RA Dr. Matthias Hentzen / RA Dr. Oliver Rieckers, beide Du¨sseldorf
U¨ bernahmerechtlicher Squeeze-out –
ein Nachruf?
– Zugleich Anmerkung zu BGH-Urteil vom 18. 12. 2012 – II ZR 198/11, DB 2013 S. 338 –
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DB0591291
I. Einfu¨hrung
Minderheitsaktiona¨re ko¨nnen auf drei Wegen ausgeschlossen
werden: dem traditionellen aktienrechtlichen Squeeze-out
(§§ 327a ff. AktG), dem durch das 3. UmwGA¨ ndG
1
eingefu¨hr-
ten umwandlungsrechtlichen Squeeze-out (§ 62 Abs. 5 UmwG)
und dem u¨bernahmerechtlichen Squeeze-out (§§ 39a ff.
WpU¨ G). Die Vorschriften u¨ber den u¨bernahmerechtlichen
Squeeze-out wurden 2006 zur Umsetzung von Art. 15 und 16
der U¨ bernahmerichtlinie
2
durch das U¨ bernahmerichtlinie-Um-
setzungsgesetz
3
in das WpU¨ G eingefu¨gt. Sie sollen aus Sicht des
Gesetzgebers im Anschluss an ein U¨ bernahme- oder Pflicht-
angebot einen zu¨gigen und kostengu¨nstigen Ausschluss verblei-
bender Minderheitsaktiona¨re ermo¨glichen
4
.
Anders als beim aktienrechtlichen und beim umwandlungs-
rechtlichen Squeeze-out ist beim u¨bernahmerechtlichen Squee-
ze-out fu¨r die U¨ bertragung der von den Minderheitsaktiona¨ren
gehaltenen Aktien auf den Hauptaktiona¨r kein Hauptversamm-
lungsbeschluss erforderlich. Die U¨ bertragung erfolgt durch Ge-
richtsbeschluss. Ausschließlich zusta¨ndig hierfu¨r ist das LG
Frankfurt/M. (§ 39a Abs. 5 WpU¨ G). Der Bieter muss den aus-
scheidenden Minderheitsaktiona¨ren eine angemessene Abfin-
dung gewa¨hren. Insoweit unterscheidet sich der u¨bernahme-
rechtliche Squeeze-out nicht von den anderen beiden Squeeze-
out-Varianten. Allerdings gilt die im Rahmen des U¨ bernahme-
oder Pflichtangebots gewa¨hrte Gegenleistung als angemessene
Abfindung, wenn der Bieter aufgrund des Angebots Aktien i.
H. von 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erwor-
ben hat (§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpU¨ G). Da das WpU¨ G keine
Verfahrensregelungen fu¨r die anderweitige Bestimmung einer
angemessenen Abfindung vorsieht, kommt ein u¨bernahmerecht-
licher Squeeze-out faktisch nur in Betracht, wenn die Vorausset-
zungen des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpU¨ G erfu¨llt sind. Liegen die
Voraussetzungen der Angemessenheitsvermutung vor, wird die
Abfindung nicht in einem Spruchverfahren u¨berpru¨ft
5
. Die Ver-
fassungsma¨ßigkeit der Angemessenheitsvermutung wurde ju¨ngst
vom BVerfG besta¨tigt
6
.
Als Gegenstu¨ck zu dem Recht des Bieters, gem. § 39a
WpU¨ G einen Ausschluss der Minderheitsaktiona¨re zu beantra-
gen (U¨ bernahmerecht), sieht § 39c WpU¨ G ein Andienungs-
recht zugunsten der Aktiona¨re vor, die das Angebot nicht ange-
nommen haben. Sie ko¨nnen das Angebot nachtra¨glich inner-
halb von drei Monaten nach Ablauf der (weiteren) Annahme-
frist annehmen (Andienungsrecht), sofern der Bieter berechtigt
ist, einen Antrag auf u¨bernahmerechtlichen Squeeze-out nach
§ 39a WpU¨ G zu stellen. Hierdurch soll der Druck, das Ange-
bot wa¨hrend der Annahmefrist anzunehmen, vermindert wer-
den
7
.
II. Bestandsaufnahme
Obwohl der u¨bernahmerechtliche Squeeze-out aus Sicht des
Bieters attraktiv ist, da weder eine Anfechtungsklage noch ein
langwieriges Spruchverfahren droht, ist seine praktische Be-
deutung bislang a¨ußerst gering. In den mehr als sechs Jahren
seit Inkrafttreten der Regelung sind gerade einmal sieben Fa¨lle
bekannt geworden
8
, von denen bislang nur vier erfolgreich ab-
geschlossen wurden
9
. Die Gru¨nde hierfu¨r du¨rften zuna¨chst in
den strengen Anforderungen des § 39a WpU¨ G zu sehen sein.
Wie beim aktienrechtlichen Squeeze-out stellt auch hier der
erforderliche Anteilsbesitz von mindestens 95% des stimm-
berechtigten Grundkapitals eine hohe Hu¨rde dar. Gleiches gilt
fu¨r die 90%-Schwelle im Rahmen der Angemessenheitsver-
mutung.
Daneben du¨rfte eine nicht unerhebliche Rolle spielen, dass
der Zeitbedarf fu¨r das Ausschlussverfahren schwer vorhersehbar
ist. Fu¨r den aktienrechtlichen und den umwandlungsrechtlichen
Squeeze-out steht ein Freigabeverfahren mit Verfahrenskonzen-
tration beim OLG zur Verfu¨gung (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6
Satz 7 AktG). Eine Eintragung und damit ein Wirksamwerden
des Ausschlusses la¨sst sich daher regelma¨ßig in weniger als sechs
Monaten seit dem Tag der Hauptversammlung erreichen. Dem-
gegenu¨ber muss der Hauptaktiona¨r beim u¨bernahmerechtlichen
Squeeze-out zumeist durch mehrere Instanzen gehen, bis der
Ausschluss mit der rechtskra¨ftigen Entscheidung wirksam wird.
Der Gesetzgeber hat im Zuge der Reform des Rechts der frei-
willigen Gerichtsbarkeit durch das FamFG
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zusa¨tzlich die
Rechtsbeschwerdeinstanz fu¨r den u¨bernahmerechtlichen Squee-
ze-out ero¨ffnet (vgl. § 70 FamFG), sodass sich der Bieter auf
mitunter drei Instanzen einstellen muss. Wa¨hrend fu¨r die erste
und zweite Instanz insgesamt mit einem Zeitraum von rund ei-
nem Jahr gerechnet werden kann, ist derzeit fu¨r eine Rechts-
beschwerdeentscheidung des BGH mindestens ein weiteres Jahr
Dr. Matthias Hentzen
und
Dr. Oliver Rieckers
sind Partner im
Du¨sseldorfer Bu¨ro der Sozieta¨t Hengeler Mueller.
1 Drittes Gesetz zur A¨ nderung des Umwandlungsgesetzes (3. UmwGA¨ ndG) vom
11. 7. 2011, BGBl. I S. 1338.
2 RL 2004/25/EG des europa¨ischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004
betreffend U¨ bernahmeangebote, ABlEU L 142.
3 Gesetz zur Umsetzung der RL 2004/25/EG des Europa¨ischen Parlaments und
des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend U¨ bernahmeangebote (U¨ bernahme-
richtlinie-Umsetzungsgesetz – U¨ bernRLUG) vom 8. 7. 2006, BGBl. I S. 1426.
4 Begr. RegE, BT-Drucks.16/1003 S. 14.
5 Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. 5. 2009 – 20 W 13/08, Mu¨ller Weingar-
ten, DB 2009 S. 1583 = ZIP 2009 S. 1059 (1060); OLG Celle, Beschluss vom
25. 3. 2010 – 9 W 17/10, Deutsche Hypothekenbank, ZIP 2010 S. 830 (831).
6 BVerfG-Beschluss vom 16. 5. 2012 – 1 BvR 96/09, Deutsche Hypotheken-
bank, ZIP 2012 S. 1408 (1410); zustimmend
Bungert/Meyer
, EWiR 2012
S. 539 (540);
Haarmann
, BB 2012 S. 2782 (2783).
7 Begr. RegE, BT-Drucks.16/1003 S. 14.
8 Mu¨ller Weingarten AG, Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), In-
terhyp AG (zuru¨ckgenommen), Ku¨hlhaus Zentrum Aktiengesellschaft, Tog-
num AG, vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste Aktiengesellschaft (weiter
rechtsha¨ngig), CinemaxX AG (gescheitert in erster Instanz).
9 Mu¨ller Weingarten AG, Ku¨hlhaus Zentrum Aktiengesellschaft (jeweils in ers-
ter Instanz erfolgreich, ohne dass Beschwerde eingelegt wurde); Deutsche
Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft) (in zweiter Instanz erfolgreich), Tog-
num AG (außergerichtlicher Vergleich in der Rechtsbeschwerdeinstanz).
10 Gesetz u¨ber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. 12. 2008, BGBl. I S. 2586.
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
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