anzusetzen, sodass bei vollem Instanzenzug ein Zeitraum von
mindestens zwei Jahren beno¨tigt wird.
Die geringe praktische Relevanz des u¨bernahmerechtlichen
Squeeze-out du¨rfte schließlich auch an einer Reihe von
Rechtsfragen liegen, die – ob zu Recht oder zu Unrecht auf-
geworfen – bislang nicht abschließend entschieden wurden
11
.
Hierzu za¨hlte bislang die Frage, zu welchem Zeitpunkt der
Bieter die fu¨r den Ausschluss der Minderheitsaktiona¨re erfor-
derliche Schwelle von 95% des stimmberechtigten Grundkapi-
tals der Zielgesellschaft erreicht haben muss. Nach ganz herr-
schender Ansicht reicht es aus, wenn die 95%-Schwelle inner-
halb der dreimonatigen Antragsfrist des § 39a Abs. 4 Satz 1
WpU¨ G erreicht wird
12
. Teilweise wird einschra¨nkend verlangt,
dass ein „enger zeitlicher Zusammenhang“ mit dem Angebot
bestehen mu¨sse, ohne dass dieser abschließend konkretisiert
wird
13
. Die bislang nur vereinzelt vertretene Gegenansicht
sieht das Ende der weiteren Annahmefrist als maßgeblich an
14
.
Der BGH hat die Frage nunmehr u¨berraschend i. S. der zu-
letzt genannten Ansicht entschieden
15
.
III. Entscheidung des BGH
Die Entscheidung des BGH ist nicht in einem Squeeze-out-
Verfahren gem. §§ 39a, 39b WpU¨ G ergangen. Vielmehr hatte
der BGH u¨ber die Revision in einem Fall zu entscheiden, in
dem der Kla¨ger ein Andienungsrecht gem. § 39c WpU¨ G gel-
tend machte. In dem betreffenden Fall hielt der Bieter am Ende
der weiteren Annahmefrist (§ 16 Abs. 2 WpU¨ G) Aktien i. H.
von rund 88% des stimmberechtigten Grundkapitals. Etwa acht
Wochen spa¨ter erwarb der Bieter Aktien i. H. von weiteren 10%
des stimmberechtigten Grundkapitals hinzu, wodurch er die
95%-Schwelle u¨berschritt.
Trotz U¨ berschreitens der
95%-Schwelle stellte der Bieter keinen Squeeze-out-Antrag und
lehnte auch das Ansinnen des Kla¨gers ab, dessen Aktien zum
Angebotspreis zu erwerben.
Das LG Berlin wies die Klage ab, da der Bieter die wei-
teren 10% des stimmberechtigten Grundkapitals nicht in ei-
nem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der
(weiteren) Annahmefrist erworben habe
16
. Das Kammergericht
schloss sich dem an
17
. Die vom Kla¨ger eingelegte Revision
wurde nunmehr vom BGH zuru¨ckgewiesen. Der BGH fu¨hrt
in den Entscheidungsgru¨nden aus, ein U¨ bernahmerecht nach
§ 39a Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G – und damit ein Andienungs-
recht nach § 39c WpU¨ G – bestehe nur, wenn dem Bieter bei
Ablauf der (weiteren) Annahmefrist Aktien der Zielgesellschaft
i. H. von mindestens 95% des stimmberechtigten Grundkapi-
tals geho¨rten oder die Voraussetzungen des § 39a Abs. 4
Satz 2 WpU¨ G erfu¨llt seien. Ob weitergehend sogar zu fordern
sei, dass die 95%-Schwelle schon innerhalb der urspru¨nglichen
Annahmefrist erreicht werden mu¨sse, la¨sst der BGH ausdru¨ck-
lich offen.
Den Wortlaut des § 39a Abs. 1 Satz 1 WpU¨ G sieht der
BGH insoweit als unergiebig an. Er beruft sich auf systematische
Gesichtspunkte. Den Minderheitsaktiona¨ren werde im WpU¨ G
durchweg die Mo¨glichkeit eingera¨umt, von ihren Rechten nach
sorgfa¨ltiger U¨ berlegung Gebrauch zu machen. Dies sei nicht ge-
wa¨hrleistet, wenn der Erwerb von weiteren Aktien durch den
Hauptaktiona¨r nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist das
Andienungsrecht begru¨nden ko¨nnte. Der Aktiona¨r ha¨tte dann
keine U¨ berlegungsfrist von drei Monaten mehr, wie sie ihm
durch § 39c WpU¨ G an sich eingera¨umt werde. Die U¨ berle-
gungsfrist wu¨rde sogar ganz entfallen, wenn der Bieter die fu¨r
das U¨ bernahmeverfahren erforderliche Beteiligungsho¨he erst am
Ende der Annahmefrist des § 39a Abs. 4 Satz 1 WpU¨ G errei-
che. Auch der Sinn und Zweck des § 39a WpU¨ G spreche gegen
die Einbeziehung von Erwerben innerhalb von drei Monaten
nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist. Habe der Bieter bei
Ablauf der Fristen fu¨r die Annahme des Angebots nach § 16
WpU¨ G die erforderliche 95%-Schwelle nicht erreicht, sei das
U¨ bernahme- oder Pflichtangebot in Bezug auf die Mo¨glichkeit,
Minderheitsaktiona¨re in dem vereinfachten Verfahren des
WpU¨ G ausschließen zu lassen, nicht erfolgreich gewesen. Es be-
stehe deshalb kein Anlass, dem Bieter noch die Mo¨glichkeit zu
geben, das U¨ bernahmerecht zu verla¨ngern, indem er Aktien
nachkaufe. Die Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3
Satz 2 WpU¨ G verliere mit zunehmendem Zeitablauf an U¨ ber-
zeugungskraft. Aus dem Sinn und Zweck des Andienungsrechts
ergebe sich nichts anderes. Das Andienungsrecht der Minder-
heitsaktiona¨re sei durch die Bezugnahme auf § 39a WpU¨ G an
das U¨ bernahmerecht gekoppelt. Es gehe nicht weiter als das
U¨ bernahmerecht. Zwar geno¨ssen Aktiona¨re demnach nicht
mehr den Schutz des § 39c WpU¨ G beim nachtra¨glichen Aufbau
einer 95%-Mehrheit. Das sei aber hinzunehmen, da es auch au-
ßerhalb von o¨ffentlichen Angeboten vorkomme, dass sich Aktio-
na¨re einer im Laufe der Zeit entstandenen Mehrheitsbeteiligung
von 95% gegenu¨bersa¨hen.
Dieser Auslegung stu¨nden die Gesetzesmaterialien nicht
entgegen. Der Gesetzgeber habe zwar in der Begru¨ndung des
U¨ bernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes ausgefu¨hrt, dass der
Bieter die 95%-Schwelle auch durch Transaktionen im engen
zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot erreichen ko¨nne.
Es ha¨tte jedoch eine ausdru¨ckliche gesetzliche Regelung nahe-
gelegen, wenn der Gesetzgeber mit dem engen zeitlichen Zu-
sammenhang die Dreimonatsfrist des § 39a Abs. 4 Satz 1
WpU¨ G gemeint ha¨tte. Der Begriff des engen zeitlichen Zu-
sammenhangs deute eher darauf hin, dass ein ku¨rzerer als der
Dreimonatszeitraum gemeint sei. Dann spreche aber nichts ge-
gen ein Abstellen allein auf die (weitere) Annahmefrist. Hier-
durch werde die Rechtsunsicherheit vermieden, die entstu¨nde,
wenn der enge zeitliche Zusammenhang auch dann noch ange-
nommen wu¨rde, wenn die (weitere) Annahmefrist schon abge-
laufen sei. Schließlich spreche auch die U¨ bernahmerichtlinie
11 So auch
Seiler
, in: Assmann/Po¨tzsch/U.H. Schneider, WpU¨ G, 2. Aufl. 2013,
§ 39a Rdn. 33.
12 OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 21. 5. 2012 – WpU¨ G 10/11, Tognum, ZIP
2012 S. 1602 (1605); LG Frankfurt/M., Beschluss vom 15. 11. 2011 – 3-5 O
53/11, ZIP 2011 S. 2469 (2470 f.); vom 13. 3. 2009 – 3-5 O 328/08, Inter-
hyp, ZIP 2009 S. 1422 (1423);
Grunewald
, in: Mu¨nchKomm-AktG, 3. Aufl.
2011, § 39a WpU¨ G Rdn. 20;
Hasselbach
, in: Ko¨lnKomm-WpU¨ G, 2. Aufl. 2010,
§ 39a Rdn. 46;
Holzborn/Mu¨ller
, in: Bu¨rgers/Ko¨rber, AktG, 2. Aufl. 2011, Anh
§ 327a/§§ 39a-39c WpU¨ G Rdn. 7;
Merkner/Sustmann
, in: Baums/Thoma,
WpU¨ G, Stand: Mai 2012, § 39a Rdn. 18;
Noack/Zetzsche
, in: Schwark/Zim-
mer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 39a WpU¨ G Rdn. 9;
Ott
, WM 2008 S. 388;
Paef-
gen
, WM 2007 S. 765 (766);
Santelmann,
in: Steinmeyer/Ha¨ger, WpU¨ G, 3.
Aufl. 2013, § 39a Rdn. 10;
Schu¨ppen/Tretter
, in: Haarmann/Schu¨ppen,
WpU¨ G, 3. Aufl. 2008, § 39a Rdn. 17;
Seiler
, a.a.O. (Fn. 11), § 39a Rdn. 48 f.;
Widder
, EWiR 2012 S. 641 (642).
13 LG Berlin, Urteil vom 11. 12. 2008 – 93 O 22/08, ZIP 2010 S. 884 (885 f.):
Zeitraum von zwei Monaten nach Ablauf der weiteren Annahmefrist zu lang;
s. auch
Bork
, NZG 2011 S. 650 (651);
Deilmann
, NZG 2007 S. 721 (722);
A.
Meyer
, WM 2006 S. 1135 (1142);
Mu¨ller-Michaels
, in: Ho¨lters, AktG, 2011,
§ 39a WpU¨ G Rdn. 6.
14
Heidel/Lochner
, in: Heidel, AktG, 3. Aufl. 2011, § 39a WpU¨ G Rdn. 20;
Merkt
,
in: FS U.H. Schneider, 2011, S. 811 (821);
ders.
, EWiR 2010 S. 303; wohl
auch
Su¨ßmann
, in: Geibel/Su¨ßmann, WpU¨ G, 2. Aufl. 2008, § 39a Rdn. 8.
15 BGH-Urteil vom 18. 12. 2012 – II ZR 198/11, DB 2013 S. 338 = ZIP 2013
S. 308 = WM 2013 S. 303 = NZG 2013 S. 223 = BB 2013 S. 588, m. Anm.
Der-
lin
; ebenso jetzt LG Frankfurt/M., Beschluss vom 19. 2. 2013 – 3-05 O
116/12, CinemaxX, ZIP 2013 S. 625 (627).
16 LG Berlin vom 11. 12. 2008, a.a.O. (Fn. 13).
17 KG, Urteil vom 11. 8. 2011 – 2 U 3/09, Beck RS 2013, 02470.
1160
Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013