DER BETRIEB 25 - page 50

stanz an und legte gleichfalls Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 19. 7.
2010 begru¨ndete sie die Berufung.
Das Berufungsgericht hatte auch diese Berufung der Beklagten als un-
zula¨ssig verworfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die von der Beklagten und der Ne-
benintervenientin zu 1 eingelegte Rechtsbeschwerde. Innerhalb der
Rechtsbeschwerdefrist war der Nebenintervenient zu 2 auf Seiten der
Beklagten dem Verfahren als Streithelfer beigetreten und hatte gleich-
falls Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts ein-
gelegt. Mit Zwischenurteil vom 29. 1. 2013 – II ZB 1/11
3
hatte der er-
kennende Senat den Beitritt des Nebenintervenienten zu 2 auf Seiten
der Beklagten im Rechtsbeschwerdeverfahren zugelassen. Die sich ge-
gen die Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzula¨ssig richtende
Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Sie fu¨hrte insoweit zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses und zur Zuru¨ckverweisung der Sache an
das Berufungsgericht. Soweit mit dem angefochtenen Beschluss der
Beitritt der Nebenintervenientin zu 1 zuru¨ckgewiesen wurde, ist ein
statthaftes Rechtsmittel nicht eingelegt worden.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Wirksame Prozessbevollma¨chtigung durch Nebenintervenienten
1 . . . 11
I
I.
. . .
II. 1.
Die kraft Gesetzes (§ 574 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) statthafte Rechtsbeschwerde
der Beklagten gegen den Verwerfungsbeschluss ist auch im U¨ b-
rigen zula¨ssig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, § 575 ZPO). Insbesondere
ist der Prozessbevollma¨chtigte der Beklagten im Rechts-
beschwerdeverfahren wirksam bevollma¨chtigt, na¨mlich jedenfalls
durch den Nebenintervenienten zu 2.
Rechtskra¨ftige Zuru¨ckweisung der Nebenintervention durch
das Berufungsgericht
12
I
a)
Der Prozessbevollma¨chtigte der Beklagten kann sich nicht
mit Erfolg darauf berufen, von der Nebenintervenientin zu 1 zur
Durchfu¨hrung einer Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungs-
beschluss bevollma¨chtigt worden zu sein, weil deren Nebeninter-
vention durch das Berufungsgericht rechtskra¨ftig zuru¨ckgewie-
sen wurde. . . . (Wird ausgefu¨hrt.)
Prozessbevollma¨chtigung durch Nebenintervenienten zu 2
13 . . . 17
I
aa)
. . .
b)
Die Rechtsbeschwerde ist aber zula¨ssig, weil
der Prozessbevollma¨chtigte der Beklagten jedenfalls vom Neben-
intervenienten zu 2 wirksam bevollma¨chtigt worden ist. Es kann
in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Prozessbevoll-
ma¨chtigte der Beklagten im Berufungsverfahren wirksam bevoll-
ma¨chtigt war, sodass er nach § 81 ZPO zur Bestellung eines
Prozessbevollma¨chtigten fu¨r die ho¨here Instanz erma¨chtigt ge-
wesen wa¨re
4
. Denn jedenfalls hat der Nebenintervenient zu 2 zu-
gleich mit seinem wirksamen Beitritt
5
in zula¨ssiger Weise
Rechtsbeschwerde eingelegt, sodass das einheitlich zu betrach-
tende Rechtsmittel insgesamt zula¨ssig ist.
Begru¨ndetheit der Rechtsbeschwerde
18
I
2.
Die Rechtsbeschwerde ist begru¨ndet. Die Berufung der
Beklagten ha¨tte nicht mit der Begru¨ndung als unzula¨ssig verwor-
fen werden du¨rfen, ihr Prozessbevollma¨chtigter sei zur Ein-
legung des Rechtsmittels vor dem OLG nicht wirksam bevoll-
ma¨chtigt gewesen.
19
I
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die Neben-
intervenientin zu 1 bis zur rechtskra¨ftigen Zuru¨ckweisung ihres
Beitritts durch das Berufungsgericht gem. § 71 Abs. 3 ZPO die
Stellung und die Befugnisse einer Nebenintervenientin hatte
6
.
Sie konnte daher mit Wirkung fu¨r die Beklagte Berufung ein-
legen und Antra¨ge stellen. Die von einem Nebenintervenienten
bis zur Zuru¨ckweisung seines Beitritts wirksam vorgenommenen
Prozesshandlungen behalten auch nach Rechtskraft der Zuru¨ck-
weisungsentscheidung ihre Wirksamkeit
7
.
Erteilung einer Prozessvollmacht durch Aufsichtsratsvorsitzen-
den nur auf Grundlage eines Aufsichtsratsbeschlusses
20
I
III.
Fu¨r das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes
hin:
21
I
1.
Die durch den Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten
erteilte Prozessvollmacht ist ohne Genehmigung durch den Auf-
sichtsrat unwirksam. Der Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktien-
gesellschaft kann in einem Rechtsstreit der Gesellschaft mit dem
Vorstand grundsa¨tzlich ohne einen ihn hierzu erma¨chtigenden
Aufsichtsratsbeschluss keine wirksame Prozessvollmacht ertei-
len.
Vertretung der Aktiengesellschaft im Prozess mit Vorstandsmit-
glied
22
I
a)
Die Aktiengesellschaft wird in einem Prozess mit einem
Vorstandsmitglied – auch nach dessen Ausscheiden – gem.
§ 112 AktG durch ihren Aufsichtsrat als Organ vertreten
8
. Die
im Zusammenhang mit der Prozessfu¨hrung erforderliche Wil-
lensbildung des Aufsichtsrats erfolgt durch ausdru¨cklichen Be-
schluss nach § 108 Abs. 1 AktG
9
. In die Entscheidungsbefugnis
des Aufsichtsrats fallen im Passivprozess mit dem Vorstand die
der Erteilung einer Prozessvollmacht vorgelagerten, vorliegend
relevanten Fragen, ob sich die Gesellschaft gegen die Klage
u¨berhaupt verteidigen will und ob im Falle des Unterliegens in
erster Instanz von einem Rechtsmittel Gebrauch gemacht wer-
den soll. Der in einem hieru¨ber gefassten Beschluss zum Aus-
druck kommende einheitliche oder mehrheitliche Wille der ab-
stimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Auf-
sichtsrats dar
10
. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung
kann nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds
oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden, weil diese ih-
ren Willen abweichend vom Aufsichtsrat bilden ko¨nnten
11
.
Mo¨glichkeit der nachtra¨glichen Genehmigung der Beauftragung
eines Rechtsanwalts
23
I
b)
Durch die Entscheidungszusta¨ndigkeit des Aufsichtsrats
als Ganzes ist die Verteidigungsmo¨glichkeit der Aktiengesell-
schaft gegen Klagen ihrer Vorstandsmitglieder nicht gefa¨hrdet.
Bevollma¨chtigt der Aufsichtsratsvorsitzende in Eilfa¨llen einen
3 DB 2013 S. 449 = ZIP 2013 S. 483.
4 Vgl. hierzu BGH-Urteil vom 15. 3. 2006 – XII ZR 138/01, DB0144204 = NJW
2006 S. 2334, Rdn. 14.
5 Vgl. BGH vom 29. 1. 2013, a.a.O. (Fn. 3).
6 Vgl. BGH-Urteil vom 9. 3. 1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983 S. 2378; vom
10. 1. 2006 – VIII ZB 82/05, BGHZ 165 S. 358 (363) = DB 0131793.
7 BGH-Beschluss vom 20. 3. 1985 – IVa ZB 1/85, VersR 1985 S. 551;
Dressler
,
in: BeckOK-ZPO, Stand 30. 10. 2012, § 71 Rdn. 12;
Bendtsen
, in: Saenger,
ZPO, 5. Aufl., § 71 Rdn. 7;
Weth
, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 71 Rdn. 8;
Bork
, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 71 Rdn. 10, m. w. N.;
Schultes
, in:
Mu¨nchKomm-ZPO, 4. Aufl., § 71 Rdn. 11.
8 BGH-Urteil vom 9. 10. 1986 – II ZR 284/85, DB 1986 S. 2592 = ZIP 1986
S. 1381 (1382); vom 22. 4. 1991 – II ZR 151/90, DB 1991 S. 1216 = ZIP 1991
S. 796; vom 16. 10. 2006 – II ZR 7/05, DB 2006 S. 2805 = ZIP 2006 S. 2213,
Rdn. 5; vom 16. 2. 2009 – II ZR 282/07, DB 2009 S. 779 = ZIP 2009 S. 717,
Rdn. 7; vom 29. 1. 2013, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 10.
9 BGH vom 16. 10. 2006 – II ZR 7/05, DB 2006 S. 2805 = ZIP 2006 S. 2213,
Rdn. 8; vom 16. 2. 2009 – II ZR 282/07, DB 2009 S. 779 = ZIP 2009 S. 717,
Rdn. 12; vom 29. 1. 2013, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 11.
10 BGH-Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41 S. 282 (286) = DB 1964
S. 802; vom 29. 1. 2013, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 11.
11 BGH-Urteil vom 17. 3. 2008 – II ZR 239/06, DB 2008 S. 1314 = ZIP 2008
S. 1114, Rdn. 11; vom 29. 1. 2013, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 11.
1404
Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
1...,40,41,42,43,44,45,46,47,48,49 51,52,53,54,55,56,57,58,59,60,...84
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