DER BETRIEB 25 - page 49

DCGK 2013 nunmehr 105 Empfehlungen und sechs Anregun-
gen. Die Steigerung um neun Empfehlungen ergibt sich durch
die Aufnahme von insgesamt 15 neuen Soll-Bestimmungen, der
ersatzlosen Streichung von fu¨nf Empfehlungen sowie der U¨ ber-
fu¨hrung von einer weiteren Empfehlung in eine pra¨zisierende
Erla¨uterung des Gesetzes. Die Reduzierung der Anzahl von An-
regungen resultiert aus der Streichung der ehemaligen Sollte-Be-
stimmung, Unternehmensinformationen auch in englischer
Sprache zu vero¨ffentlichen. Die genaue Aufschlu¨sselung des
ku¨nftig geltenden Kodex nach gesetzlichen Vorschriften, Emp-
fehlungen, Anregungen und pra¨zisierenden Erla¨uterungen kann
dem vom Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) edi-
tierten Kodextext entnommen werden
16
.
16 Abrufbar unter
.
Entscheidungen
Aktien-/Verfahrensrecht
Zusta¨ndigkeit des Aufsichtsrats als Gremium fu¨r
Vertretung der Aktiengesellschaft im Rechtsstreit
mit dem Vorstand
Wirksamkeit der Prozesshandlungen eines Nebenintervenien-
ten bis zur Zuru¨ckweisung seines Beitritts – Rechtsstreit einer
AG gegen Vorstand: Erteilung einer Prozessvollmacht bedarf Be-
schluss des Aufsichtsrats – Nachtra¨gliche Genehmigung einer
vollmachtlosen Prozessfu¨hrung – Zur Behandlung der Stimm-
abgabe eines Aufsichtsratsmitglieds, dessen Wahl nichtig ist
ZPO § 71 Abs. 3; AktG § 112; ZPO § 80
a) Die von einem Nebenintervenienten bis zur Zuru¨ckweisung
seines Beitritts wirksam vorgenommenen Prozesshandlun-
gen behalten auch nach Rechtskraft der Zuru¨ckweisungsent-
scheidung ihre Wirksamkeit.
b) Die Vertretung der Aktiengesellschaft im Rechtsstreit mit
dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen,
das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss
fasst. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann
nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds
oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden.
c) Erteilt der Aufsichtsratsvorsitzende im Rechtsstreit mit dem
Vorstand eine Prozessvollmacht, ohne zuvor die Einwilligung
des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat
diese Handlung und die bisherige Prozessfu¨hrung durch
Mehrheitsbeschluss genehmigen.
BGH-Beschluss vom 14. 5. 2013 – II ZB 1/11
u
DB0596919
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Bauwirtschaft in der Rechtsform
einer Aktiengesellschaft. Die Anteile an der Beklagten werden mittelbar
u¨ber eine Holding von den beiden Firmengru¨ndern E. H. und B. H.
gehalten. Zwischen den Bru¨dern bzw. den Familiensta¨mmen gibt es er-
hebliche Spannungen. Die Kla¨ger sind am 6. 7. 2007 – wie der erken-
nende Senat mit seiner Entscheidung vom 17. 7. 2012 – II ZR 55/11
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besta¨tigt hat – wirksam zu Mitgliedern des Vorstands der Beklagten be-
stellt worden.
Am 26. 10. 2009 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats der Beklagten
statt. Tagesordnungspunkt war u. a. die Abberufung der Kla¨ger als Vor-
standsmitglieder. Den Kla¨gern wurde vorgeworfen, im Zusammenhang
mit der Erweiterung des Gescha¨ftsfelds der Beklagten auf T. den dorti-
gen Bauminister bestochen zu haben. Von den sechs Mitgliedern des
Aufsichtsrats waren drei auf den Vorschlag von E. H. und drei auf den
Vorschlag von B. H. bestellt worden. Der Aufsichtsrat stimmte mit 3:3
Stimmen ab. Die dem Stamm B. H. zuzuordnenden Aufsichtsratsmit-
glieder verneinten das Vorliegen eines wichtigen Grundes und lehnten
die Abberufung der Kla¨ger als Vorstandsmitglieder ab. Gem. § 10
Abs. 4 Satz 5 der Satzung der Beklagten fu¨hrt Stimmengleichheit bei
der Abstimmung im Aufsichtsrat zur Ablehnung eines Beschluss-
antrags. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende war der Ansicht, die
drei gegen eine Abberufung stimmenden Aufsichtsratsmitglieder ha¨tten
ihr Stimmrecht missbra¨uchlich ausgeu¨bt, sodass ihre Stimmen bei der
Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu beru¨cksichtigen sei-
en; damit sei die Abberufung der Kla¨ger als Vorstandsmitglieder der
Beklagten beschlossen. Dementsprechend stellte der Aufsichtsratsvor-
sitzende die Abberufung der Kla¨ger durch den Aufsichtsratsbeschluss
vom 26. 10. 2009 fest. Die beiden abberufenen Vorstandsmitglieder ha-
ben mit ihrer am 2. 12. 2009 gegen die Beklagte, vertreten durch den
Aufsichtsrat, erhobenen Klage die Feststellung beantragt, dass ein Ab-
berufungsbeschluss in der Aufsichtsratssitzung am 26. 10. 2009 nicht
ergangen, hilfsweise, dass er nichtig oder fu¨r ungu¨ltig zu erkla¨ren ist;
weiter haben sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet
ist, einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Wider-
ruf ihrer Vorstandsa¨mter entstanden ist und noch entsteht.
In einem weiteren Verfahren hatten die Kla¨ger mit einem Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Verfu¨gung begehrt, der Beklagten zu untersa-
gen, den Widerruf ihrer Bestellung als Vorstandsmitglieder festzustellen
oder zu vollziehen und sie daran zu hindern oder zu sto¨ren, ihrer Ta¨tig-
keit als Vorstandsmitglieder nachzukommen. Das LG Frankenthal
(Pfalz) erließ die einstweilige Verfu¨gung.
Am 19. 6. 2010 stimmte der Aufsichtsrat der Beklagten u¨ber den An-
trag des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden ab, „die Prozessfu¨hrung
vor dem LG Frankenthal (Pfalz) und dem OLG Zweibru¨cken zu ge-
nehmigen“. Anlass hierfu¨r war, dass die fu¨r die Beklagte im einstweili-
gen Verfu¨gungsverfahren sowie in dem u¨ber die Klage gegen die Abbe-
rufung der Kla¨ger anha¨ngigen Verfahren auftretenden Rechtsanwa¨lte le-
diglich von dem Aufsichtsratsvorsitzenden bevollma¨chtigt worden wa-
ren. Drei Aufsichtsra¨te stimmten fu¨r den Antrag, die drei Aufsichtsrats-
mitglieder aus dem Lager B. H. stimmten auch diesmal dagegen.
Am 23. 6. 2010 verwarf das OLG Zweibru¨cken
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die Berufung der Be-
klagten im einstweiligen Verfu¨gungsverfahren als unzula¨ssig, weil die
Beklagte nicht ordnungsgema¨ß vertreten gewesen sei.
Das LG Frankenthal (Pfalz) hatte auf die Klage gegen die Abberufung
der Kla¨ger antragsgema¨ß festgestellt, dass in der Aufsichtsratssitzung
vom 26. 10. 2009 ein Beschluss, die Kla¨ger aus wichtigem Grund abzu-
berufen, nicht ergangen und die Beklagte verpflichtet sei, den Kla¨gern
einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Widerruf
ihrer Vorstandsa¨mter entstanden sei und noch entstehen werde.
Die Beklagte hatte gegen das landgerichtliche Urteil Berufung beim
OLG Zweibru¨cken eingelegt. Innerhalb der laufenden Berufungsfrist
trat die Nebenintervenientin zu 1 dem Rechtsstreit auf Seiten der Be-
klagten bei, schloss sich den Antra¨gen der Beklagten aus der ersten In-
1 DB 2012 S. 2036 = ZIP 2012 S. 1750.
2 4 U 196/09, AG 2010 S. 918.
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
Wirtschaftsrecht
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