KURS MAGAZIN 11/2013 - page 24

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KURS
11 / 2013
BETR I EBSRENTE AUF DEM VORMARSCH
Wider den Fachkräftemangel
KURS: Herr Professor Raffelhüschen, derzeit kommen drei
Beschäftigte auf einen Rentner; im Jahr 2030 müssen knapp
zwei Beschäftigte für einen Rentner sorgen. Sie forschen be-
reits seit Jahren imBereich Demographie undAlterssicherung.
Wo liegen die Ursachen für diese Entwicklung undwie können
wir eine Steigerung der Rentenbeiträge noch verhindern?
Raffelhüschen:
Das Problem ist, dass wir bis zur Einführung
der „Rente mit 67“ noch nie so kurze Erwerbstätigenzeiten
hatten wie heute. Es muss aufhören, dass wir 50- bis 60-Jäh-
rige in Frührente schicken. Die Konsequenz ist vielmehr:Wir
müssen länger arbeiten. Realistisch gesehen reden wir nicht
über die Rente mit 67, sondern mit 68 oder 70 Jahren. Ich
bin für ein flexibles Renteneintrittsalter. Hier könnte die
betriebliche Altersversorgung eine große Rolle spielen. Um
mehr Flexibilität zu gewinnen, brauchen wir zum Beispiel
mehr Zeitkontensysteme in den Unternehmen.
KURS: Viele Firmen haben bereits Probleme, qualifizier-
te Arbeitnehmer zu finden. Wie sollen sie dem drohenden
Fachkräftemangel begegnen?
Raffelhüschen:
Früher haben Arbeitgeber eine bAV ein-
geführt, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Das
hatte nachgelassen Jetzt haben wir aber wieder zu wenige
Erwerbstätige. Deshalb wird das Pendel nun zurückschlagen.
Die Firmen werden erneut verstärkt arbeitgeber-finanzierte
Betriebsrenten einführen.
KURS: Herr von Löbbecke, Sie sind verantwortlich für den
Bereich bAV bei dem Versicherer HDI. Welche Erfahrungen
machen Sie als einer der führenden Anbieter auf dem Gebiet
der bAV? Schlägt das Pendel wieder zurück?
von Löbbecke:
Vor ein paar Jahren war es noch so, dass
der Trend hin zu einer rein arbeitnehmer-finanzierten bAV
ging. Doch spätestens mit dem Beschluss, Entgeltumwand-
lung auch über 2008 hinaus sozialabgabenfrei zu stellen,
gibt es aus unserer Sicht einen Trend hin zu einer gemischt
finanzierten bAV. Verstärkt wurde der Trend, indem die bAV
zunehmend inTarifverträgen verankert wurde.Vor demHin-
tergrund des bereits zu spürenden Fachkräftemangels und
der demographischen Entwicklung in Deutschland erkennen
immer mehr Arbeitgeber, dass sie finanziell etwas tun müs-
sen, um Arbeitskräfte zu binden oder Neue zu gewinnen.
Bereits jetzt machen unsere Kunden die Erfahrung, dass Geld
allein für viele Fach- und Führungskräfte keinen Grund mehr
darstellt, die Firma zu wechseln. Es muss das Gesamtpaket
stimmen. Dazu gehören Modelle, die eine leistungsgerechte
Vergütung mit einer arbeitgeber-finanzierten bAV verbinden.
KURS: Herr Raffelhüschen, welche Bedeutung hat die bAV
im Kampf um Fachkräfte?
Raffelhüschen:
Die bAV muss zur Chefsache werden, denn
sie dient den Interessen des Unternehmers und seiner Mitar-
beiter gleichermaßen. Für Arbeitgeber ist sie ein wertvolles
personalpolitisches Instrument, denn sie hilft, Mitarbeiter
zu gewinnen und langfristig zu binden. In Zeiten knapper
Arbeitskräfte ist die bAV deshalb für jedes Unternehmen ein
Muss. Für Arbeitnehmer ist die bAV eine besonders rentier-
„Es wäre allerdings völlig kontraproduktiv das
positive Image der bAV durch ein verpflichten-
des Modell auf Arbeitgeber- oder Arbeitneh-
merseite zu gefährden.“
Fabian von Löbbecke
Der Fachkräftemangel bedroht zunehmend die deutscheWirtschaft. Laut einer Studie der Bera-
tungsgesellschaft Ernst & Young fällt es 74 Prozent aller befragten Mittelständlern schwer, ausrei-
chend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Experten wie Professor Bernd Raffelhüschen vom Institut
für Finanzwissenschaft der Universität Freiburg, Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der
Talanx Pensionsmanagement AG und verantwortlich für bAV bei HDI, sowie Dr. Bernhard Steinmetz,
Geschäftsbereichsleiter Personal/Recht der Flughafen Köln/Bonn GmbH, diskutieren im Roundtab-
le-Gespräch das Thema aus dem Blickwinkel der
betrieblichen Altersversorgung
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