DER BETRIEB 21 - page 46

ressortfremden Beho¨rde obliegt, lediglich dienende Funktion ge-
genu¨ber der Steuerfestsetzung
14
.
. . . bei ressortfremden Grundlagenbescheiden
33
I
(3)
Die im Anwendungsbereich des § 171 Abs. 10 AO bei
sog. ressortfremden Grundlagenbescheiden bestehende Rege-
lungslu¨cke ist dadurch zu schließen, dass derartige Grundlagen-
bescheide ebenso wie die in § 171 Abs. 3, 4 bis 6, 9 und 13 AO
ausdru¨cklich geregelten Sachverhalte nur dann eine Ablaufhem-
mung begru¨nden, wenn die Bekanntgabe dieser Grundlagen-
bescheide noch vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist fu¨r die
Steuer, fu¨r die der Grundlagenbescheid bindend ist, erfolgt. Da-
mit tra¨gt der Senat den vom BVerwG
15
und im Schrifttum
16
ge-
a¨ußerten Bedenken gegen eine zeitlich unbegrenzte Ablaufhem-
mung bei ressortfremden Grundlagenbescheiden Rechnung.
Kein Widerspruch zur Neuregelung des § 4 Nr. 20a UStG
34
I
(4)
Der teleologischen Reduktion des § 171 Abs. 10 AO bei
der Bekanntgabe ressortfremder Grundlagenbescheide steht die
mit Wirkung ab 1. 1. 2011 in Kraft getretene Neuregelung in § 4
Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG nicht entgegen. Zwar gilt fu¨r die
Erteilung der in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG genannten Be-
scheinigung § 181 Abs. 1 und 5 AO entsprechend. Die erst nach
den Streitjahren in Kraft getretene Neuregelung ist jedoch fu¨r die
Beurteilung, ob nach der in den Streitjahren bis 1992 bestehenden
Rechtslage eine Regelungslu¨cke vorlag und ob der Gesetzgeber
eine in den Streitjahren bestehende Regelungslu¨cke fu¨r spa¨tere
Besteuerungszeitra¨ume geschlossen hat, nicht von Bedeutung.
Keine unionsrechtswidrige Beschra¨nkung der Steuerbefreiung
35
I
c)
Entgegen der Auffassung der Kla¨gerin fu¨hrt diese Aus-
legung nicht zu einer Beschra¨nkung der unionsrechtlich vor-
gegebenen Steuerbefreiung. Unionsrechtliche Grundlage der
Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 20 (kulturelle Dienstleistungen)
und § 4 Nr. 21 UStG (Privatschulen) ist Art. 13 RL
77/388/EWG. Unionsrechtliche Anspru¨che werden aber nur im
Rahmen der jeweils geltenden innerstaatlichen Verfahrensvor-
schriften gewa¨hrleistet
17
. Auch der Hinweis der Kla¨gerin auf die
sog. „Emmotschen Fristenhemmung“ nach dem EuGH-Urteil
vom 25. 7. 1991
18
fu¨hrt zu keiner anderen Beurteilung. Denn
diese setzt voraus, dass die entsprechende RL nicht ordnungs-
gema¨ß in nationales Recht umgesetzt worden und die Geltend-
machung des Anspruchs unzumutbar erschwert oder versperrt
war
19
. Im Streitfall ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Kla¨gerin
von der Beantragung der Grundlagenbescheide in nicht verja¨hr-
ter Zeit abgehalten worden ist.
Anrufung des Großen Senats nicht erforderlich, . . .
36
I
Der Senat weicht entgegen der Auffassung der Kla¨gerin in
dem nach Schluss der mu¨ndlichen Verhandlung eingegangenen
Schriftsatz vom 25. 2. 2013 nicht i. S. des § 11 FGO von den
BFH-Urteilen vom 13. 12. 1985
20
und vom 9. 8. 1983
21
ab. Eine
Anrufung des Großen Senats des BFH ist daher entgegen der
Auffassung der Kla¨gerin nicht erforderlich.
. . . da keine Abweichung in entscheidungserheblicher Rechts-
frage
37
I
d)
Eine Abweichung liegt nur bei einer entscheidungserheb-
lichen Rechtsfrage vor
22
und setzt daher einen gleichen oder ver-
gleichbaren Sachverhalt voraus
23
. Liegen den Entscheidungen
unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, ergeben sich daraus an-
dere rechtliche Wertungen und die Beurteilung anderer Rechts-
fragen. Bei Ausfu¨hrungen, die verallgemeinernd u¨ber den ent-
schiedenen Fall hinausgehen, handelt es sich mithin allenfalls
um ein obiter dictum, das regelma¨ßig die Annahme einer Ab-
weichung i. S. des § 11 FGO nicht indiziert
24
. Eine Anrufung
des Großen Senats ist in diesem Falle nicht erforderlich
25
.
Keine divergierenden Entscheidungen durch den III. Senat,
den VIII. Senat . . .
38
I
e)
Weder der III. Senat noch der VIII. Senat des BFH ha-
ben u¨ber die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage der
Wirkungen eines nach Eintritt der Festsetzungsfrist erlassenen
Grundlagenbescheides entschieden. (. . .)
. . . und den IV. Senat des BFH
39 . . . 41
I
f)
Aus denselben Gru¨nden liegt auch keine Abwei-
chung vom BFH-Urteil vom 14. 4. 1988
26
vor, weil dieses Urteil
eine Fallgestaltung betrifft, in der die Festsetzungsverja¨hrung
noch nicht eingetreten war. Soweit der IV. Senat daru¨ber hinaus
ausgefu¨hrt hat, eine zeitliche Beschra¨nkung fu¨r die Anwendung
des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ergebe sich lediglich aus den
Vorschriften u¨ber die Festsetzungsverja¨hrung (§ 169 Abs. 1
Satz 1 AO) und u¨ber die Feststellungsverja¨hrung (§ 181 AO)
und im „u¨brigen ist eine A¨ nderung des Folgebescheids nach
§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nur ausgeschlossen, wenn die Vo-
raussetzungen fu¨r eine Verwirkung vorliegen“, war dies nicht
entscheidungserheblich.
42
I
g)
Ohne Erfolg ru¨gt die Kla¨gerin, der Senat setze sich in Wi-
derspruch zu „Regelungen im Anwendungserlass“ zu § 175 Abs. 1
Satz 1 AO und den UStR zu § 4 Nr. 21 UStG bzw. dem nach-
folgenden UStAE. Denn hierbei handelt es sich um sog. norm-
interpretierende Verwaltungsvorschriften, denen keine Rechts-
normqualita¨t zukommt und die die Gerichte nicht binden
27
.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext-Urteil online: DB0593512.
14 BT-Drucks. VI/1982 S. 157; z. B. BFH-Urteil vom 12. 6. 2002 – XI R 26/01,
BStBl. II 2002 S. 681 = DB 2002 S. 2089; vom 31. 10. 2000 – VIII R 14/00,
BStBl. II 2001 S. 156 = DB 2001 S. 742.
15 BVerwG-Urteil vom 11. 10. 2006 – 10 C 4/06, NJW 2007 S. 714.
16 Vgl. z. B.
Kruse
, a.a.O. (Fn. 11), § 171 AO Rdn. 93; a. A.
Bannitza
, in:
Hu¨bschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rdn. 206.
17 Vgl. BFH-Urteil vom 16. 9. 2010 – V R 46/09, DB0467284.
18 EuGH-Urteil vom 25. 7. 1991 – Rs. C-208/90, Emmot, EuGHE 1991 S. I-4269,
HFR 1993 S. 137.
19 BFH-Urteil vom 21. 3. 1996 – XI R 36/95, BStBl. II 1996 S. 399 = DB 1996
S. 1452.
20 BFH-Urteil vom 13. 12. 1985 – III R 204/81, BStBl. II 1986 S. 245 = DB 1986
S. 1158.
21 BFH-Urteil vom 9. 8. 1983 – VIII R 55/82, BStBl. II 1984 S. 86 = DB 1984
S. 278.
22 Z. B. BFH-Beschluss vom 21. 10. 1985 – GrS 2/84, BStBl. II 1986 S. 207 =
DB 1986 S. 461; Urteil vom 15. 2. 2012 – XI R 24/09, BFHE 236 S. 267 = DB
2012 S. 1015, unter II. 4.; vom 17. 9. 2002 – IX R 68/98, BStBl. II 2003 S. 2
= DB 2002 S. 2520, unter II. 1. b).
23 Z. B. BFH-Beschluss vom 5. 3. 1979 – GrS 5/77, BStBl. II 1979 S. 570 = DB
1979 S. 1130; Urteil vom 9. 8. 1989 – I R 181/85, BStBl. II 1989 S. 990 =
DB 1990 S. 24, unter II. 3. c (4).
24 Vgl. dazu BFH-Urteil vom 2. 9. 2008 – VIII R 2/07, BStBl. II 2010 S. 25 = DB
2009 S. 149, unter II. 2. e).; vom 15. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 22); vom 26. 5.
1993 – X R 72/90, BStBl. II 1993 S. 855 = DB 1993 S. 2107; Beschluss vom
22. 7. 1977 – III B 34/74, BStBl. II 1977 S. 838 = DB 1978 S. 56;
Gra¨ber/
Ruban
, FGO, 7. Aufl., § 11 Rdn. 11, m. w. N.
25 Z. B. BFH-Urteil vom 31. 7. 1990 – VII R 60/89, BFHE 162 S. 1 = BStBl. II
1990 S. 1071; vom 9. 8. 1989, a.a.O. (Fn. 23).
26 BFH-Urteil vom 14. 4. 1988 – IV R 219/85, BStBl. II 1988 S. 711 = DB 1988
S. 1883.
27 Vgl. BFH-Beschluss vom 4. 12. 2008 – XI B 250/07, BFH/NV 2009 S. 394;
vom 19. 1. 2010 – VIII R 40/06, BStBl. II 2011 S. 254 = DB 2010 S. 758;
vom 26. 4. 1995 – XI R 81/93, BStBl. II 1995 S. 754 = DB 1995 S. 1896.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...86
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