass lediglich
eine geringe Zahl von Versto¨ßen der Kla¨gerin bekannt werde,
gegen eine Zusammenfassung der einzelnen Anrufe zu einem
Verstoß, auch wenn der Kla¨gerin durch die Anrufe kein eigener
Schaden drohe.
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I
ee)
Fu¨r die Auslegung des Berufungsgerichts spricht zudem,
dass sich die Beklagte bei der Abgabe der strafbewehrten Unter-
lassungserkla¨rung bewusst war, auch in Zukunft jeweils gro¨ßere
Datenpakete fu¨r ihre Werbung zu nutzen. Die Revisionserwide-
rung macht außerdem zutreffend geltend, dass dann, wenn ein
auf ein Datenpaket aus einem bestimmten Gewinnspiel gestu¨tz-
ter Auftrag zur Durchfu¨hrung einer Vielzahl von Werbeanrufen
nur als ein Verstoß bewertet wu¨rde, die einheitliche Beauftra-
gung fu¨r zahlreiche unzula¨ssige Anrufe und damit ein besonders
hartna¨ckiger Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung pri-
vilegiert wu¨rde. Ein in dieser Weise auszulegendes Vertragsstra-
feversprechen ko¨nnte schwerlich die Wiederholungsgefahr ent-
fallen lassen und la¨uft damit Gefahr, das von den Parteien ver-
folgte Ziel zu verfehlen
21
.
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I
ff)
Auch soweit die Revision einwendet, durch die Nutzung
von zahlreichen Daten ko¨nne eine Vertragsstrafe in erheblicher
Ho¨he verwirkt werden, begru¨ndet dies keinen Auslegungsfehler
des Berufungsgerichts. Vielmehr ist die Vertragsstrafe, sollte sie
- was die Revision nicht geltend macht - in einem außerordent-
lichenMissverha¨ltnis zu der Bedeutung der Zuwiderhandlung ste-
hen, auf ein Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts
nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen wu¨rde
22
. Dadurch wird
auch den Anforderungen der Art. 12 und 14 GG entsprochen.
17 BGH-Urteil vom 17. 7. 2008 - I ZR 168/05, Kinderwa¨rmekissen, DB0308008
= GRUR 2009 S. 181, Rdn. 29 = WRP 2009 S. 182, m. w. N.
18 Vgl. BGH vom 17. 7. 2008, a.a.O. (Fn. 17), Rdn. 32, m. w. N.
19 Vgl. BGH-Urteil vom 25. 1. 2001 - I ZR 323/98, Trainingsvertrag, BGHZ 146
S. 318 (324) = DB 2001 S. 1242.
20 Vgl. BGH vom 25. 1. 2001, a.a.O. (Fn. 19), BGHZ 146 S. 318 (325 f.).
21 Vgl. BGH vom 25. 1. 2001, a.a.O. (Fn. 19), BGHZ 146 S. 318 (327).
22 Vgl. BGH vom 17. 7. 2008, a.a.O. (Fn. 17), Rdn. 41.
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
1173
1...,51,52,53,54,55,56,57,58,59,60 62,63,64,65,66,67,68,69,70,71,...86
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