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KURS
8 / 2013
GEFÖRDERTE VORSORGE
jene DIW-Studie kritisiert, die aus der Sicht von Ruß die
Polemik in dieWelt gesetzt hat, dass sich Riester-Policen nur
für 100-Jährige lohnten. Laut Ruß würden solche Studien
die Förderung und die Überschüsse nicht berücksichtigen.
„Dass man nur die garantierten Leistungen erhält, ist im
Prinzip unmöglich“, so Ruß in einem Interview. Zudemweist
er darauf hin, dass die Riester-Police nicht nur unter Rendi-
tegesichtspunkten gesehen werden darf. „Die Riester-Rente
bietet einen Versicherungsschutz gegen das Risiko, länger
zu leben als das Geld reicht.“
Mit einer einfachen und eingängigen Argumentation gehen
Internetmakler bei der Riester-Rente auf Kundenfang. So
wirbt das Portal Finanzen.de mit der Überschrift „Mit wenig
Geld fürs Alter vorsorgen“ für Riester-Verträge. Die Aussage
„Riester lohnt sich“ neben einem Sparschwein-Bild wird ver-
stärkt noch durch den Hinweisen, dass sich der Vertrag auch
für Geringverdiener rentiere und neben der Grundzulage
von 154 Euro für Kinder bis zu 300 Euro bezahlt werden.
Vermittler sollten überlegen, ob sie nicht für jedes geförderte
Produkt, also Riester, Rürup und die bAV ein spezielles Mai-
ling-Konzept entwickeln. Zudem sollte die Fördermöglich-
keiten – einfach dargestellt – inkl. eines Vorsorgerechners an
zentraler Stelle der eigenen Homepage platziert werden. Als
wichtige Zusatzbotschaft sollte auf die ständige Erhöhung
der Lebenserwartung verwiesen werden. Denn wir alle wer-
den in der Regel deutlich älter werden als unsere Eltern oder
Großeltern. So ist die durchschnittliche Lebenserwartung in
Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts um mehr als
30 Jahre gestiegen, heißt es in der Studie „Lebenserwartung
der Deutschen“ des Rostocker Zentrums zur Erforschung
des Demografischen Wandels.
Auch bAV auf Unisex umstellen
Vermittler könnten sich z.B. auf ihrer Homepage als „Ex-
perten“ für geförderte Altersvorsorgeprodukte präsentieren.
Zu einem solchen „Experten“-Status rät auch Jan Helmut
Hönle in seinem Werk „Online beraten und verkaufen“.
Virtuelle Beratung habe den Vorteil, dass man rund um die
Uhr präsent ist. Versicherungskunden stehen Abschlüssen
im Internet immer offener gegenüber: Jeder Vierte kann sich
nach einer aktuellen Untersuchung sogar denAbschluss einer
Versicherung via App vorstellen.
Auf die Versicherer, Vermittler und Berater kommt auch in
der bAV viel Arbeit zu. So muss nach Meinung von Richard
Herrmann, Vorstand der Heubeck AG, die bAV schnellst-
möglich auf Uni-Sex-Tarife umgestellt werden. Zwar gelte
das Uni-Sex-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
formal nicht für die betriebliche Altersversorgung, doch gebe
es gute Gründe, für eine Anpassung, damit Arbeitgeber eine
Nachschusspflicht vermeiden. Herrmann ist sich sicher, dass
der EuGH bei einer Anrufung durch einen Arbeitnehmer
ähnlich wie im privaten Bereich urteilen dürfte. Daher sollten
die Kunden, also die Arbeitgeber, auf Nummer sicher gehen
und bei Entgeltumwandlung einen Unisex-Rückdeckungs-
tarif wählen.
So könnten die Uni-Sex-Tarife denn auch bei der bAV zum
Wettbewerbsrenner werden. Grund ist, dass die Mischver-
hältnisse zwischen Frauen und Männern je nach Unterneh-
men unterschiedlich ausfallen. Folglich könnte eine bAV-
Unisex-Rente künftig umso höher ausfallen, je größer der
Männeranteil in einem Unternehmen ist. Experten halten
eine unternehmensspezifische Kalkulation für legitim.Vortei-
le sind so für Kollektivtarife denkbar, die für Berufsverbän-
de oder Branchen mit hohem Männeranteil abgeschlossen
werden.
Kostenvorteil durch Gruppentarife
Letztlich könnte die bAV, die ja weitere Kostenvorteile durch
Gruppenverträge generiert, so im Wettbewerb deutlich at-
traktiver werden. Zu diesem Schluss kommt das Institut
für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) im Rahmen eines
Ratings zur betrieblichen Altersversorgung. „Versicherer,
die die Verteilung der Geschlechter kennen, können etwas
stärker in RichtungMänner kalkulieren“, erläutert Professor
Michael Hauer. Durch den geringeren Sicherheitspuffer falle
die Uni-Sex-Rente insgesamt besser aus. Nach Einschätzung
des Experten könnten viele Versicherer in der bAV deutlich
stärker in diese Richtung kalkulieren, weil sie die Verteilun-
gen in ihrem Bestand kennen würden. Solche Unternehmen
würden gegenüber den normalen Privatrenten einen Wett-
bewerbsvorteil erlangen.
Derzeit würden die Versicherer – weil Männer im vergangen
Jahr schon den Rentenkauf vorzogen, während Frauen noch
abgewarteten – imDurchschnitt eine Mann-Frau-Verteilung
von 33:67 vornehmen, rechnet Hauer vor. Zu erwarten sei
aber, dass diese Verteilung gerade in der bAV nicht eintreten
werde. Denn während das Verhältnis zwischen Frauen und
Männer in der Bevölkerung bei 51 zu 49 Prozent liegt, be-
trägt diese Quote laut einer Infratest-Untersuchung in den
Betrieben 54 zu 46.
Noch stärker in Richtung Männerverteilung könnten Versi-
cherer kalkulieren, die für bestimmte Branchen – etwa Au-
tozulieferer – einen Gruppenvertrag abschließen. Allerdings
müssen die Unternehmen mit einem gewissen Sicherheits-
puffer rechnen. Grund sei u.a. die Tatsache, dass Männer
überproportional oft vor Rentenstart ihr Kapitalwahlrecht
ausübten, weil sie nicht mehr gesund sind, sagt Hauer.
Scheinbar haben einige Versicherer ihre Chancen imRahmen
der neuen Uni-Sex-bAV-Kalkulation schon wahrgenommen.
So haben sich die Continentale, der HDI und die Stuttgarter
in der aktuellen bAV-Untersuchung des IVFP schon besser
positioniert. Im aktuellen Rating – das dritte in Folge – ana-
lysierte das IVFP 102 Tarife von 49 Anbietern nach bis zu
85 Einzelkriterien. Dabei wurde in drei Kategorien eingeteilt.
Untersucht wurden klassische Tarife mit beitragsorientier-
ter Leistungszusage, fondsgebundene Tarife mit beitrags-
orientierter Leistungszusage (BoLz) und fondsgebundene
Tarife mit Beitragszusage mit Mindestleistung (BzMl). Zu
den führenden Anbietern in diesem Jahr zählen in der Ka-
tegorie „klassisch“ Europa, Allianz, Debeka, Hannoversche
und HUK-Coburg. Im Bereich fondsgebundener Tarife mit
beitragsorientierter Leistungszusage belegen Allianz, Alte
Leipziger, Hannoversche und Stuttgarter die vorderen Plät-
ze. Neben Allianz, Stuttgarter und Hannoversche überzeugt
auch die Provinzial NordWest bei den BzMl-Tarifen.
Uwe Schmidt-Kasparek