zwar etwaige besondere Vertragsvereinbarungen (z. B. gem.
Ziff. 12 DRV), nicht aber z. B. der alte Besicherungsanhang
fortgelten. Insbesondere der Besicherungsanhang wird neu abge-
schlossen und fu¨r den clearingpflichtigen Teil durch die „Kun-
den-Clearing-Vereinbarung“ sowie ggf. weitere, individuellere
Vertra¨ge modifiziert
125
. Das fu¨hrt dazu, dass der bestehende
Rahmenvertrag und der u¨ber die soeben geschilderte Technik
neu geschlosse „Clearing“-Rahmenvertrag parallel gelten. Das
OTC-Derivategescha¨ft einer Partei wird also aufgespalten in ei-
nen clearingpflichtigen und einen nicht-clearingpflichtigen Teil.
Insbesondere – um nur eine der vielen Fragen herauszugreifen
– muss sichergestellt sein, dass die Margenanforderungen der
CCP auch in dem (neuen) „Clearing“-Vertrag zwischen Clea-
ringmitglied und nichtfinanzieller Gegenpartei beru¨cksichtigt
werden. Unterhalten die beiden zuletzt genannten Parteien da-
neben noch alte Rahmenvertra¨ge, unter denen weiterhin die sog.
nicht-standardisierten OTC-Gescha¨fte abgewickelt werden sol-
len, stehen sich zwei unterschiedliche Besicherungsregimes ge-
genu¨ber, die jeweils ihrer eigenen Netting-Systematik folgen.
Nichtfinanzielle Unternehmen werden u. a. zu pru¨fen haben, ob
fu¨r das so erzeugte ho¨here Besicherungserfordernis ausreichend
Sicherheiten vorhanden sind bzw. beschafft werden ko¨nnen.
U¨ ber die o. g. Vertra¨ge hinaus ko¨nnen weitere Begleitverein-
barungen (z. B. Service-Level-Vereinbarungen) zwischen Kunde
und Clearingmitglied abzuschließen sein. Eine rechtliche Pru¨-
fung der Begleitvereinbarungen muss a) EMIR-Konformita¨t si-
cherstellen und b) darauf achten, dass das Netting unter den
Rahmenvertra¨gen weiterhin insolvenzrechtlich wirksam ist.
Daru¨ber hinaus hat die Vertragspraxis Abtretungsvereinbarun-
gen entwickelt, unter denen das Clearingmitglied fu¨r den Fall der
eigenen Insolvenz sa¨mtliche Rechte, die das Clearingmitglied mit
Bezug auf den Kunden bei der CCP hat, an den Kunden abtritt
126
.
Kunden erhalten so einen zusa¨tzlichen Schutz.
3. EMIR-spezifische Mindestinhalte der Anbindungsvertra¨ge
Sowohl die indirekten als auch die direkten Clearingverein-
barungen sind von dem u¨bergreifenden Regulierungsansatz ge-
kennzeichnet, dass Margensicherheiten und Positionen der Ge-
genparteien in der (gedachten) Insolvenz eines Clearingmitglieds
(d. h. eines Kreditinstituts, das als Clearing-Broker agiert) nach
der Vorstellung des Gesetzgebers getrennt vom sonstigen Ver-
mo¨gen des Clearingmitglieds gehalten werden und u¨bertragbar
sein sollen. Ein Insolvenzverwalter u¨ber das Vermo¨gen eines
Clearingmitglieds soll also keine Verfu¨gungsbefugnis u¨ber oder
ein Anfechtungsrecht in Bezug auf die Margensicherheiten er-
halten. Insolvenzrechtlich betrachtet, sollen die Margensicher-
heiten eine Art „Sondervermo¨gensmasse“ darstellen.
a) Zwei Modelle der Kontentrennung („Segregation“)
Fragen der Insolvenzfestigkeit, U¨ bertragbarkeit und „Aussonde-
rungsfa¨higkeit“ von Vermo¨genswerten (insbesondere Margensi-
cherheiten
127
) und Positionen von Kunden bei der CCP spielen
fu¨r Gegenparteien unter EMIR eine Rolle bei der Grundsatz-
entscheidung, welches vertragliche Schutzniveau im Rahmen der
CCP-Anbindung gewa¨hlt werden soll.
Die EMIR bietet zuna¨chst Clearingmitgliedern neben der
sog. Omnibus-Kunden-Kontentrennung (Art. 39 Abs. 2
EMIR) die Mo¨glichkeit an, eine Einzelkunden-Kontentren-
nung (Art. 39 Abs. 3 EMIR) beim CCP zu wa¨hlen. In jedem
Fall sollen Vermo¨genswerte und Positionen unterscheidungs-
fa¨hig sein. Dieses Kriterium gilt als erfu¨llt, wenn i) die CCP ge-
trennte Abrechnungskonten fu¨hrt, ii) die Aufrechnung u¨ber Ab-
rechnungskonten hinweg nicht mo¨glich ist und iii) Verluste bei
einem Abrechnungskonto nicht durch Guthaben auf anderen
Konten kompensiert werden du¨rfen
128
.
Wa¨hrend die Omnibus-Kunden-Kontentrennung nur die
Mo¨glichkeit einer Unterscheidung zwischen Konten des Clea-
ringmitglieds selbst und allen anderen seiner Kunden bietet, er-
mo¨glicht die Einzelkunden-Kontentrennung insbesondere die
Differenzierung zwischen namentlich benannten unterschiedli-
chen individuellen Kunden. Art. 39 Abs. 5 EMIR fu¨hrt diese
Differenzierung dann auch entlang der Clearingkette kon-
sequent weiter und verpflichtet Clearingmitglieder, ihre Kunden
u¨ber diese Arten der Kontenwahl zu informieren und ihnen die-
se Leistungen auch anzubieten. Schließlich soll auch fu¨r die Ver-
mo¨genswerte und Positionen indirekter Kunden ein vergleich-
bares Schutzniveau sichergestellt werden
129
.
Haben Kunden mit Einzelkunden-Kontentrennung u¨ber-
schu¨ssige Margensicherheiten an die CCP geleistet, ist eine Ver-
lustverrechnung fu¨r andere Abrechnungskonten nicht zula¨ssig
(Art. 39 Abs. 6 EMIR). CCPs erhalten hingegen gem. Art. 39
Abs. 8 EMIR ein Verfu¨gungsrecht u¨ber sa¨mtliche Margen-Si-
cherheiten, wenn es sich um eine Finanzsicherheit in Form eines
beschra¨nkten dinglichen Rechts i. S. der Finanzsicherheiten-
richtlinie
130
handelt und die Nutzung derartiger Sicherungsver-
einbarungen durch „ihre Betriebsvorschriften“ (also die allgemei-
nen Gescha¨ftsbedingungen
131
) vorgesehen ist. Ob und unter
welchen Schutzmechanismen die in der Kapitalmarktpraxis
wichtige Weiterverpfa¨ndung von einmal als Sicherheiten erhal-
tenen Wertpapieren an Dritte im Wege eines unregelma¨ßigen
Pfandrechts
132
mo¨glich ist (sog. rehypothecation), wird derzeit
konsultiert und bleibt abzuwarten
133
.
b) Kontenu¨bertragung bei Ausfall eines Clearingmitglieds
(„Porting“)
Vermo¨genswerte und Positionen in getrennten Omnibus- oder
Einzelkunden-Konten mu¨ssen von der CCP bei Ausfall eines
Clearingmitglieds auf Verlangen der bzw. des Kunden und ohne
Zustimmungserfordernis des ausfallenden Clearingmitglieds auf
ein anderes, von den betreffenden Kunden benanntes Clearing-
mitglied u¨bertragen werden; die U¨ bertragungspflicht muss nach
den Vorgaben der EMIR zwingend vertraglich vereinbart wer-
den
134
. Dieses andere Clearingmitglied muss einer U¨ bertragung
jedoch zuvor zugestimmt haben. Scheitert eine U¨ bertragung,
muss die CCP die Positionen aktiv verwalten bzw. liquidieren
(Art. 48 Abs. 5 und 6 EMIR). Die Kontenu¨bertragung soll
Marktsto¨rungen vermeiden, welche durch ein (vertragliches
135
125 Vgl. z. B. Clause 2.1 der SwapClear Client Clearing Standard Terms (German
Law), Version 2.0 (Stand: 8. 10. 2012), abrufbar unter
-
net.com/swaps/swapclear_for_clients/legal_documentation.asp [letzter
Abruf: 19. 4. 2013].
126 Vgl. den englischem Recht unterliegenden Deed of Assignment (Standard)
Version 2.0 (Stand: 8. 10. 2012), abrufbar unter
/
swaps/swapclear_for_clients/legal_documentation.asp (letzter Abruf:
19. 4. 2013).
127 Vgl. Art. 39 Abs. 10 EMIR.
128 Vgl. na¨her Art. 39 Abs. 9 EMIR.
129 Art. 4 Abs. 3 EMIR; vgl. ferner Erwa¨gungsgrund 6 VO (EU) Nr. 149/2013, der
indessen einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung einra¨umt.
130 Vgl. Art. 2 Nr. 1 c) RL 2002/47/EG vom 6. 6. 2002; nach deutschem Rechts-
versta¨ndnis kommt in erster Linie eine Verpfa¨ndung in Betracht (vgl.
Boos/
Fischer
, KWG, 4. Aufl. 2012, § 1 Rdn. 240).
131 Ha¨ufig auch als Clearing-Bedingungen bezeichnet.
132 Vgl.
Palandt
, BGB, 72. Aufl. 2013, U¨ berbl vor § 1204 Rdn. 5, m. w. N.
133 Vgl. Baseler Ausschuss fu¨r Bankenaufsicht/IOSCO, Margin requirements for
non-centrally cleared derivatives (Februar 2013), S. 17.
134 Rechtlich sinnvoll (wenngleich nicht immer praktikabel) erscheint die Aus-
wahl eines zweiten („Back Up“) Clearingmitglieds bereits vor Eintritt der In-
solvenz, um Vermo¨genswerte im Bedarfsfall schnell u¨bertragen zu ko¨nnen.
135 Z. B. gem. Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 9 Abs. 1 DRV.
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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