Zahlungsverbots ebenso wenig die Rede wie von einer Befugnis der
BaFin, vertragsa¨ndernd in die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kredit-
institut und seinen Gla¨ubigern einzugreifen. § 46a KWG a. F. erwa¨hnt
den Begriff der „Stundung“ weder ausdru¨cklich, noch wird auf eine Stun-
dungswirkung durch die Verwendung vergleichbarer Begriffe wie etwa
einen durch das Zahlungsverbot bewirkten „Zahlungsaufschub“ oder eine
damit verbundene „Aussetzung fa¨lliger Leistungen“ hingewiesen
23
.
25
I
Vielmehr sind die zivilrechtlichen Folgen in § 46a Abs. 1 Satz 5
KWG a. F. (§ 46 Abs. 2 Satz 5 KWG n. F.) lediglich insoweit geregelt,
als dass Zwangsvollstreckungen, Arreste und einstweilige Verfu¨gungen
in das Vermo¨gen des Instituts wa¨hrend der Dauer der Maßnahmen nach
§ 46a KWG a. F. unzula¨ssig sind. Fu¨r die Kunden des Kreditinstituts –
wie die Kla¨gerin – ist damit zwar ersichtlich, dass dem Kreditinstitut eine
„Verschnaufpause“ gewa¨hrt werden soll und die Anordnung des Zah-
lungsverbots ein voru¨bergehendes Hindernis fu¨r die Vertragserfu¨llung
darstellt. Dass zugleich in bestehende Leistungszeitbestimmungen einge-
griffen wird, geht aber aus der Vorschrift nicht ansatzweise hervor. Ins-
besondere kann aus der bloßen Anordnung eines Zahlungsverbots in
der Krise, das der Vermeidung der Insolvenz dienen soll, nicht ohne Wei-
teres auf die hoheitliche Bewilligung einer Stundung geschlossen werden,
die Verzugsscha¨den selbst im Falle der Gesundung des Kreditinstituts
oder im Fall des Scheiterns der Sanierungsverhandlungen ausschließt.
Stundungswirkung ergibt sich nicht aus allgemeinen Vorschrif-
ten oder Rechtsgrundsa¨tzen
26
I
(2)
Auch la¨sst sich eine ipso jure eintretende Stundungswirkung im
Unterschied zu den Rechtsfolgen einer gegen das Vera¨ußerungs- und
Zahlungsverbot verstoßenden Verfu¨gung, die nach §§ 135, 136 BGB
relativ unwirksam sein soll
24
, gerade nicht aus allgemeinen Vorschriften
oder Rechtsgrundsa¨tzen ableiten. Vielmehr entspricht es den Regeln
des allgemeinen Leistungssto¨rungsrechts, dass ein voru¨bergehendes
Leistungshindernis wie ein mit Zwangsgeldandrohungen verknu¨pftes
beho¨rdliches Verbot
25
den Schuldner lediglich zeitweilig analog § 275
BGB von seiner Leistungspflicht befreit, er aber auf Ersatz des Ver-
zo¨gerungsschadens haftet, sofern er das Leistungshindernis zu vertreten
hat
26
. . . . (Wird ausgefu¨hrt.)
Gesetzessystematische Einwa¨nde gegen die Annahme einer
Stundungswirkung
27 . . . 28
I
bb)
Zu Recht erhebt die Revision gegen die Annahme
einer Stundungswirkung auch gesetzessystematische Einwa¨nde.
Eindeutige Bestimmung der Stundungswirkung in anderen
Erma¨chtigungsvorschriften
29
I
(1)
Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Stundungs-
wirkung in anderen Vorschriften, die nach einhelliger Ansicht zu einer
hoheitlich angeordneten Stundung erma¨chtigen, eindeutig bestimmt ist.
Das gilt etwa fu¨r Art. 25 Abs. 7 Satz 1 EV
27
, vor allem aber fu¨r die Ver-
ordnungserma¨chtigung des § 47 KWG.
30
I
In § 47 Abs. 1 Nr. 1 KWG hat der Gesetzgeber – anders als in
§ 46a KWG a. F. – explizit geregelt, dass die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung einem Kreditinstitut einen Aufschub fu¨r die Erfu¨l-
lung seiner Verbindlichkeiten gewa¨hren kann. Auch wird die Bundes-
regierung in Abs. 3 der Vorschrift ausdru¨cklich dazu erma¨chtigt, die
Rechtsfolgen zu bestimmen, die sich hierdurch fu¨r Fristen und Termine
auf dem Gebiet des Bu¨rgerlichen Rechts ergeben. Das Berufungsgericht
geht zwar zutreffend davon aus, dass die Diskrepanz zwischen beiden
Vorschriften allein nicht zwingend gegen eine Stundungswirkung
spricht
28
. Jedoch beru¨cksichtigt das Berufungsgericht, indem es den Un-
terschied zwischen beiden Vorschriften mit einer bloßen Regelungs-
ungenauigkeit des Gesetzgebers zu erkla¨ren versucht, nicht hinreichend,
dass der unterschiedlichen Fassung beider Bestimmungen aufgrund der
Identita¨t der in Rede stehenden Streitfrage erhebliches Gewicht fu¨r die
Auslegung des in § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG a. F. geregelten Zah-
lungsverbots zukommt
29
.
Vergleich mit dem allgemeinen Verfu¨gungsverbot im Insolvenz-
ero¨ffnungsverfahren (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO)
31
I
(2)
Gegen eine gesetzesimmanente Stundungswirkung des Zah-
lungsverbots nach § 46a KWG a. F. spricht zudem der systematische
Vergleich mit dem allgemeinen Verfu¨gungsverbot im Insolvenzero¨ff-
nungsverfahren, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO. Das insolvenzrechtliche
Verfu¨gungsverbot zielt in vergleichbarer Weise wie das Zahlungsverbot
nach § 46a KWG a. F. darauf ab, verbliebene Vermo¨genswerte im Vor-
feld der Insolvenz zu sichern, wa¨hrend gepru¨ft wird, ob eine Liquidation
no¨tig ist
30
. Das allgemeine Verfu¨gungsverbot greift jedoch nicht vertrag-
sa¨ndernd in die bestehenden schuldrechtlichen Verha¨ltnisse ein, son-
dern beschra¨nkt nur die Durchsetzbarkeit zulasten der verbliebenen
Masse
31
.
Stundungswirkung ergibt sich nicht aus Gesetzesmaterialien
32
I
cc)
Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht auch,
soweit es eine Stundungswirkung trotz grammatikalischer und
systematischer Bedenken maßgeblich auf die in den Gesetzes-
materialien zu § 46a KWG a. F. und zum Vierten Finanzmarkt-
fo¨rderungsgesetz niedergelegten Vorstellungen gestu¨tzt hat.
Erwa¨hnung der Stundungswirkung im Bericht des Finanzaus-
schusses und in der Begru¨ndung des RegE zum 4. FMFG
33
I
(1)
Allerdings ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass es
sowohl im Bericht des Finanzausschusses des Bundestags, auf
dessen Vorschlag § 46a KWG a. F. zuru¨ckgeht
32
, als auch in der
Begru¨ndung des RegE zur A¨ nderung des § 5 EAEG durch das
Vierte Finanzmarktfo¨rderungsgesetz
33
heißt, das Vera¨ußerungs-
und Zahlungsverbot habe die „Wirkung einer Stundung“. Zu-
dem la¨sst sich die Entstehungsgeschichte fu¨r eine Stundungswir-
kung insoweit ins Feld fu¨hren, als das Zahlungsverbot nach
§ 46a KWG a. F. in Anlehnung an die Parallelregelungen in
§ 89 Abs. 1 Satz 2 VAG, § 15 Satz 1 BSpkG
34
geschaffen wur-
de, fu¨r die in der Literatur bereits damals – zuru¨ckgehend auf
die Rechtsprechung des Reichsgerichts
35
– eine Stundungswir-
kung weithin anerkannt war
36
.
23 Vgl.
Lindemann
, a.a.O. (Fn. 8), § 46 Rdn. 90, 92;
Huber
, a.a.O. (Fn. 8),
S. 132.
24 H. M., s. nur
Kokemoor
, a.a.O. (Fn. 2), § 46a Rdn. 29, m. w. N.
25 Vgl. BGH-Urteil vom 28. 1. 1965 – Ia ZR 273/63, DB 1965 S. 512 = WM 1965
S. 267 (270) und vom 8. 6. 1983 – VIII ZR 77/82, DB 1983 S. 2132 = NJW
1983 S. 2873 (2874); vom 15. 7. 2009 – VIII ZR 217/06, juris, Rdn. 3, 12 –
zu § 35 Abs. 2, § 38 Abs. 1, § 46 KWG a. F.
26
Neef
, a.a.O. (Fn. 8), S. 202;
Huber
, a.a.O. (Fn. 8), S. 138 ff. i. V. mit S. 76,
94; allg. zu voru¨bergehenden Leistungshindernissen
Gru¨neberg
, a.a.O.
(Fn. 12), § 275 Rdn. 10, § 286 Rdn. 12;
Arnold
, JZ 2002 S. 866 (869);
Cana-
ris
, in: FS Huber, 2006, S. 143 (145, 162 f.);
Ernst
, in: Mu¨nchKomm-BGB,
6. Aufl., § 275 Rdn. 134, 146;
Lo¨wisch/Caspers
, in: Staudinger, BGB, Neu-
bearb. 2009, § 275 Rdn. 46, 48 f.;
Medicus
, in: FS Heldrich, 2005, S. 347
(353);
Unberath
, in: Bamberger/Roth, BeckOnlineKomm-BGB, Stand: 1. 3.
2011, § 275 Rdn. 35, 39.
27 Dazu Senatsurteil vom 9. 3. 1999 – XI ZR 318/97, DB0050767 = WM 1999
S. 902 (903).
28 So auch
Binder
, a.a.O. (Fn. 8), S. 314.
29 So auch
Lindemann
, a.a.O. (Fn. 8), § 46 Rdn. 92;
Huber
, a.a.O. (Fn. 8),
S. 133;
Binder
, EWiR 2012 S. 295 (296).
30
Manfred Obermu¨ller
, a.a.O. (Fn. 8), Rdn. 1.779 f.;
Manfred Obermu¨ller/Martin
Obermu¨ller
, a.a.O. (Fn. 8), Kap. 44 Rdn. 39 f.;
Beck
, WM 2013 S. 301 (302);
allg. insbes. zum Sicherungszweck: BT-Drucks. 7/4631 S. 8 – zu § 46a KWG
a. F.;
Vallender
, in: Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 21 Rdn. 17; a. A.
RGZ 112 S. 348 (351 f.) fu¨r § 106 KO und § 69 VAG a. F.
31
Manfred Obermu¨ller
, a.a.O. (Fn. 8);
Beck
, WM 2013 S. 201;
Binder
, a.a.O.
(Fn. 8), S. 315;
ders.
, EWiR 2012 S. 295 (296).
32 BT-Drucks. 7/4631 S. 8.
33 BT-Drucks. 14/8017 S. 141.
34 Vgl. Gegena¨ußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundes-
rates, BT-Drucks. 7/3657 S. 23.
35 RGZ 112 S. 348.
(Fn. 36 auf S. 926)
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
925