DER BETRIEB 21 - page 28

des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG fu¨r den Abzug der
Geldbuße, also die Abscho¨pfung des wirtschaftlichen Vorteils
und die Nichtberu¨cksichtigung der auf den wirtschaftlichen Vor-
teil entfallenden Ertragsteuern, ohne Ru¨cksicht auf die subjekti-
ve Vorhersehbarkeit am Bilanzstichtag objektiv vorliegen
146
.
Nach dem FG Rheinland-Pfalz erfordert die Bildung einer
Ru¨ckstellung wegen eines von der EU-Kommission aufgrund
der Beteiligung an einem Preis- und Mengenkartell eingeleiteten
Verfahrens, dass das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8
EStG nicht gilt, weil am Bilanzstichtag die Bemessung der
Geldbuße unter Abscho¨pfung des wirtschaftlichen Vorteils und
der Nichtberu¨cksichtigung der auf das Bußgeld entfallenden Er-
tragsteuern hinreichend wahrscheinlich ist
147
. In der Praxis
scheitert die Bildung einer Ru¨ckstellung ha¨ufig daran, dass am
Bilanzstichtag noch offen ist, nach welchen Maßsta¨ben die
Buße festgesetzt und ob dabei die auf die wirtschaftlichen Vor-
teile entfallende steuerliche Belastung rechnerisch einbezogen
wird
148
.
Nach einer ju¨ngeren Ansicht soll es auf derartige Prognosen
gar nicht ankommen, weil der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 8 Satz 4 EStG voraussetze, dass „der wirtschaftliche Vorteil,
. . . „
abgescho¨pft worden
ist“ und „die Steuern vom Einkommen
und Ertrag . . .
nicht abgezogen worden sind
“, sodass der steuerlich
anzuerkennende Abscho¨pfungsbetrag erst in dem Zeitpunkt be-
ru¨cksichtigt werden ko¨nne, in dem die Geldbuße tatsa¨chlich
festgestellt worden sei
149
. Das Argument ist rein sprachlich zu-
treffend, achtet aber den Grundsatz periodengerechter Gewinn-
besteuerung gering. Das FG Mu¨nster hat die Frage dahin stehen
lassen, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG entsprechend
dieser Ansicht ein generelles Ru¨ckstellungsverbot entha¨lt
150
. Da-
zu und zu der Frage, ob eine Ru¨ckstellung des im Bußgeld ent-
haltenen wirtschaftlichen Vorteils nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8
Satz 4 EStG ausscheidet, wenn die Entstehung eines solchen
Vorteils seitens des Stpfl. gegenu¨ber der Kommission verneint,
im Besteuerungsverfahren nicht nachgewiesen wurde und sich
auch sonst nicht feststellen la¨sst, ist die Revision beim IV. Senat
des BFH anha¨ngig (Az. des BFH: IV R 4/12). Diese Rspr. setzt
praktisch ein Gesta¨ndnis im Kartellverfahren oder zumindest ge-
genu¨ber den Finanzbeho¨rden u¨ber die Kartellgewinne voraus.
Mit der Revision hat der BFH in Ku¨rze Gelegenheit, zu den
Grundfragen der Ru¨ckstellungsbildung fu¨r Bußgelder Stellung
zu nehmen. Auch insoweit sollten entsprechende Verfahren of-
fengehalten werden.
IV. Verfahrensrechtliche Fragen des Betriebsausgaben-
abzugs von Geldbußen
Neben der materiellen Steuerfolge stellt sich fu¨r die Unterneh-
mens- und Beratungspraxis auch die verfahrensrechtliche Frage,
ob, wie und wann die Finanzbeho¨rde von Geldbußen und ande-
ren unter das Abzugsverbot fallenden Sanktionen erfa¨hrt. Zu
den Informationswegen und -quellen u¨ber relevante Sanktionen
za¨hlen in erster Linie Beho¨rden und Gerichte, die ihrerseits In-
formationspflichten, z. B. nach den Anordnungen u¨ber Mittei-
lungen in Strafsachen (MiStra) erfu¨llen. Auch kommen Kon-
trollmitteilungen (§ 194 Abs. 3 AO) aufgrund von Außenpru¨-
fungen in Betracht
151
. Direkte Informationen ergeben sich aus
der Rechnungslegung des Unternehmens, z. B. aus Ru¨ckstellun-
gen fu¨r Rechtsrisiken. Eine weitere Informationsquelle u¨ber
Sanktionen, die unter das Abzugsverbot fallen ko¨nnen, ergeben
sich aus internen Unterlagen etwa der Compliance-Abteilung,
mit denen der Unternehmensleitung Rechtsversto¨ße im Unter-
nehmen erla¨utert werden. Immerhin unterliegen nicht nur nach
§ 147 AO aufbewahrungspflichtige Unterlagen, sondern nach
h. M. auch Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle der Vor-
lagepflicht an die Finanzbeho¨rde im Rahmen einer Außenpru¨-
fung
152
. Diese Sicht wird im Zeitalter der Compliance neue Be-
gehrlichkeiten nach Vorlage unternehmensinterner Unterlagen
wecken.
Bei den bleibenden verfahrensrechtlichen Fragen im Zusam-
menhang mit dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8
EStG
153
ist die Feststellungslast zu nennen. Allgemein trifft den
Stpfl. die Feststellungslast fu¨r Betriebsausgaben als steuermin-
dernde Tatsachen
154
. Im Besonderen trifft ihn die objektive Be-
weislast, dass die Voraussetzungen des abzugsero¨ffnenden Aus-
nahmetatbestandes des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG er-
fu¨llt sind
155
. Die Finanzverwaltung legt dem Stpfl. die Darstel-
lungs- und Feststellungslast
156
fu¨r den partiellen Abzug von
Geldbußen auf (R 4.13 (3) Satz 3 EStR 2008). Danach sind der
Finanzbeho¨rde eingehende Einblicke in die unternehmerischen
Unterlagen Voraussetzung fu¨r den partiellen Abzug. Sie stehen
unter dem strafbewehrten Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30
AO, § 355 StGB), sodass – anders als bei Ausfu¨hrungen zu ab-
gescho¨pften Mehrerlo¨sen im Bußgeldverfahren
157
– daraus kein
eigenes Risiko privater Schadenersatzklagen nach Abschluss des
Kartellverfahrens erwa¨chst.
Rechtspolitisch ist schließlich eine bessere Verfahrensver-
schra¨nkung zu erwa¨gen. Das BVerfG hat zwar den Ball zuna¨chst
den Fachgerichten zugespielt, dafu¨r Sorge zu tragen, dass der er-
langte Vorteil nicht mehrfach, na¨mlich sowohl bei der Berech-
nung des abzuscho¨pfenden Betrags als auch bei der Besteuerung,
zulasten des Ta¨ters beru¨cksichtigt wird
158
. Aus materieller Sicht
hat es fu¨r den Fall einer Diskrepanz zwischen der Rspr. der
Strafgerichte und der der FG bereits bemerkt, es sei Sache des
Gesetzgebers diese zu beseitigen
159
. Diese Beobachtungspflicht
gilt gleichermaßen fu¨r das Verfahrensrecht. Die Schwierigkeiten
der FG, die Erwa¨gungen der Bußgeldbeho¨rden zu einer Ab-
scho¨pfung dem Grunde und der Ho¨he nach sowie ihren (fehlen-
den) Vorstellungen u¨ber die Steuerfolgen zu ergru¨nden, offen-
baren zumindest ein verfahrensrechtliches Optimierungspotenzi-
al
160
. Sofern dieses nicht allein mit Fortbildungsveranstaltungen
u¨ber die Steuerfolgen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG
und die dahinterstehende Rspr. des BVerfG zu befriedigen ist,
sollte zumindest fu¨r die besonders streitanfa¨lligen Kartellbußen
u¨ber die Sicherstellung eines hinreichenden interbeho¨rdlichen
Informationsaustausches nachgedacht werden.
146 BFH vom 9. 6. 1999, a.a.O. (Fn. 128), Rdn. 14.
147 FG Rheinland-Pfalz vom 15. 7. 2003 – 2 K 2377/01, EFG 2003 S. 1602. Die
dagegen eingelegte NZB hatte Erfolg, aber das Revisionsverfahren wurde
nach Ru¨cknahme der Rev. eingestellt (BFH vom 25. 5. 2005 – VIII R 11/05).
148 Vgl. auch zur – zu verneinenden – Frage der Wertaufhellung durch den Buß-
geldbescheid nur BFH vom 15. 3. 2000, a.a.O. (Fn. 145), Rdn. 20 ff., 24.
149 So – ohne Beru¨cksichtigung der vorzitierten Entscheidungen –
Bruschke
,
DStZ 2009 S. 489 (491).
150 FG Mu¨nster vom 18. 11. 2011 – 14 K 1535/09 F, EFG 2012 S. 1030, Rdn. 41.
151 Vgl. zur LSt-Pflicht BFH vom 22. 7. 2008 – VI R 47/06, BStBl. II 2009 S. 151
= DB 2008 S. 2627, Rdn. 5.
152 BFH vom 24. 6. 2009 – VIII R 80/06, BStBl. 2010 S. 452 (453) = DB 2009
S. 2136; a. A.
Dru¨en
, a.a.O. (Fn. 8), § 147 AO Rdn. 3 (Juni 2012), m. w. N.
153 Zu Billigkeitsverfahren fu¨r Veranlagungszeitra¨ume vor Anfu¨gung des § 4
Abs. 5 Satz Nr. 8 Satz 4 EStG vgl. (im zweiten Rechtsgang) BFH vom 23. 3.
2011, a.a.O. (Fn. 85), fu¨r die Streitjahre 1975 und 1976 (!).
154 Statt aller
Heinicke
, a.a.O. (Fn. 86), § 4 Rdn. 480, m. w. N.
155
So¨hn
, a.a.O. (Fn. 9), § 4 Rdn. N 76 (Mai 1995);
Wied
, a.a.O. (Fn. 88), § 4
EStG Rdn. 890 (Okt. 2010).
156 So
Kruschke
, a.a.O. (Fn. 23), § 4 EStG Anm. 1712, 1733 (Okt. 2011).
157 Dazu
Eilers/Esser-Wellie/Ortmann/Schubert
, Ubg 2008 S. 661 (668).
158 BVerfG vom 23. 1. 1990, a.a.O. (Fn. 76), Rdn. 39.
159 BVerfG vom 23. 1. 1990, a.a.O. (Fn. 76), Rdn. 39.
160 Erhellend sind die Schilderungen in den einschla¨gigen Entscheidungen u¨ber
die Heranziehung der Bußgeldakten und Zeugenvernehmungen von Mit-
arbeitern der (Kartell-)Beho¨rden.
1140
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...86
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