DER BETRIEB 21 - page 42

garische Leva (BGN) abgezogen hatte. Zum Zeitpunkt der Streichung
aus dem Register verfu¨gte das Unternehmen u¨ber diese Fahrzeuge
sowie u¨ber andere Fahrzeuge, die es angeschafft hatte und hinsichtlich
deren es Vorsteuer abgezogen hatte. Die Steuerbeho¨rde stellte in ihrem
Steuerpru¨fungsbescheid vom 27. 4. 2011 fest, dass Marinov zum Zeit-
punkt der Streichung mit diesen Vermo¨gensgegensta¨nden steuerbare
Umsa¨tze i. S. von Art. 111 ZDDS bewirkt habe.
Was die Fahrzeuge von Marinov anbelangte, stellte die Steuerverwal-
tung in Anwendung von Art. 27 Abs. 3 Nr. 2 ZDDS die Bemessungs-
grundlage fu¨r die MwSt unter Heranziehung des nach einem Gutachten
ermittelten „Normalwerts“ der Fahrzeuge fest und erhob auf der Grund-
lage dieses Werts MwSt i. H. von 32 124,57 BGN.
Nachdem der Direktor den Einspruch von Marinov gegen den Steuer-
pru¨fungsbescheid zuru¨ckgewiesen hatte, erhob das Unternehmen Klage
beim Administrativen sad Varna. Vor diesem ru¨gt es die Bewertung der
Vermo¨gensgegensta¨nde nach deren „Normalwert“. Da es die Auffas-
sung vertritt, dass die nach der Anschaffung dieser Vermo¨gensgegen-
sta¨nde eingetretene Wertminderung zu beru¨cksichtigen gewesen wa¨re,
beantragt es die Erstellung eines Gutachtens, um den Wert der Gegen-
sta¨nde gema¨ß den zum Zeitpunkt der Streichung aus dem Register gel-
tenden Rechnungslegungsstandards zu ermitteln.
Der Beklagte des Ausgangsverfahrens tritt der Klage entgegen und macht
geltend, dass der nach den nationalen Rechtsvorschriften zu beru¨cksichti-
gende Normalwert dem Anschaffungswert, auf den Art. 74 MwStSystRL
Bezug nehme, entspreche, da es sich um den Preis handle, der durch die
Nachfrage und das Angebot auf dem Markt bestimmt werde.
Das vorlegende Gericht, das die Steuerbemessungsgrundlage und die
Ho¨he der geschuldeten MwSt zu ermitteln hat, mo¨chte wissen, ob
Art. 27 Abs. 3 Nr. 2 ZDDS, der die Beru¨cksichtigung des Normalwerts
der Vermo¨gensgegensta¨nde vorschreibt, mit den Art. 18 Buchst. c, 74
und 80 MwStSystRL vereinbar ist.
Es mo¨chte zuna¨chst wissen, ob die Streichung aus dem MwSt-Register
nach Art. 106 Abs. 1 ZDDS in den Anwendungsbereich von Art. 18
Buchst. c MwStSystRL fa¨llt.
Falls dies der Fall ist, mo¨chte es weiter wissen, ob Art. 27 Abs. 3 Nr. 2
ZDDS, wonach die Steuerbemessungsgrundlage der Normalwert der
Vermo¨gensgegensta¨nde ist, zum einen mit Art. 74 MwStSystRL und
zum anderen mit Art. 80 MwStSystRL, der die Fa¨lle aufza¨hlt, in denen
der Normalwert als Steuerbemessungsgrundlage dienen kann, vereinbar
ist. Bejahendenfalls mo¨chte es wissen, ob Art. 74 MwStSystRL unmit-
telbar anwendbar ist.
Schließlich weist es darauf hin, dass das bulgarische Gesetz den Zustand
der Vermo¨gensgegensta¨nde nicht beru¨cksichtigt, und mo¨chte daher
fu¨r den Fall, dass Art. 74 MwStSystRL unmittelbar anwendbar ist,
wissen, inwiefern die Wertminderungen, die nach der Anschaffung
der Vermo¨gensgegensta¨nde eingetreten sind, bei der Ermittlung der
MwSt-Bemessungsgrundlage fu¨r Umsa¨tze i. S. von Art. 18 Buchst. c
MwStSystRL zu beru¨cksichtigen sind.
In Anbetracht dessen hat der Administrativen sad Varna beschlossen,
das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 18 Buchst. c MwStSystRL dahin auszulegen, dass er auch die
Fa¨lle umfasst, in denen die Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen
Ta¨tigkeit darauf zuru¨ckzufu¨hren ist, dass aufgrund einer Streichung
aus dem Register die Mo¨glichkeit entfa¨llt, dass der Stpfl. MwSt in
Rechnung stellt und abzieht?
2. Stehen die Art. 74 und 80 MwStSystRL einer nationalen Bestimmung
entgegen, die in den Fa¨llen einer Aufgabe der steuerbaren wirtschaft-
lichen Ta¨tigkeit vorsieht, dass die Steuerbemessungsgrundlage fu¨r den
Umsatz der Normalwert der zum Zeitpunkt der Streichung aus dem
Register vorhandenen Vermo¨gensgegensta¨nde ist?
3. Hat Art. 74 MwStSystRL unmittelbare Wirkung?
4. Sind die La¨nge des Zeitraums vom Zeitpunkt des Kaufs der Ver-
mo¨gensgegensta¨nde bis zum Zeitpunkt der Aufgabe der steuerbaren
wirtschaftlichen Ta¨tigkeit sowie die Wertminderungen, die nach der
Anschaffung der Vermo¨gensgegensta¨nde eingetreten sind, bei der Er-
mittlung der Steuerbemessungsgrundlage nach Art. 74 MwStSystRL
von Bedeutung?
AUS DEN GRU¨ NDEN
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Zur ersten Frage
1 . . . 24
I
Mit seiner ersten Frage mo¨chte das vorlegende Gericht
wissen, ob Art. 18 Buchst. c MwStSystRL dahin auszulegen ist,
dass er auch diejenige Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen
Ta¨tigkeit betrifft, die sich aus der Streichung des Stpfl. aus dem
MwSt-Register ergibt.
25
I
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 18 Buchst. c
MwStSystRL mit Ausnahme der in Art. 19 MwStSystRL ge-
nannten Fa¨lle der Besitz von Gegensta¨nden durch einen Stpfl.
oder seine Rechtsnachfolger bei Aufgabe seiner der Steuer unter-
liegenden wirtschaftlichen Ta¨tigkeit einer Lieferung gegen Ent-
gelt gleichgestellt werden kann, wenn diese Gegensta¨nde zum
Vorsteuerabzug berechtigt haben.
26
I
Aus dem Wortlaut von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL geht
hervor, dass dieser den Fall der Aufgabe der steuerbaren wirt-
schaftlichen Ta¨tigkeit ohne Unterscheidung nach den Ursachen
oder den Umsta¨nden der Aufgabe allgemein erfasst und lediglich
die in Art. 19 MwStSystRL genannten Fa¨lle ausschließt.
27
I
Das Hauptziel von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL besteht
na¨mlich darin, zu verhindern, dass Gegensta¨nde, die zum Vor-
steuerabzug berechtigt haben, nach der Aufgabe der steuerbaren
Ta¨tigkeit – aus welchen Gru¨nden oder unter welchen Umsta¨n-
den sie auch erfolgt sein mag – einem unversteuerten Endver-
brauch zugefu¨hrt werden.
28
I
Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18
Buchst. c MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass er auch diejenige
Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen Ta¨tigkeit erfasst, die sich
aus der Streichung des Stpfl. aus dem MwSt-Register ergibt.
Zur zweiten und zur vierten Frage
29
I
Mit seiner zweiten und seiner vierten Frage, die gemeinsam
zu pru¨fen sind, fragt das vorlegende Gericht, ob die Art. 74 und
80 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen
Bestimmung entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall der Auf-
gabe der steuerbaren wirtschaftlichen Ta¨tigkeit die Steuerbemes-
sungsgrundlage fu¨r den Umsatz der „Normalwert“ der zum Zeit-
punkt der Aufgabe vorhandenen Gegensta¨nde ist, und die die
Wertentwicklung dieser Gegensta¨nde zwischen dem Zeitpunkt
ihrer Anschaffung und jenem der Aufgabe der steuerbaren wirt-
schaftlichen Ta¨tigkeit nicht beru¨cksichtigt.
30
I
Hierzu ist festzustellen, dass die Ermittlung der Steuerbe-
messungsgrundlage fu¨r einen Umsatz wie den nach Art. 18
Buchst. c MwStSystRL unter Art. 74 und nicht unter Art. 80
MwStSystRL fa¨llt. Nach der Rspr. des Gerichtshofs sind na¨m-
lich die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 80 MwStSystRL
erscho¨pfend und ko¨nnen nationale Rechtsvorschriften nicht auf
der Grundlage dieser Bestimmung vorsehen, dass die Steuerbe-
messungsgrundlage in anderen als den in dieser Bestimmung
aufgeza¨hlten Fa¨llen der Normalwert des Umsatzes ist
1
. Aus dem
Vorlagebeschluss geht aber nicht hervor, dass sich der Sachver-
1 Vgl. EuGH-Urteil vom 26. 4. 2012 – Rs. C-621/10 und Rs. C-129/11, Balkan
and Sea Properties und Provadinvest, DB 2012 S. 1308 (Ls.), noch nicht in
der amtlichen Sammlung vero¨ffentlicht, Rdn. 45, 51 und 52.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
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