Die vorstehenden Ausfu¨hrungen zeigen, dass sich die Finanz-
verwaltung im BMF-Schreiben vom 8. 12. 2011 zu Unrecht auf
das BFH-Urteil vom 11. 12. 2001 beruft. Die Rechtslage hat
sich seither grundlegend durch Einfu¨hrung des § 6 Abs. 5 EStG
gea¨ndert, das damalige Urteil betraf außerdem keinen Fall der
Teilentgeltlichkeit und das Urteil ließ die Behandlung teilent-
geltlicher Vorga¨nge sogar ausdru¨cklich offen.
V. Aufspaltung des Rechtsgescha¨fts nach der Tren-
nungstheorie i. S. des BFH
Zur Rechtslage unter der Geltung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
heutiger Fassung hat der BFH nun im Jahr 2012 abweichend
von der Finanzverwaltung entschieden. Dies hat bis jetzt u¨ber-
wiegend Zustimmung gefunden
17
, z. T. aber auch – insbesonde-
re aus der Finanzverwaltung – Kritik
18
ausgelo¨st.
1. BFH-Urteil vom 21. 6. 2012
ImFall des BFH-Urteils vom21. 6. 2012
19
hatte der Komplemen-
ta¨r einer KG mit dem Ziel, aus der Gesellschaft auszuscheiden,
dieser aber ein zu seinem Sonderbetriebsvermo¨gen geho¨rendes
Grundstu¨ck weiterhin zu verpachten, eine neue Ein-Mann-
GmbH & Co. KG gegru¨ndet (I-KG). Die Kommanditeinlage
war bar zu erbringen. Anschließend wurde das Grundstu¨ck vom
Gesellschafter auf die I-KG u¨bertragen, wobei der U¨ bertragungs-
vertrag keine Vereinbarungen u¨ber eine Gegenleistung der Gesell-
schaft enthielt. Die I-KG fu¨hrte die Buchwerte fu¨r das ehemalige
Sonderbetriebsvermo¨gen fort und wies auf der Passivseite ein Ge-
sellschafterdarlehen in entsprechender Ho¨he aus. Der Vorgang
hatte sich Ende 1998/Anfang 1999 zugetragen; der U¨ bertra-
gungsvertrag von Februar 1999 sah eine U¨ bertragung zum 1. 1.
1999 vor. Das FA ging davon aus, dass die U¨ bertragung des
Grundstu¨cks zur Realisierung der stillen Reserven gefu¨hrt habe.
Dieser Auffassung waren auch FG
20
und BFH. Der BFH
entschied, die teilentgeltliche U¨ bertragung eines Wirtschaftsguts
des Sonderbetriebsvermo¨gens in das Gesamthandsvermo¨gen
einer Schwester-PersGes. sei insoweit als Entnahme zu beurtei-
len, als das Entgelt hinter dem Teilwert des Wirtschaftsguts zu-
ru¨ckbleibe. Im Vz. 1999 habe eine derartige Entnahme nach § 6
Abs. 5 EStG damaliger Fassung nicht mit dem Buchwert, son-
dern mit dem Teilwert bewertet werden mu¨ssen.
Das Urteil betraf also nicht die aktuelle Fassung des § 6 Abs. 5
EStG, sondern die erste Fassung der Vorschrift, die nur in den
Jahren 1999 und 2000 Geltung hatte. Wie erwa¨hnt, sollte seiner-
zeit das fru¨her nach demMitunternehmererlass fu¨r unentgeltliche
U¨ bertragungen zwischenGesellschafter undGesellschaft geltende
Wahlrecht zur Fortfu¨hrung des Buchwerts „abgeschafft“ und
durch einen zwingenden Teilwertansatz ersetzt werden
21
.
Im Urteilsfall lag nach der Beurteilung des BFH allerdings
insoweit eine entgeltliche U¨ bertragung vor, als fu¨r die Einbrin-
gung des Grundstu¨cks eine Darlehensforderung zugunsten des
Einbringenden begru¨ndet worden war. Dafu¨r reicht eine Bu-
chung auf einem Gesellschafterdarlehenskonto aus, wenn die
Buchung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses u¨bernommen
und von den Gesellschaftern gebilligt wird. Da das Entgelt in
Gestalt der Darlehensforderung nicht den Teilwert des u¨bertra-
genen Wirtschaftsguts erreichte, ging der BFH i. H. des Diffe-
renzbetrags von einer Entnahme aus. Diese war nach der fu¨r das
Streitjahr 1999 geltenden Rechtslage mit dem Teilwert zu be-
werten. Es kam also zur Aufdeckung sa¨mtlicher stiller Reserven.
In dem entschiedenen Fall kam es nicht darauf an, wie hoch
das Entgelt fu¨r die U¨ bertragung des Wirtschaftsguts war, weil
nach der 1999 geltenden Rechtslage in jedem Fall alle stillen Re-
serven aufgedeckt werden mussten. Ha¨tte sich der entschiedene
Fall im Jahr 2001 oder spa¨ter ereignet, la¨gen die Dinge anders.
Die im Urteilsfall vorliegende U¨ bertragung aus dem Sonder-
betriebsvermo¨gen in das Gesamthandsvermo¨gen einer Schwes-
ter-PersGes. wa¨re nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG mit dem
Buchwert zu bewerten, soweit sie unentgeltlich oder gegen Ge-
wa¨hrung von Gesellschaftsrechten stattfindet. Nun hatte der
Gesellschafter das Grundstu¨ck hier nicht voll unentgeltlich oder
gegen Gewa¨hrung von Gesellschaftsrechten i. H. des vollen Ver-
kehrswerts in das Gesamthandsvermo¨gen eingebracht. Die Ge-
sellschaft hatte dem Gesellschafter vielmehr ein Entgelt i. H. des
Buchwerts des Grundstu¨cks eingera¨umt. Eine solche U¨ bertra-
gung soll nach dem oben beschriebenen Versta¨ndnis der Finanz-
verwaltung zur anteiligen Aufdeckung stiller Reserven fu¨hren.
Dass der BFH diesem Ansatz nicht folgen wu¨rde, konnte nach
dem Urteil vom 21. 6. 2012 bereits erwartet werden.
2. BFH-Urteil vom 19. 9. 2012
Diese Erwartung wurde mit Urteil vom 19. 9. 2012
22
besta¨tigt.
Ein zu 70% an einer KG beteiligter Kommanditist hatte im Jahr
2001 zwei zu seinem Sonderbetriebsvermo¨gen geho¨rende
Grundstu¨cke auf die KG u¨bertragen. Auf einem der Grundstu¨-
cke lastete eine Verbindlichkeit von ca. 300.000 €, die die KG
u¨bernahm. Sie bilanzierte das betreffende Grundstu¨ck anschlie-
ßend mit dem bisherigen Buchwert von ca. 1 Mio. €; der Ver-
kehrswert betrug ca. 1,5 Mio. €. Das FA war der Meinung, es
seien stille Reserven im Verha¨ltnis der u¨bernommenen Verbind-
lichkeit zum Verkehrswert des Grundstu¨cks von ca. 20% auf-
gedeckt worden, und erfasste eine Sonderbetriebseinnahme des
Kommanditisten von ca. 100.000 €.
Anders als das FG
23
hielt der BFH die Handhabung des FA
fu¨r unzutreffend. Selbst wenn die vom FG nicht aufgekla¨rte Ge-
genbuchung des Differenzbetrags von Verbindlichkeit und
Buchwert des Grundstu¨cks auf einem Darlehenskonto des Ge-
sellschafters vorgenommen worden sein sollte, habe die U¨ bertra-
gung des Grundstu¨cks nicht zur Aufdeckung stiller Reserven ge-
fu¨hrt. In Bezug auf den entgeltlichen Teil der U¨ bertragung fehle
es an einer Gewinnrealisierung, weil das Entgelt jedenfalls den
Buchwert nicht u¨berschreite. In Bezug auf den Differenzbetrag
gebe es ebenfalls keine Gewinnrealisierung, weil insoweit kein
Ersatzrealisationstatbestand greife. Es liege na¨mlich schon gar
keine Entnahme vor. Entnommen werde ein Wirtschaftsgut nur
dann, wenn es infolge des Transfers das bisherige Betriebsver-
mo¨gen verlasse. Dies sei hier deshalb nicht geschehen, weil das
Betriebsvermo¨gen einer unternehmerisch ta¨tigen PersGes. aus
dem Gesamthandsvermo¨gen zzgl. der Sonderbetriebsvermo¨gen
der Gesellschafter bestehe. Werde ein Wirtschaftsgut – wie hier
17 Z. B.
Demuth
, BeSt 2012 S. 33;
ders.
, EStB 2012 S. 457;
Felten
, EStB 2012
S. 277;
Geck
, ZEV 2012 S. 691;
Gossert/Liepert/Sahm
, DStZ 2013 S. 242;
Hoffmann
, StuB 2013 S. 1;
Kempermann
, FR 2012 S. 1155 (noch zweifelnd in
FR 2012 S. 1082);
kk
, KO¨ SDI 2012 S. 18044;
Messner
, AktStR 2013 S. 75;
Prinz/Hu¨tig
, DB 2012 S. 2597;
Rogall/Dreßler
, Ubg 2013 S. 73;
Stahl
, BeSt
2013 S. 3;
Stegemann
, GStB 2012 S. 427;
Stein/Stein
, FR 2013 S. 156;
Strahl
,
FR 2013 S. 322.
18
Do¨tsch
, jurisPR-SteuerR 49/2012 Anm. 2;
Mitschke
, FR 2012 S. 1156;
ders.,
FR 2013 S. 314;
Vees,
DStR 2013 S. 681; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
23. 5. 2012 – 14 K 2982/10, n. v., anha¨ngig beim BFH: X R 28/12,
19 BFH-Urteil vom 21. 6. 2012 – IV R 1/08, DB 2012 S. 1598 = DStR 2012
S. 1500.
20 FG Du¨sseldorf, Urteil vom 26. 10. 2007 – 18 K 621/04 G, F, EFG 2008
S. 1110.
21 Vgl. Begru¨ndung zum Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002, BT-Drucks.
14/23 S. 173.
22 BFH-Urteil vom 19. 9. 2012 – IV R 11/12, DB 2012 S. 2376 = DStR 2012
S. 2051.
23 FG Niedersachsen, Urteil vom 6. 3. 2012 – 13 K 251/10, DB0470847 = EFG
2012 S. 1333; vgl. zur Entscheidung auch
Kreft
, StR kompakt DB0474382.
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Steuerrecht
837