Zur dritten Frage
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I
Mit seiner dritten Frage mo¨chte das vorlegende Gericht wis-
sen, ob sich ein Stpfl. auf den Grundsatz der Neutralita¨t der
MwSt in seiner durch die Rspr. zu Art. 203 MwStSystRL kon-
kretisierten Form berufen kann, um einer Bestimmung des na-
tionalen Rechts entgegenzutreten, die die Erstattung der fa¨lsch-
lich in Rechnung gestellten MwSt von der Berichtigung der feh-
lerhaften Rechnung abha¨ngig macht, obwohl das Recht auf Ab-
zug dieser Steuer endgu¨ltig versagt wurde und dies zur Folge hat,
dass die im nationalen Recht vorgesehene Berichtigungsregelung
nicht mehr anwendbar ist.
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I
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach st. Rspr. die natio-
nalen Gerichte das nationale Recht bei seiner Anwendung so-
weit wie mo¨glich anhand des Wortlauts und des Zwecks der
fraglichen Richtlinie auslegen mu¨ssen, um das in der Richtlinie
festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV
nachzukommen. Diese Verpflichtung zur unionsrechtskonfor-
men Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des
AEUV immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermo¨g-
licht wird, im Rahmen ihrer Zusta¨ndigkeiten die volle Wirksam-
keit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie u¨ber die bei ih-
nen anha¨ngigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden
10
.
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I
Zur Mo¨glichkeit, sich gegenu¨ber einem Mitgliedstaat auf
den Grundsatz der Neutralita¨t der MwSt zu berufen, ist zu-
na¨chst festzustellen, dass dieser Grundsatz ein Grundprinzip des
insbesondere durch die MwStSystRL geregelten gemeinsamen
MwSt-Systems ist
11
.
Versagung einer Erstattung einer fa¨lschlicherweise ausgewiese-
nen Steuer nicht allein wegen fehlender Rechnungsberichti-
gung
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I
Wie weiter aus Rdn. 35 des vorliegenden Urteils hervorgeht,
ist der Grundsatz der Neutralita¨t der MwSt in seiner durch die
Rspr. zu Art. 203 MwStSystRL konkretisierten Form dahin
auszulegen, dass er es der Finanzverwaltung verbietet, dem Er-
bringer einer steuerfreien Leistung die Erstattung der einem
Kunden fa¨lschlich in Rechnung gestellten MwSt mit der Be-
gru¨ndung zu versagen, dass er die fehlerhafte Rechnung nicht
berichtigt habe, obwohl dem Kunden das Recht auf Abzug die-
ser Steuer von der Finanzverwaltung endgu¨ltig versagt wurde
und dies zur Folge hat, dass die im nationalen Recht vorgesehe-
ne Berichtigungsregelung nicht mehr anwendbar ist.
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I
Nach der Rspr. kann der Grundsatz der Neutralita¨t der
MwSt ggf. von einem Stpfl. gegen eine Bestimmung des natio-
nalen Rechts oder ihre Anwendung, die diesem Grundsatz zuwi-
derla¨uft, geltend gemacht werden
12
. Unter Umsta¨nden wie de-
nen, die in Rdn. 35 des vorliegenden Urteils geschildert sind,
kann der Grundsatz der Neutralita¨t der MwSt in seiner durch
die Rspr. zu Art. 203 MwStSystRL konkretisierten Form, der
den Mitgliedstaaten eine unbedingte und hinreichend genaue
Verpflichtung auferlegt, gegen eine diesen Grundsatz verletzen-
de Bestimmung des nationalen Rechts geltend gemacht werden.
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I
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass sich
ein Stpfl. auf den Grundsatz der Neutralita¨t der MwSt in seiner
durch die Rspr. zu Art. 203 MwStSystRL konkretisierten Form
berufen kann, um einer Bestimmung des nationalen Rechts ent-
gegenzutreten, die die Erstattung der fa¨lschlich in Rechnung ge-
stellten MwSt von der Berichtigung der fehlerhaften Rechnung
abha¨ngig macht, obwohl das Recht auf Abzug dieser Steuer end-
gu¨ltig versagt wurde und dies zur Folge hat, dass die im nationa-
len Recht vorgesehene Berichtigungsregelung nicht mehr an-
wendbar ist.
Redaktionelle Hinweise:
Volltext-Urteil online: DB0589627;
dazu auch
Mu¨ller,
StR kompakt DB0590311.
10 Vgl. u. a. EuGH-Urteil vom 24. 1. 2012 – Rs. C-282/10, DB 2012 S. 354,
Rdn. 24, und die dort angefu¨hrte Rspr.
11 Vgl. in diesem Sinn u. a. EuGH vom 18. 6. 2009, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 39, und
die dort angefu¨hrte Rspr.
12 Vgl. in diesem Sinn EuGH-Urteil vom 10. 4. 2008 – Rs. C-309/06, Marks &
Spencer, EuGHE 2008 S. I-2283 = DB 2008 S. 1249 (Ls.), Rdn. 34.
Vermietung eines Hausboots samt Steg ist eine
einheitliche steuerfreie Vermietungsleistung
Deutsche Verwaltungsauffassung entspricht nicht dem Unions-
recht – Stillgelegtes Hausboot ist kein Befo¨rderungsmittel
6. EG-RL Art. 13 Teil B Buchst. b
1.
Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass
der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstu¨cken
die Verpachtung eines Hausboots einschließlich der dazuge-
ho¨renden Liegefla¨che und Steganlage umfasst, das mit nicht
leicht zu lo¨senden Befestigungen, die am Ufer und auf dem
Grund eines Flusses angebracht sind, ortsfest gehalten wird, an
einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Fluss
liegt und nach den Bestimmungen des Pachtvertrags ausschließ-
lich zur auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Dis-
kothek an diesem Liegeplatz bestimmt ist. Diese Verpachtung
stellt eine einheitliche steuerfreie Leistung dar, ohne dass zwi-
schen der Verpachtung des Hausboots und der der Steganlage
zu differenzieren wa¨re.
2.
Ein solches Hausboot stellt kein Fahrzeug i. S. von Art. 13
Teil B Buchst. b Nr. 2 6. EG-RL dar.
EuGH-Urteil vom 15. 11. 2012 – Rs. C-532/11, Leichenich
u
DB0585444
Redaktionelle Hinweise:
Bearbeitete Urteilslangfassung: DB0556788;
dazu vgl. auch
Huschens,
StR kompakt DB0561063.
Finanzgerichtsordnung
Die besondere Zugangsvoraussetzung in § 69
Abs. 4 Satz 1 FGO gilt auch fu¨r Antra¨ge auf Auf-
hebung der Vollziehung
FGO § 69 Abs. 3 und 4 Satz 1
Die Regelung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO, wonach ein beim FG
gestellter Antrag auf AdV grds. nur zula¨ssig ist, wenn die
Finanzbeho¨rde zuvor einen bei ihr gestellten Antrag auf AdV
ganz oder teilweise abgelehnt hat, gilt auch fu¨r Antra¨ge auf Auf-
hebung der Vollziehung.
BFH-Beschluss vom 12. 3. 2013 – XI B 14/13
u
DB0588294
Redaktioneller Hinweis:
Volltext-Beschluss online: DB0588283.
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Steuerrecht
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