25
I
So hat schon nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 2
Hs. 1 EStG a. F. der Stpfl. – hier der Ehegatte des beihilfebe-
rechtigten Beamten – einen „Anspruch auf vollsta¨ndige oder
teilweise Erstattung oder U¨ bernahme von Krankheitskosten“.
Ein solcher besteht aufgrund der dargestellten Unterhaltspflicht
des beihilfeberechtigten Ehegatten – wenn auch nur mittelbar –
aufgrund der Beru¨cksichtigungsfa¨higkeit bei der Beihilfe des Be-
amten. Denn auslo¨sender Faktor fu¨r den Beihilfeanspruch ist
das Entstehen von Krankheitskosten.
26
I
Ausgehend vom unter II. 1. d) bb) dargestellten Normzweck
des § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. will auch der erste Hs. dieser
Vorschrift der Entlastung des Stpfl. durch Dritte bei der Kran-
kenvorsorge typisierend Rechnung tragen. Im Fall eines beru¨ck-
sichtigungsfa¨higen Angeho¨rigen von beihilfefa¨higen Beamten
tra¨gt der Dienstherr ebenso ganz oder z. T. wirtschaftlich die
Krankheitsaufwendungen. Die Einbeziehung der Ehegatten in
das Beihilfesystem fu¨hrt deshalb dazu, dass diese Angeho¨rigen
ihre Krankenaufwendungen nicht mehr in voller Ho¨he zu tragen
haben. Unerheblich muss dabei sein, ob die Zahlungen fu¨r diese
Aufwendungen an den Ehegatten selbst oder den Beamten er-
folgen.
Motive des Gesetzgebers
27
I
dd)
Dieser Auslegung entspricht auch die Entstehungs-
geschichte des Gesetzes. Die in § 10 Abs. 4 EStG a. F. geschaf-
fene Regelung sollte durch die unterschiedlichen Ho¨chstbetra¨ge
beru¨cksichtigen, dass in bestimmten Fa¨llen Stpfl. Aufwendun-
gen zu einer Krankenversicherung in vollem Umfang allein tra-
gen mu¨ssen und in anderen Fa¨llen der Arbeitgeber Beitra¨ge zur
gesetzlichen Krankenversicherung zahlt oder z. B. bei Beamten
ein Anspruch auf Beihilfe besteht
13
. Auch der Gesetzgeber
machte somit deutlich, dass er nur dann, wenn die Aufwendun-
gen vom Stpfl. allein getragen werden, den Ho¨chstbetrag i. H.
von 2.400 € gewa¨hren will. Dies ist bei der Kla¨gerin aus den dar-
gestellten Gru¨nden gerade nicht der Fall.
Verwendung des Arbeitgeberzuschusses
28
I
ee)
Zu Recht geht das FG auch davon aus, dass es ohne Be-
deutung ist, ob der Arbeitgeberzuschuss wegen der Begrenzung
auf den durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der gesetzli-
chen Krankenkassen gem. § 257 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SGB V wie
im Streitfall bereits zugunsten von Versicherungsbeitra¨gen des
Arbeitnehmers und anderer Angeho¨riger, insbesondere der inso-
weit zu beru¨cksichtigenden Kinder, ganz oder teilweise auf-
gezehrt wird. § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. ist als typisierende
Regelung
14
zu verstehen, die eine konkrete Ermittlung der Ho¨he
der u¨bernommenen Krankenversicherungsbeitra¨ge vermeiden
soll. § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. umschreibt deshalb mit dem
Ru¨ckgriff auf das Wort „erbracht“ den betroffenen – hier von § 3
Nr. 62 EStG i. V. mit § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V eingegrenz-
ten – Personenkreis, fu¨r den die Ku¨rzung gelten soll. Der Ge-
setzgeber knu¨pft ersichtlich an die bis zum Jahr 2004 geltende
Regelung u¨ber die Ku¨rzung des Vorwegabzugs gem. § 10 Abs. 3
Nr. 2 EStG a. F. an
15
. Auch in diesem Fall diente die Bezug-
nahme auf § 3 Nr. 62 EStG der Umschreibung des Personen-
kreises
16
.
29
I
ff)
Zutreffend hat das FG im Streitfall bei den zusammen
veranlagten Kla¨gern den Ho¨chstbetrag von 1.500 € zugrunde ge-
legt. Gem. § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG a. F. kommt es in den Fa¨l-
len der Zusammenveranlagung fu¨r die Zusammenrechnung des
Gesamtho¨chstbetrags auf die Summe der Ho¨chstbetra¨ge jedes
Ehegatten aus § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. an.
Keine Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG
a. F.
30
I
2.
Die Regelungen des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG a. F.
sind nicht verfassungswidrig.
31
I
a)
Hinsichtlich der begrenzten Abziehbarkeit von Beitra¨gen
zu Krankenversicherungen ist die Verfassungsma¨ßigkeit durch
den Beschluss des BVerfG vom 13. 2. 2008
17
gekla¨rt. Die dort
getroffene Weitergeltungsanordnung fu¨r die Vz. bis einschließ-
lich 2009, die mit Gesetzeskraft aufgrund § 31 Abs. 2 des Ge-
setzes u¨ber das BVerfG versehen ist, ist fu¨r den Senat bindend
18
.
Art. 3 GG
32
I
b)
Die unterschiedlichen Ho¨chstbetra¨ge in Satz 1 und 2 des
§ 10 Abs. 4 EStG a. F. verletzen nicht dadurch den Gleich-
heitssatz des Art. 3 GG, dass der von § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG
a. F. betroffene Personenkreis nur geringere Vorsorgeaufwen-
dungen abziehen kann. Die unterschiedliche Ho¨he der Ho¨chst-
betra¨ge in Satz 1 und Satz 2 des § 10 Abs. 4 EStG a. F. beruht
auf einem sachlichen Grund und ist daher nicht willku¨rlich.
Der Gesetzgeber differenziert danach, dass die in § 10 Abs. 4
Satz 1 EStG a. F. genannten Stpfl. – anders als der von Satz 2
dieser Vorschrift betroffene Personenkreis – ihre Aufwendun-
gen fu¨r Krankenversicherungen in vollem Umfang allein tragen
mu¨ssen
19
.
Art. 6 GG
33
I
c)
Die Regelungen des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG a. F.
verletzen auch nicht Art. 6 Abs. 1 GG.
34
I
aa)
Art. 6 Abs. 1 GG erscho¨pft sich zwar nicht darin, die
Ehe in ihrer wesentlichen Struktur zu gewa¨hrleisten, sondern ge-
bietet daru¨ber hinaus als verbindliche Wertentscheidung fu¨r den
gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten
und o¨ffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die
staatliche Ordnung. Um diesem Schutzauftrag zu genu¨gen, ist es
Aufgabe des Staates, einerseits alles zu unterlassen, was die Ehe
scha¨digt oder sonst beeintra¨chtigt, andererseits sie durch geeig-
nete Maßnahmen zu fo¨rdern
20
. Dieser Schutz verbietet es, die
Ehe insgesamt gegenu¨ber anderen Lebensformen schlechter zu
stellen
21
.
35
I
bb)
Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Sowohl
Eheleute wie auch unverheiratete Arbeitnehmer unterliegen den
Vorschriften des § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F., sodass es bei
beiden in gleichem Maße darauf ankommt, ob ein Dritter fu¨r ih-
re Krankenversicherung dort genannte Leistungen erbringt.
Ehespezifische Belastungen, die aufgrund der Schutzwirkung
des Art. 6 Abs. 1 GG auszugleichen wa¨ren
22
, sind nicht erkenn-
bar.
13 BT-Drucks. 15/2150 S. 35, zu § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Entwurfs.
14 So
Kulosa
, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 388; ebenso
Fischer
, in: juris PraxisReport
Steuerrecht 9/2010, Anm. 2, unter B. 4. a.
15 So auch BFH-Urteil vom 18. 11. 2009 – X R 6/08, BStBl. II 2010 S. 282 =
DB0345149, dort unter B. II. 2. a).
16 Vgl. BFH vom 16. 10. 2002, a.a.O. (Fn. 4), unter II. A. 2. b).
17 BVerfG-Beschluss vom 13. 2. 2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120 S. 125 = DB
2008 S. 789.
18 BFH-Urteil vom 16. 11. 2011 – X R 15/09, BStBl. II 2012 S. 325 = DB 2012
S. 437.
19 BFH vom 18. 11. 2009, a.a.O. (Fn. 15).
20 BVerfG-Urteil vom 17. 7. 2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, BVerfGE 105 S. 313,
unter B. II. 1. c), m. w. N.
21 BVerfG vom 17. 7. 2002, a.a.O. (Fn. 20), unter B. II. 1. c) aa), m. w. N.
22 BFH-Beschluss vom 23. 8. 1999 – GrS 2/97, BStBl. II 1999 S. 782 = DB 1999
S. 2089, unter C. IV. 1. c) ff), m. w. N.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013