nicht gegen die Annahme, dass es nur auf Erwerbsvorga¨nge in-
nerhalb der (weiteren) Annahmefrist ankommen ko¨nne. Aus
der U¨ bernahmerichtlinie lasse sich lediglich entnehmen, dass
ein zeitlicher Zusammenhang mit dem U¨ bernahmeangebot be-
stehen und aus den nationalen Vorschriften mo¨glichst klar her-
vorgehen mu¨sse, wann die Voraussetzungen fu¨r einen Squeeze-
out erfu¨llt seien.
IV. Bewertung
Die Entscheidung des BGH u¨berzeugt weder in der Argumen-
tation noch im Ergebnis
18
. Vorzugswu¨rdig ist eine Weiterent-
wicklung der bislang ganz herrschenden Ansicht, die ein Errei-
chen der 95%-Schwelle innerhalb der dreimonatigen Antrags-
frist des § 39a Abs. 4 Satz 1 WpU¨ G ausreichen la¨sst. Bei A¨ nde-
rungen des Angebots innerhalb der letzten zwei Wochen vor
Ablauf der Annahmefrist hat der Aktiona¨r eine U¨ berlegungsfrist
von zwei Wochen. Auch die weitere Annahmefrist des § 16
Abs. 2 Satz 1 WpU¨ G fu¨hrt zu einer Verla¨ngerung der Ange-
botsfrist um zwei Wochen. Aus systematischen Gru¨nden ist es
daher folgerichtig, wenn auch die 95%-Schwelle bis zwei Wo-
chen vor Ende der dreimonatigen Antragsfrist erreicht werden
muss (s. dazu nachstehend unter IV. 2. und 4.).
1. Wortlaut
Anders als der BGH meint, spricht bereits der Wortlaut von
§ 39a Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G fu¨r die Mo¨glichkeit, die
95%-Schwelle noch nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist zu
erreichen. Gem. § 39a Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G kann ein Bieter,
dem Aktien der Zielgesellschaft i. H. von mindestens 95% des
stimmberechtigten Grundkapitals geho¨ren, nach einem U¨ ber-
nahme- oder Pflichtangebot einen Squeeze-out-Antrag stellen.
Das Wort „nach“ stellt einen Anfangspunkt fu¨r ein Zeitfenster
dar und la¨sst den Endpunkt offen. Es o¨ffnet also einen Zeitraum
und beschreibt, entgegen der Entscheidung des BGH, keinen
Zeitpunkt. Der Zeitraum wird vom Gesetzgeber in § 39a Abs. 4
Satz 1 WpU¨ G auf drei Monate beschra¨nkt, in denen der Antrag
gestellt werden kann. Wann die Schwelle von 95% erreicht wer-
den muss, la¨sst der Gesetzgeber offen. Der Wortlaut von § 39a
Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G setzt somit nur voraus, dass der Bieter die
95%-Schwelle im Antragszeitpunkt erreicht hat. Wenn der
BGH annimmt, die 95%-Schwelle mu¨sse bereits zu einem fru¨-
heren Zeitpunkt erreicht sein, liest er ein zusa¨tzliches Erforder-
nis in § 39a Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G hinein, fu¨r das sich im Geset-
zeswortlaut kein Anhaltspunkt findet.
2. Systematik
Auch die systematischen Erwa¨gungen des BGH u¨berzeugen
nicht. Der BGH geht nicht darauf ein, dass der Gesetzgeber an
anderer Stelle im WpU¨ G selbst zwischen dem Ablauf der wei-
teren Annahmefrist und dem Erreichen der 95%-Schwelle diffe-
renziert. § 23 Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G, der die vom Bieter zu ver-
o¨ffentlichenden Bekanntmachungen regelt, sieht neben den Be-
kanntmachungen nach Ablauf der Annahmefrist (Nr. 2) und
nach Ablauf der weiteren Annahmefrist (Nr. 3) ausdru¨cklich ei-
ne weitere Bekanntmachung nach Erreichen der 95%-Schwelle
vor (Nr. 4). Einer gesonderten Bekanntmachung ha¨tte es nicht
bedurft, wenn ein Squeeze-out ohnehin nur dann in Betracht
ka¨me, wenn der Bieter schon bei Ablauf der weiteren Annahme-
frist mindestens 95% des Grundkapitals ha¨lt
19
. Dann wa¨re sie in
der Bekanntmachung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpU¨ G au-
tomatisch mit enthalten gewesen. Der Umstand, dass die Be-
kanntmachungspflicht bei Erreichen der 95%-Schwelle durch
das U¨ bernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz als neue Nr. 4 im
Anschluss an die zwingend zeitlich gestaffelten Nrn. 1-3 einge-
fu¨gt wurde, legt ein Versta¨ndnis des Gesetzgebers nahe, dass die
95%-Schwelle regelma¨ßig erst im Anschluss an die Bekannt-
machung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpU¨ G erreicht wird.
Auch vor diesem Hintergrund spricht der Wortlaut von § 39a
Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G („nach“) deutlich fu¨r die Mo¨glichkeit, die
95%-Schwelle nach Ende der weiteren Angebotsfrist erreichen
zu ko¨nnen.
Das vom BGH unter Hinweis auf systematische U¨ berlegun-
gen vorgebrachte Argument, den Minderheitsaktiona¨ren werde
im WpU¨ G durchweg die Mo¨glichkeit eingera¨umt, von ihren
Rechten nach sorgfa¨ltiger U¨ berlegung Gebrauch zu machen,
vermag nicht zu u¨berzeugen. Bereits der Annahme des BGH,
der Gesetzgeber halte zwingend eine U¨ berlegungsfrist von drei
Monaten fu¨r erforderlich, kann nicht gefolgt werden. Dabei wi-
derspricht der BGH ausdru¨cklich seiner eigenen richtigen Fest-
stellung, dass die Frist fu¨r die Ausu¨bung des Andienungsrechts
nach dem Gesetzeswortlaut gerade ab dem Ende der Annahme-
frist und nicht vom Erreichen der 95%-Schwelle an la¨uft. Das
WpU¨ G sieht fu¨r das Angebotsverfahren an keiner Stelle eine
dreimonatige U¨ berlegungsfrist vor. Wa¨hlt der Bieter die Min-
destfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G, haben die Aktiona¨re
nur vier Wochen Zeit, um u¨ber die Annahme des Angebots zu
entscheiden. Steht das Angebot erst einmal im Raum, sind die
Aktiona¨re „vorgewarnt“ und konnten sich mit dem Thema be-
reits auseinandersetzen. Wird eine A¨ nderung des Angebots in-
nerhalb der letzten zwei Wochen vor Ablauf der Annahmefrist
vero¨ffentlicht, verla¨ngert sich die Annahmefrist daher gem. § 21
Abs. 5 Satz 1 WpU¨ G nur um zwei Wochen. Auch die weitere
Annahmefrist des § 16 Abs. 2 Satz 1 WpU¨ G betra¨gt nur zwei
Wochen. Das gesamte Angebot kann somit in einem Zeitraum
von weniger als drei Monaten abgeschlossen werden. Systema-
tisch stimmig wa¨re es daher, den verbliebenen Minderheitsaktio-
na¨ren auch fu¨r das Andienungsrecht des § 39c WpU¨ G eine
U¨ berlegungsfrist von zwei Wochen zuzubilligen.
Selbst wenn man mit dem BGH davon ausginge, den Min-
derheitsaktiona¨ren mu¨sse in diesem Ausnahmefall ein dreimona-
tiger U¨ berlegungszeitraum zur Verfu¨gung stehen, ha¨tte dies
nicht erfordert, fu¨r die 95%-Schwelle auf das Ende der weiteren
Annahmefrist abzustellen. Es wa¨re ohne Weiteres mo¨glich ge-
wesen, die Regelung des § 39c Satz 2 WpU¨ G entsprechend an-
zuwenden und die U¨ berlegungsfrist mit der Bekanntmachung
nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpU¨ G beginnen zu lassen. Der
BGH beschra¨nkt sich dagegen auf die schlichte Feststellung, die
Fristverla¨ngerung in § 39c Satz 2 WpU¨ G betreffe nur den Fall,
dass der Bieter seine Bekanntmachungspflicht gem. § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 oder Satz 2 WpU¨ G nicht erfu¨lle. Auf die nahelie-
gende Mo¨glichkeit einer Analogie, um die Unvollkommenheit
des Gesetzes aufzulo¨sen, geht er nicht ein. So kommt der BGH
zu dem Ergebnis, dass es fu¨r die verbliebenen Minderheitsaktio-
na¨re besser sei, ein Recht gar nicht zu haben, als u¨ber die Aus-
u¨bung des Rechts weniger als drei Monate nachdenken zu ko¨n-
nen.
Die weiteren systematischen Erwa¨gungen des BGH ko¨nnen
die Entscheidung ebenfalls nicht tragen. Der BGH unterliegt
einem Zirkelschluss mit seiner Feststellung, das U¨ bernahme-
18 Kritisch auch
Bungert/Meyer,
EWiR 2013 S. 189 (190);
Merkner/Sustmann,
NZG 2013 S. 374 (376 ff.);
Seiler/Rath,
AG 2013 S. 252 (253 ff); anders da-
gegen
Bro¨cker
, GWR 2013 S. 113, nach dessen Ansicht die Argumente des
BGH „einschra¨nkungslos u¨berzeugen“.
19 Vgl. LG Frankfurt/M. vom 15. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 12), ZIP 2011 S. 2469
(2470).
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
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