lungsanspru¨che der Gla¨ubiger analog § 275 Abs. 1 BGB. Das
erlaubt die Geltendmachung von Verzugszinsanspru¨chen fu¨r
die Dauer des Zahlungsverbots.
BGH-Urteil vom 12. 3. 2013 – XI ZR 227/12
u
DB0588239
Die Kla¨gerin begehrt von dem Beklagten als Insolvenzverwalter u¨ber
das Vermo¨gen der L. AG (im Folgenden: Schuldnerin) die Feststellung
von Verzugszinsforderungen zur Insolvenztabelle.
Die Kla¨gerin – eine Landeshauptstadt – ta¨tigte bei der Schuldnerin im
Jahr 2008 Termingeldeinlagen im Umfang von insgesamt 22 Mio. €.
Die angelegten Gelder wurden am 15. 9. 2008, am 25. 9. 2008 und am
26. 9. 2008 nebst den jeweils vereinbarten Vertragszinsen zur Auszah-
lung fa¨llig.
Am 15. 9. 2008 beantragte die Muttergesellschaft der Schuldnerin, die
L. Inc., in den USA Gla¨ubigerschutz nach Chapter 11 des Bankruptcy
Codes. Mit Bescheid vom selben Tage verha¨ngte die Bundesanstalt fu¨r
Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) gegenu¨ber der
Schuldnerin zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ein voru¨berge-
hendes Vera¨ußerungs- und Zahlungsverbot gem. § 46a Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 KWG in der bis zum 31. 12. 2010 geltenden Fassung (im Folgen-
den: § 46a KWG a. F.). Außerdem verbot die BaFin der Schuldnerin
mit sofortiger Wirkung, Zahlungen entgegenzunehmen. Zur Begru¨n-
dung wurde ausgefu¨hrt, die angeordneten Maßnahmen seien erforder-
lich, um der akuten Insolvenzgefahr der Schuldnerin zu begegnen. Die
zuku¨nftige Refinanzierung stehe bei Ero¨ffnung des Gla¨ubigerschutzver-
fahrens gegen die Muttergesellschaft oder einer entsprechenden Maß-
nahme gegen die mit der Schuldnerin verbundene britische L. (Europe)
infrage. Wegen des verha¨ngten Zahlungsverbots zahlte die Schuldnerin
weder die Termingelder noch die Vertragszinsen zu den vertraglich ver-
einbarten Fa¨lligkeitszeitpunkten an die Kla¨gerin aus.
Die Insolvenz der Schuldnerin konnte trotz der von der BaFin verha¨ng-
ten Maßnahmen nicht verhindert werden. Am 13. 11. 2008 wurde u¨ber
das Vermo¨gen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren wegen U¨ ber-
schuldung ero¨ffnet. Zugleich wurde der Beklagte zum Insolvenzverwal-
ter u¨ber das Vermo¨gen der Schuldnerin bestellt. Am 22. 1. 2009 mel-
dete die Kla¨gerin die Termingelder nebst Vertragszinsen in einer Ge-
samtho¨he von 22.384.987,11 € sowie Verzugszinsen i. H. von
195.418,48 € zur Insolvenztabelle an.
In der Folge wurde die Kla¨gerin i. H. der eingelegten Termingelder und
der Vertragszinsen im Rahmen der Einlagensicherung entscha¨digt. In-
soweit nahm sie ihre Forderungsanmeldung zuru¨ck, hielt diese aber hin-
sichtlich der Verzugszinsen aufrecht. Der Beklagte bestritt die Verzugs-
zinsforderung mit der Begru¨ndung, das Zahlungsverbot habe Stun-
dungswirkung, sodass keine Verzugszinsen geschuldet seien.
Das LG Frankfurt/M. hatte der daraufhin erhobenen Klage auf Fest-
stellung der angemeldeten Verzugszinsforderung zur Insolvenztabelle
stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hatte das OLG Frank-
furt/M. die Klage abgewiesen. Die Revision war erfolgreich. Sie fu¨hrte
zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederher-
stellung des landgerichtlichen Urteils.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Keine Stundungswirkung des von der BaFin erlassenen Zah-
lungsverbots nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG a. F.
1 . . . 13
I
I.
. . .
II.
Das Berufungsgericht hat den Verzugszins-
anspruch der Kla¨gerin zu Unrecht mit der Begru¨ndung abge-
lehnt, das von der BaFin erlassene Zahlungsverbot nach § 46a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG a. F. habe Stundungswirkung. Die
Anordnung des voru¨bergehenden Zahlungsverbots fu¨hrte richti-
gerweise nur zu einem voru¨bergehenden Leistungshindernis.
Dieses ließ die Leistungszeit fu¨r die Erfu¨llung der Anspru¨che
der Kla¨gerin, gerichtet auf Auszahlung der Termingeldeinlagen
nebst den vereinbarten Vertragszinsen (§ 488 Abs. 1 Satz 2
BGB), unberu¨hrt und bewirkte lediglich eine voru¨bergehende
rechtliche Unmo¨glichkeit analog § 275 Abs. 1 BGB. Das erlaubt
die Geltendmachung von Verzugszinsanspru¨chen.
Unterschiedliche Beurteilung der zivilrechtlichen Wirkungen
des Zahlungsverbots in Rechtsprechung und Literatur
14
I
1.
Nach § 46a Abs. 1 Satz 1 KWG a. F. konnte die BaFin bei
bestehender Insolvenzgefahr zur Vermeidung eines Insolvenzver-
fahrens voru¨bergehend ein Vera¨ußerungs- und Zahlungsverbot an
ein Kreditinstitut erlassen (Nr. 1), die Schließung des Instituts fu¨r
den Verkehr mit der Kundschaft anordnen (Nr. 2) sowie die Ent-
gegennahme von Zahlungen verbieten (Nr. 3), sofern nach § 46
Abs. 1 Satz 1 KWGa. F. entweder die Erfu¨llung der Verpflichtun-
gen des Kreditinstituts gegenu¨ber seinen Gla¨ubigern gefa¨hrdet
war oder Zweifel an einer wirksamen Aufsicht bestanden. Die zi-
vilrechtlichen Wirkungen des Zahlungsverbots nach § 46a Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 KWG a. F., das seit dem 1. 1. 2011 mit lediglich mo-
difizierten Eingriffsvoraussetzungen in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
KWG n. F. geregelt ist
1
, fu¨r die Fa¨lligkeit der gegen das Kredit-
institut gerichteten Forderungen werden in Rechtsprechung und
Literatur unterschiedlich beurteilt.
15
I
a)
Die ganz u¨berwiegende Auffassung in der Literatur geht davon
aus, das Zahlungsverbot nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG a. F. sei
ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die Stundung sa¨mt-
licher gegen das Kreditinstitut gerichteter Forderungen bewirke. An-
spru¨che der Gla¨ubiger seien daher wa¨hrend der Dauer des Zahlungsver-
bots nicht fa¨llig; Sekunda¨ranspru¨che mangels Fa¨lligkeit ausgeschlossen
2
.
Dabei stu¨tzt sich die herrschende Auffassung maßgeblich auf die Be-
gru¨ndung des Berichts des Finanzausschusses zu § 46a KWG a. F.
3
und die Begru¨ndung des RegE zum Vierten Finanzmarktfo¨rderungs-
gesetz
4
. Zudem wird darauf verwiesen, dass bereits das Reichsgericht in
seiner Entscheidung vom 22. 1. 1926
5
fu¨r die Parallelregelung im Ver-
sicherungsaufsichtsrecht nach § 69 VAG a. F. (§ 89 Abs. 1 Satz 2
VAG n. F.) angenommen habe, das Zahlungsverbot bedeute eine von
der zusta¨ndigen Beho¨rde bewilligte Stundung
6
.
16
I
b)
Demgegenu¨ber lehnt die Gegenauffassung, der sich das LG an-
geschlossen hat
7
, eine Stundung im Wesentlichen unter Hinweis auf
den Gesetzeswortlaut, die nur knappe Erwa¨hnung einer Stundungswir-
kung in den Gesetzesmaterialien, Wertungsgesichtspunkte und den sys-
tematischen Vergleich der Vorschrift mit § 47 KWG ab
8
. Gegen eine
Stundungswirkung spreche zudem ein Vergleich mit insolvenzrecht-
lichen Vorschriften, insbesondere mit den § 46a KWG a. F. funktional
1 Art. 2 Nr. 10, Nr. 11, Art. 17 Satz 2 des Restrukturierungsgesetzes, BGBl. I
2010 S. 1900 (1911, 1932).
2
Kokemoor
, in: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, 2009, § 46a Rdn. 28 f.;
ders.
,
WM 2005 S. 1881 (1886 f.);
Fischer
, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bank-
rechts-Handbuch, 4. Aufl., § 133 Rdn. 20;
ders.
, EWiR 2012 S. 709 (710);
Haß/Herweg
, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 46a Rdn. 22 f., 50;
Becker
,
in: Reischauer/Kleinhans, KWG, Erg.-Lfg. 6/09, § 46a Rdn. 5;
Nirk
, KWG,
13. Aufl., S. 64 f.;
Pannen
, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl.,
Kap. 1 Rdn. 83 ff.;
Schaaf
, GWR 2012 S. 188;
Schwenk
, jurisPR-BKR 6/2008
Anm. 6;
Haug
, in: Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, 6. Aufl., § 46a Rdn. 4a;
Willemsen
, in: Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, § 46a Rdn. 10 f.;
Zietsch
, WM 2007 S. 954 (956 f.).
3 BT-Drucks. 7/4631 S. 8.
4 BT-Drucks. 14/8017 S. 141.
5 RGZ 112 S. 348 (350 f.).
6 Ebenso RArbG, JW 1933 S. 796 f.; OLG Stettin, VerAfP 24 S. 185 (186); a. A.
Kammergericht, JRPV 1931 S. 30 (31).
7 LG Frankfurt/M., Urteil vom 5. 8. 2011 – 2-25 O 109/11, WM 2012 S. 403.
8
Lindemann
, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 46 Rdn. 92
ff.;
Binder
, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts-
und Insolvenzrecht, 2005, S. 314;
ders.
, EWiR 2012 S. 295 (296);
Geier
, ZBB
2010 S. 289 (290);
Huber
, Die Normen des Kreditwesengesetzes zur Verhin-
derung einer Bankinsolvenz und ihre Auswirkungen auf das Giroverha¨ltnis,
1987, S. 127;
Neef
, Einlagensicherung bei Bankinsolvenzen, 1980, S. 202 f.;
Beck
, WM 2013 S. 301 (302 f.);
Blank
, GWR 2012 S. 353;
Manfred Obermu¨ller
,
Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rdn. 1.779 f.;
Manfred Obermu¨l-
ler/Martin Obermu¨ller
, Ko¨lner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Kap. 44
Rdn. 39 f.
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
923