Im Rahmen der Verfu¨gbarkeit fairer, zuverla¨ssiger und all-
gemein akzeptierter Preisinformationen hat ESMA zu pru¨fen,
ob die Informationen, die fu¨r die richtige Bepreisung der Kontrak-
te innerhalb der jeweiligen Derivateklasse erforderlich sind, fu¨r die
Marktteilnehmer ohneWeiteres zu handelsu¨blichen
103
Bedingun-
gen verfu¨gbar sind und ob sie es auch weiterhin wa¨ren, wenn die
betreffende OTC-Derivatekategorie clearingpflichtig wu¨rde.
bb) Zeitpunkt Vertragsschluss/Vertragsverla¨ngerung
Zusa¨tzlich ist es gem. Art. 4 Abs. 1 b) EMIR erforderlich, dass
die Derivatekontrakte geschlossen oder verla¨ngert wurden
– am oder nach dem Tag, an dem die Clearingpflicht wirksam
wird, oder
– am oder nach dem Tag, an dem eine nationale Aufsichts-
beho¨rde einer CCP die Zulassung zum Clearing einer OTC-
Derivatekategorie erteilt und ESMA daru¨ber unterrichtet hat,
jedoch vor dem Tag, an dem die Clearingpflicht wirksam
wird, sofern die Restlaufzeit dieser Kontrakte la¨nger ist als die
von der Kommission festgelegte Mindestrestlaufzeit (vgl.
Art. 5 Abs. 2 c EMIR).
cc) Gruppenausnahme
„Intra-Group“, also konzernintern abgeschlossene Derivatege-
scha¨fte unterliegen unter den Voraussetzungen des Art. 3 EMIR
(III. 2. b) ee)) nicht der Clearingpflicht, wenn jede der konzer-
nangeho¨rigen Gegenparteien ihre jeweils zusta¨ndige Beho¨rde
spa¨testens 30 Kalendertage vor der Inanspruchnahme der Aus-
nahme schriftlich u¨ber die Absicht, die Ausnahme in Anspruch
zu nehmen, informiert hatte (Art. 4 Abs. 2 a) EMIR)
104
. Es
bleibt zu beobachten, ob vor Inkrafttreten
105
der Clearingpflicht
oder zumindest in den na¨chsten Monaten Aufsichtsbeho¨rden
eine Mo¨glichkeit anbieten werden, Ausnahmeantra¨ge zu stellen.
dd) Nichtfinanzielle Gegenparteien u¨ber dem Schwellenwert
Nur nichtfinanzielle Gegenparteien, die den Schwellenwert (zu
diesem und seiner Berechnung s. Ziff. III. 2. b) aa) (2) (b)) u¨ber-
schreiten, sind clearingpflichtig (Art. 4 Abs. 1 a) ii) – iv) EMIR).
ee) Sonderfall: Auslandsberu¨hrung
Die EMIR geht in Art. 4 Abs. 1 a) iv) und v) u¨ber eine binnen-
marktspezifische Betrachtung hinaus und unterwirft auch Dritt-
staatenunternehmen der Clearingpflicht, wenn – so die Kon-
trollu¨berlegung – diese in einem Drittstaat ansa¨ssigen Marktteil-
nehmer in der EU einer Clearingpflicht unter EMIR unterla¨gen.
Maßgeblicher Anknu¨pfungspunkt soll sein, dass der Kontrakt
unmittelbare, substanzielle und vorhersehbare Auswirkung in-
nerhalb der Union hat oder dass – sinngema¨ß – mit den Deri-
vatekontrakten eine Umgehung der EMIR-Regelungen be-
zweckt wird. Zum Sachstand verweist ESMA auf laufende Kon-
sultationen mit Drittstaatenaufsichtsbeho¨rden, die darauf zielen,
mo¨gliche Doppelregulierungen und U¨ berlappungen mit anderen
Regelwerken wie z. B. dem Dodd-Frank Act zu vermeiden
106
.
ff) Rechtsfolge: Meldung an ESMA/BaFin und Clearingpflicht via CCP
Sobald eine nichtfinanzielle Gegenpartei Positionen in OTC-
Derivatekontrakten in einem die Clearingschwelle u¨bersteigen-
den Betrag eingeht, ist diese nichtfinanzielle Gegenpartei ver-
pflichtet, die Aufsichtsbeho¨rden zu informieren und die betrof-
fenen Derivatekontrakte zu clearen.
(1) Informationspflichten
Nichtfinanzielle Gegenparteien haben ein U¨ berschreiten der
Clearingschwelle der ESMA und der im jeweiligen Mitglied-
staat zusta¨ndigen Beho¨rde unverzu¨glich mitzuteilen (Art. 10
Abs. 1. a) EMIR). In Deutschland ist die BaFin zusta¨ndig
107
.
§ 19 Abs. 1 WpHG ordnet an, dass die Information schriftlich
zu erfolgen hat
108
.
(2) Clearingpflicht
Anders als bei der Informationspflicht ist eine nichtfinanzielle Ge-
genpartei in Bezug auf die Clearingpflicht nicht unverzu¨glich ver-
pflichtet, zu handeln. Vielmehr wird eine U¨ bergangszeit (sog.
„phase-in period“) eingera¨umt. Die nichtfinanzielle Gegenpartei
wird in Bezug auf ku¨nftige Kontrakte clearingpflichtig, wenn die
gleitende Durchschnittsposition die Clearingschwelle fu¨r einen
Zeitraum von 30 Tagen u¨berschreitet
109
; alle entsprechenden
ku¨nftigen Kontrakte sind dann innerhalb von vierMonaten, nach-
dem die Clearingpflicht wirksam wird, zu clearen
110
. Gleiches gilt
umgekehrt: Nichtfinanzielle Gegenparteien scheiden wieder aus
der Clearingpflicht aus, wenn sie nachweisen, dass ihre gleitende
Durchschnittsposition die Clearingschwelle fu¨r einen Zeitraum
von 30 Tagen nicht u¨berschreitet (Art. 10 Abs. 2 EMIR)
111
. Als
geeigneter Nachweis gilt die Bescheinigung eines Wirtschaftspru¨-
fers, eines vereidigten Buchpru¨fers oder einer Wirtschaftspru¨-
fungs- und Buchpru¨fungsgesellschaft (§ 19 Abs. 3 WpHG).
gg) Inkrafttreten der Clearingpflicht
Die Clearingpflicht kann nicht in Kraft treten, bevor eine Beho¨rde
mindestens einer
112
zentralen Gegenpartei die Zulassung/Aner-
kennung
113
zum Clearing einer OTC-Derivatekategorie erteilt
hat und ESMA innerhalb weiterer sechs Monate die Kategorien
clearingpflichtiger OTC-Derivatekategorien festgelegt hat (Art.
5 Abs. 1 und 2 EMIR). Eigenen Angaben zufolge rechnet ESMA
mit der Zulassung/Anerkennung der ersten CCPs durch die je-
weils national zusta¨ndigen Beho¨rden fru¨hestens Mitte April 2013
und spa¨testens Mitte Ma¨rz 2014
114
. Entwu¨rfe von RTS, die die
clearingpflichtigen OTC-Derivatekategorien na¨her ausformen,
sind also im Laufe der auf die CCP-Lizensierung folgenden sechs
103 Vgl. Art. 7 Abs. 3 VO (EU) Nr. 149/2013; die englische Sprachfassung spricht
genauer von „
reasonable
commercial basis“, was eher geeignet erscheint,
einer U¨ berteuerung der Clearingdienstleistungen entgegenzuwirken.
104 Fu¨r den entsprechenden Drittstaatensachverhalt vgl. Art. 4 Abs. 2 b) EMIR.
105 Pessimistisch EU-Kommission, a.a.O. (Fn. 97), Ziff. II. 8.; Gleiches gilt man-
gels gu¨ltiger RTS fu¨r die Befreiungen im Zusammenhang mit der Pflicht zur
Sicherheitenstellung bei den Risikominderungspflichten.
106 Die internationale Harmonisierung insbesondere zwischen EMIR und Dodd-
Frank Act erscheint noch wenig vorangeschritten, vgl. dazu nur Statement
des ESMA-Vorsitzenden Steven Maijoor vom 13.12.2012 (ESMA/2012/824)
sowie Formal Request der EU-Kommission an ESMA betreffend die Gleichwer-
tigkeit zwischen gesetzlichen und aufsichtlichen Rahmenbedingungen be-
stimmter Drittstaaten mit EMIR, abrufbar unter
-
tem/files/formal_request_for_technical_advice_on_equivalence.pdf [letzter
Abruf: 19. 4. 2013]; bzgl. der Abstimmung mit den einschla¨gigen US-Rege-
lungen hat ESMA bis zum 15. 6. 2013 Zeit fu¨r ihren „Technical Advice“.
107 Vgl. Art. 10 Abs. 5 EMIR i. V. mit § 18 Abs. 1 WpHG.
108 Ein Muster ist auf der Internetseite der BaFin abrufbar (
.
Mo¨glich sind auch Mitteilungen von Konzernunternehmen fu¨r in Deutsch-
land ansa¨ssige andere Unternehmen desselben Konzerns (kombinierte Mit-
teilungen).
109 Art. 10 Abs. 1 b) EMIR. Zu diesem Zeitpunkt verlangt das Gesetz eine (wei-
tere) unverzu¨gliche Informationserteilung an die BaFin, vgl. § 19 Abs. 2
WpHG. Ein Muster ist auf der Internetseite der BaFin abrufbar (
-
fin.de).
110 Art. 10 Abs. 1 c) EMIR.
111 Ein Muster ist auf der Internetseite der BaFin abrufbar
.
112 Aus Wettbewerbsgru¨nden und zur Erhaltung der Wahlfreiheit der Marktteil-
nehmer wird teilweise sogar die Zulassung/Anerkennung von mindestens
zwei CCPs verlangt.
113 Zum Verfahren der Anerkennung von CCPs aus Drittstaaten vgl. ESMA,
Practical guidance for the recognition of Third Country CCPs by ESMA vom
12. 3. 2013.
114 Der inzwischen mehrfach gea¨nderte Zeitplan der ESMA ist abrufbar unter
-
EMIR (letzter Abruf: 19. 4. 2013).
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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