rechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere,
wenn die Wohnung am Bescha¨ftigungsort dem Arbeitnehmer
im Wesentlichen nur als Schlafsta¨tte dient. Denn dort ist regel-
ma¨ßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der
Lebensinteressen des Stpfl. zu verorten. Entspricht die Wohn-
situation am Heimatort der Wohnung am Bescha¨ftigungsort in
Gro¨ße und Ausstattung oder u¨bertrifft sie diese, ist dies viel-
mehr ein wesentliches Indiz dafu¨r, dass der Mittelpunkt der
Lebensfu¨hrung nicht an den Bescha¨ftigungsort verlegt worden
ist, sondern der Haupthausstand dort fortgefu¨hrt wird
2
. Dies
gilt umso mehr, wenn der Stpfl. dort sein Privatleben fu¨hrt,
weil zum Heimatort die engeren perso¨nlichen Beziehungen be-
stehen, z. B. wegen der – mit steigender Lebenserwartung im-
mer ha¨ufiger – alten, betreuungs- oder sogar pflegebedu¨rftigen
Eltern
3
.
Abgeschlossene Wohnung ebenso wenig erforderlich . . .
b)
Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort
nicht u¨ber eine abgeschlossene Wohnung verfu¨gt, steht dieser
Vermutung nicht entgegen. Nach sta¨ndiger Rspr. des BFH ko¨n-
nen die durch das Leben am Bescha¨ftigungsort zusa¨tzlich entste-
henden notwendigen Aufwendungen grds. auch dann zu Wer-
bungskosten fu¨hren, wenn die Wohnverha¨ltnisse des Stpfl. am
Ort seines Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder be-
engt sein sollten
4
. Insbesondere mu¨ssen die dem Arbeitnehmer
zur ausschließlichen Nutzung u¨berlassenen Ra¨umlichkeiten
nicht den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Woh-
nung gerecht werden
4
. Der Senat hat es in dieser Entscheidung
auch fu¨r unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in
der ihm von seinen Eltern u¨berlassenen Wohnung die Sanita¨r-
einrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die u¨b-
rigen Ra¨umlichkeiten eine eigensta¨ndige Haushaltsfu¨hrung er-
mo¨glichten
5
. Entsprechendes gilt, wenn dem Arbeitnehmer die
Ku¨che nicht zur alleinigen Verfu¨gung steht
6
. Deshalb kann ein
eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der
Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder ei-
nem Elternteil gefu¨hrt wird
7
.
. . . wie U¨ bernahme einer besonderen finanziellen Verantwor-
tung
c)
Auch bedarf es der U¨ bernahme einer besonderen finanziellen
Verantwortung fu¨r den (gemeinsamen) Hausstand durch die
gleichma¨ßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Le-
benshaltungskosten durch den Stpfl. nicht. Denn eine finanzielle
Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsfu¨hrung von
Eltern und Kindern geschlossen werden kann, kann auch vorlie-
gen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen
Kosten oder nach gewo¨hnlichem und außergewo¨hnlichem Auf-
wand vorgenommen wird. I. U¨ . ist dem Merkmal der Entgelt-
lichkeit lediglich – eine gewichtige – Indizfunktion beizumessen.
Denn die Entgeltlichkeit ist keine unerla¨ssliche Voraussetzung
(conditio sine qua non) einer steuererheblichen doppelten Haus-
haltsfu¨hrung. Dies gilt sowohl fu¨r die U¨ berlassung der Woh-
nung selbst als auch fu¨r die Kostentragung i. U¨ . Es ist deshalb
nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Stpfl. auch dann
einen eigenen Haushalt unterha¨lt, wenn nicht er selbst, sondern
Dritte fu¨r diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haus-
haltsfu¨hrung des auswa¨rts Bescha¨ftigten ist nicht zwingend aus-
geschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haus-
halt nicht feststellen la¨sst, wie auch umgekehrt aus einem finan-
ziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines
eigenen Haushalts zu schließen ist
8
.
Keine revisionsrechtliche Bindung an Tatsachenwu¨rdigung
2.
Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsa¨tzen
nicht. Denn die Vorinstanz hat zum einen die gleichma¨ßige Be-
teiligung von Eltern und Kindern an den laufenden Haushalts-
und Lebenshaltungskosten zu einer unverzichtbaren Vorausset-
zung fu¨r eine doppelte Haushaltsfu¨hrung im Rahmen eines
Mehrgenerationenhaushalts erhoben. Zum anderen hat das FG
verkannt, dass bei einem erwachsenen, wirtschaftlich selbststa¨n-
digen Kind – wie dem Kla¨ger, ein im Streitjahr 43 Jahre alter
promovierter Diplomchemiker – regelma¨ßig vermutet werden
kann, dass es nicht als Gast in den elterlichen Haushalt einge-
gliedert ist, sondern jedenfalls dann, wenn es dort lediglich un-
terbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte gemeinsam
mit den Eltern oder einem Elternteil wohnt und deshalb dort
der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu verorten ist, auch die
gemeinsame Haushaltsfu¨hrung wesentlich mitbestimmt.
Schließlich hat die Vorinstanz im Streitfall auch nicht alle maß-
geblichen Umsta¨nde in ihre U¨ berzeugungsbildung einbezogen.
Denn es hat weder die Wohnsituationen am Heimat- wie Be-
scha¨ftigungsort in den Blick genommen noch gegeneinander ab-
gewogen. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar.
Auch deshalb bindet die Wu¨rdigung des FG, der Kla¨ger habe
keinen steuererheblichen doppelten Haushalt gefu¨hrt, den Senat
gem. § 118 Abs. 2 FGO nicht.
Weitere Feststellungen zu den Wohnsituationen erforderlich
3.
Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird daher im
zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechts-
grundsa¨tze entsprechende weitere Feststellungen zu dem be-
haupteten Haupthausstand, insbesondere zu den Wohnsituatio-
nen des Kla¨gers am Heimat- wie Bescha¨ftigungsort zu treffen
haben. Sollte es dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass der Kla¨-
ger am Bescha¨ftigungsort nur u¨ber eine kleine bescheidene Un-
terkunft (Schlafsta¨tte) verfu¨gt – wofu¨r die geltend gemachten
Unterkunftskosten von weniger als 200 € monatlich sprechen –
und am Heimatort bei seiner Mutter zwei Zimmer und ein Ba-
dezimmer alleine nutzt, liegt es nahe, aufgrund des Alters des
Kla¨gers und seiner wirtschaftlichen Unabha¨ngigkeit sowie dem
Umstand, dass der Lebensmittelpunkt von den Beteiligten un-
streitig am Heimatort verortet wird, vom Vorliegen einer dop-
pelten Haushaltsfu¨hrung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
auszugehen. Demgegenu¨ber kommt es nicht darauf an, ob der
Kla¨ger sich an den laufenden Haushaltskosten (z. B. fu¨r Wasser,
Strom und Gas) beteiligt hat. I. U¨ . spricht das Vorbringen des
Kla¨gers, der behauptete gemeinsame Haushalt sei – abrede-
gema¨ß – dergestalt finanziert worden, dass seine Mutter die lau-
fenden Haushaltskosten und er die einmaligen hohen Kosten
(z. B. fu¨r Instandhaltungsmaßnahmen, Scho¨nheitsreparaturen,
Gartenpflege u. A¨ .) u¨bernommen habe, ohnehin gegen eine un-
entgeltliche U¨ berlassung der vom Kla¨ger zu Wohnzwecken ge-
nutzten Ra¨umlichkeiten.
3 BFH vom 5. 10. 1994, a.a.O. (Fn. 2); vom 9. 8. 2007 – VI R 10/06, BStBl. II
2007 S. 820 = DB0233086.
4 BFH-Urteil vom 14. 10. 2004 – VI R 82/02, BStBl. II 2005 S. 98 = DB 2004
S. 2675, m. w. N.
5 Vgl. auch BFH-Urteil vom 15. 12. 2005 – III R 27/05, BStBl. II 2006 S. 561 =
DB 2006 S. 1039, m. w. N.
6 BFH-Urteil vom 30. 7. 2009 – VI R 13/08, BFH/NV 2009 S. 1986 =
DB0346389.
7 BFH-Urteil vom 26. 7. 2012 – VI R 10/12, DB 2012 S. 2726, zur amtlichen
Vero¨ffentlichung bestimmt.
8 BFH-Urteil vom 28. 3. 2012 – VI R 87/10, BStBl. II 2012 S. 800 = DB 2012
S. 1186; vom 26. 7. 2012, a.a.O. (Fn. 7).
912
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
1...,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39 41,42,43,44,45,46,47,48,49,50,...84