VRiBFH Michael Wendt, Mu¨nchen
Verbilligte Wirtschaftsgutu¨bertragung im
Anwendungsbereich von § 6 Abs. 5 EStG
– Trennung von der Trennungstheorie? –
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DB0586094
I. Einleitung
Dass zwischen unternehmerisch ta¨tiger PersGes. und ihren Ge-
sellschaftern Rechtsgescha¨fte wie zwischen Dritten vorgenom-
men werden ko¨nnen, ist nicht nur zivilrechtlich, sondern seit
vielen Jahren auch ertragsteuerlich anerkannt. Entsprechen der-
artige Gescha¨fte inhaltlich dem, was Fremde miteinander ver-
einbaren wu¨rden, werden die ertragsteuerlichen Folgen nicht
von denen eines Gescha¨fts zwischen Fremden abweichen. Nicht
selten entsprechen Gescha¨fte zwischen Gesellschaft und Gesell-
schafter aber nicht dem, was fremdu¨blich ist. Der Grund kann
in der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit liegen, bei Famili-
en-PersGes. aber auch in dem perso¨nlichen Na¨heverha¨ltnis zwi-
schen den Gesellschaftern. In solchen Fa¨llen wird ertragsteuer-
lich zu pru¨fen sein, ob bei der Bestimmung der Folgen des
Rechtsgescha¨fts Korrekturen gegenu¨ber fremdu¨blichen Gescha¨f-
ten vorgenommen werden mu¨ssen.
Anlass zu einer solchen Pru¨fung besteht z. B. bei der U¨ bertra-
gung eines Wirtschaftsguts ohne fremdu¨bliches Entgelt. Leistet
der U¨ bertragungsempfa¨nger u¨berhaupt kein Entgelt, wird man
sich wohl leicht darauf versta¨ndigen ko¨nnen, dass Gewinnaus-
wirkungen wie bei einer Entnahme bzw. Einlage eintreten. We-
niger leicht fa¨llt demgegenu¨ber die Beurteilung von verbilligten
U¨ bertragungen. Hier werden unterschiedliche Auffassungen zu
den ertragsteuerlichen Folgen vertreten. Diesen Meinungsver-
schiedenheiten liegen unterschiedliche theoretische Konzepte
zugrunde, die als Trennungstheorie, Einheitstheorie oder beson-
dere Ausformungen der Trennungstheorie gekennzeichnet wer-
den
1
. Der schon lange bestehende Theorienstreit hat durch A¨ n-
derungen des EStG und dazu ju¨ngst ergangene Rspr. des BFH
neue Aktualita¨t gewonnen. Der nachfolgende Beitrag unter-
nimmt den Versuch einer Standortbestimmung.
II. Gewinnrealisierung bei verbilligter Vera¨ußerung
von Betriebsvermo¨gen
Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermo¨gens vera¨ußert, ent-
steht im Betriebsvermo¨gen ein Gewinn oder Verlust, je nach-
dem, ob der Vera¨ußerungspreis u¨ber oder unter dem Buchwert
des Wirtschaftsguts liegt. Das Ergebnis des Vera¨ußerungs-
gescha¨fts geht in den Gewinn des Wirtschaftsjahrs ein, in dem
die Realisation des Gewinns oder Verlusts liegt. Im Fall eines
Kaufgescha¨fts ist das das Jahr, in dem die Preisgefahr nach
§ 446 BGB auf den Erwerber u¨bergeht
2
. Ob das Gescha¨ft kon-
kret zu einem Gewinn oder Verlust fu¨hrt, ist handels- wie steu-
errechtlich im Grundsatz ohne Bedeutung. Steuerrechtlich wird
nur vorausgesetzt, dass der Unternehmer mit seiner Ta¨tigkeit
insgesamt gesehen einen U¨ berschuss erzielen mo¨chte. Handels-
wie steuerrechtlich wird fu¨r die Beurteilung eines Vera¨ußerungs-
gescha¨fts außerdem vorausgesetzt, dass der Kaufpreis nicht von
außerbetrieblichen Verha¨ltnissen beeinflusst ist; im Regelfall
wird er nach den Bedingungen des Marktes bestimmt worden
sein. Spielen außerbetriebliche Aspekte fu¨r die Preisbemessung
eine Rolle, ko¨nnen diese das Gescha¨ft anteilig als Entnahme (bei
zu niedrigem Preis) bzw. Einlage (bei zu hohem Preis) erschei-
nen lassen. Differenzen zwischen dem tatsa¨chlich erzielten Ver-
a¨ußerungspreis und dem Marktpreis sind Anlass, dem Grund
fu¨r die Differenz nachzugehen.
Erweist sich die verbilligte Vera¨ußerung als außerbetrieblich
veranlasst, darf die Verbilligung den Gewinn nicht beeinflussen.
Dies wird dadurch erreicht, dass eine Entnahme als Ersatz-Ge-
winnrealisationstatbestand betrachtet wird. Bei einem voll un-
entgeltlichen Transfer eines Vermo¨gensgegenstands bzw. Wirt-
schaftsguts in den außerbetrieblichen Bereich tritt an die Stelle
des Kaufpreises ein fiktiver Zugang des Betriebsvermo¨gens i. H.
des Verkehrswerts des u¨bertragenen Guts mit gleichzeitig fiktiv
angenommener Auszahlung an den Unternehmer. Fu¨r das Steu-
errecht bestimmt § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG, dass die Entnahme
mit dem Teilwert zu bewerten ist. Wird das Gut nicht unent-
geltlich, sondern aus außerbetrieblichen Gru¨nden verbilligt u¨ber-
tragen, bedarf es eines Ersatz-Gewinnrealisationstatbestands nur
insoweit, als eine Differenz zwischen dem Vera¨ußerungspreis
und dem Verkehrswert/Teilwert besteht. Der Gewinn erho¨ht
sich also um den Differenzbetrag.
III. Sonderregelung zur Bewertung von Entnahmen in
§ 6 Abs. 5 EStG
Die vorstehendenU¨ berlegungen sind so trivial, dass sie an sich kei-
ner Ero¨rterung bedu¨rften. Probleme entstehen erst dadurch, dass
das Steuerrecht in bestimmten Fa¨llen Sonderregeln fu¨r Entnah-
men schafft, sei es zur Verwirklichung eines bestimmten steuer-
rechtlichen Systems, sei es aus Lenkungsgru¨nden. Eine solche
Sonderregelung entha¨lt § 6 Abs. 5 EStG, der fu¨r bestimmte Ent-
nahmen im Zusammenhang mit dem Transfer von Wirtschafts-
gu¨tern zwischen verschiedenen Betriebsvermo¨gen anordnet, dass
diese mit dem Buchwert zu bewerten sind. Vor demHintergrund,
dass das Wirtschaftsgut nicht in einen außerbetrieblichen Bereich
verlagert wird, verzichtet das EStG in allen dort genannten Fa¨llen
zugunsten einer fortdauernden Verstrickung der stillen Reserven
in dem aufnehmenden Betriebsvermo¨gen auf eine ersatzweise Ge-
winnrealisation. Bei den von § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG betrof-
fenen Fallgestaltungen ga¨be es auch keinen Gewinn, dessen Rea-
lisierung ersetzt werden ko¨nnte, denn das Gut geht weder zivil-
noch steuerrechtlich auf einen anderen Rechtstra¨ger u¨ber. Der
Vorgang ko¨nnte also nicht einmal gezielt als gewinnrealisierendes
Gescha¨ft gestaltet werden.
Nur in den Fa¨llen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG kann eine Ent-
nahme an die Stelle eines entgeltlichen Gescha¨fts treten, sodass
man eine Ersatz-Gewinnrealisation fu¨r erforderlich halten ko¨nn-
Michael Wendt
ist Vorsitzender Richter im IV. Senat des BFH.
1 Zu den verschiedenen Theorien vgl.
Niehus/Wilke
, in: Herrmann/Heuer/Rau-
pach, EStG/KStG, § 6 EStG Anm. 1453.
2 St. Rspr. des BFH z. B. Urteil vom 8. 9. 2005 – IV R 40/04, BStBl. II 2006
S. 26 = DB0120703, m. w. N.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013