VI. Zusammenfassung und Fazit
Die Beispiele zeigen, dass zwar grds. bei der Dreijahresveranla-
gung dieselbe Zahl von Sockelbetra¨gen gewa¨hrt werden sollte,
die auch bei drei Einjahresveranlagungen gewa¨hrt wu¨rden, ggf.
sogar drei Sockelbetra¨ge. Allerdings ist zuzugestehen, dass bei
Wechsel von positiven und negativen Ergebnissen wa¨hrend des
Dreijahreszeitraums durch die dann mo¨gliche vollsta¨ndige Sal-
dierung der Verluste auch wieder relative Vorteile fu¨r die betrof-
fenen Stpfl. resultieren ko¨nnen. Diese Saldierung entspricht
dem Grundgedanken des § 11 KStG. Es zeigt sich aber auch,
dass damit keine gleichma¨ßige Besteuerung gesichert ist. Es gibt
Fa¨lle, in denen die drei Einjahresveranlagungen gu¨nstiger sind
und es gibt Fa¨lle, in denen die Dreijahresveranlagung zu einer
niedrigeren Belastung fu¨hrt. Einleuchtende sachliche Gru¨nde
hierfu¨r gibt es nicht. Dies gilt erst recht fu¨r das Ergebnis, wo-
nach vor allem Stpfl. besonders hart von der Mindestbesteue-
rung getroffen werden, die mit stark schwankenden Einkommen
und Verlusten rechnen mu¨ssen. Weshalb gerade sie dazu beitra-
gen sollen, in Verlustfa¨llen die Steuereinnahmen des Staats zu
„verstetigen“, kann weder sachlich noch steuersystematisch be-
gru¨ndet werden. Denn der Staat hat keine Hemmungen, in Fa¨l-
len mit negativen und positiven Jahreseinkommen bei sehr ho-
hen positiven Einkommen auch sehr hohe Steuern einzuneh-
men, also dann nicht zu „verstetigen“, sondern u¨berproportional
im Vergleich zu den Verlustfa¨llen seine Steuereinnahmen wach-
sen zu lassen.
Jede zeitliche Begrenzung bei der Erfolgsermittlung eines
fortgefu¨hrten Betriebs zerschneidet zusammengeho¨rige Sachver-
halte. Es kann nicht verfassungsgema¨ß sein, dass eine KapGes.,
die trotz mehr als zehnja¨hriger Liquidation
19
ihre aufgelaufenen
Verluste nicht tilgen und vermutlich ihre anderen Gla¨ubiger zu
Forderungsverzicht oder Stundung auffordern muss, dennoch zu
erheblich ho¨heren KSt-Zahlungen gezwungen wird als sie ein-
treten, wenn der gesamte Liquidationszeitraum – hier von neun
oder gar zehn Jahren – beru¨cksichtigt wird.
Die von der Finanzgerichtsbarkeit akzeptierte Behauptung,
der Staat sei auf „Verstetigung“ der Steuereinnahmen angewie-
sen, ist vom Gesetzgeber in der Vergangenheit mehrfach ekla-
tant selbst ad absurdum gefu¨hrt worden. So betrug das KSt-Auf-
kommen 2000 noch knapp 24 Mrd. €. Die Systema¨nderung bei
der KSt fu¨hrte dann dazu, dass im Jahre 2001 ein negatives Auf-
kommen von knapp 0,5 Mrd. € zu verzeichnen war
20
. Wa¨hrend
2007 noch knapp 23 Mrd. € KSt eingenommen wurden, waren
es 2008 nur noch knapp 16 Mrd. €, weil der Gesetzgeber selbst
eine Minderung des KSt-Satzes um 40% verfu¨gt hatte, na¨mlich
von 25% auf 15%. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn derartige
A¨ nderungen dadurch kompensiert werden sollen, dass insolvente
KapGes. letztlich auf Verluste KSt entrichten sollen, wie dies
nach den BFH-Urteilen vom 22. 8. 2012 und 20. 9. 2012
21
ge-
schehen ist. Die jetzt diskutierten Fa¨lle belegen, dass bei jeder
der denkbaren Lo¨sungen eine unterschiedliche Besteuerung ver-
gleichbarer Sachverhalte eintreten kann. Die Prinzipien der
Gleichma¨ßigkeit und Folgerichtigkeit der Besteuerung zwingen
aus diesen und den weiteren bekannten Gru¨nden
22
dazu, auf die
Mindestbesteuerung zu verzichten.
Die rein begrifflich orientierte BFH-Rspr. sollte keinen Be-
stand haben, nachdem der BFH selbst den endgu¨ltigen Verlust
von Verlustabzu¨gen als verfassungsgema¨ß erkla¨rt hat, obwohl in
der Begru¨ndung des Gesetzes ausdru¨cklich betont wurde, dass
mit der Mindestbesteuerung kein endgu¨ltiger Verlust des Ab-
zugspotentials beabsichtigt sei
23
. Diese restriktive Haltung zeigt
sich auch im aktuellen Urteil. Wer Beispielsrechnungen zu Rate
zieht, erkennt, dass hiermit vergleichbare Fa¨lle ungleich behan-
delt werden. Da wohl auch der Gesetzgeber zu einer Abschaf-
fung der Mindestbesteuerung nicht bereit sein du¨rfte, bleibt nur
die Hoffnung auf das BVerfG.
Redaktionelle Hinweise:
l
Zur Mindestbesteuerung vgl. auch
Bareis,
DB 2013 S. 144 =
DB0572957;
l
Volltext-Urteil online: DB0583831;
l
dazu auch
Huken
, StR kompakt DB0589222;
l
zur Vorinstanz vgl. auch
Graw
, StR kompakt DB0479352.
j
0
2002
j
1
2003
j
2
2004
j
3
2005
Se. Ein-Jahres-
veranlagungen
Drei-Jahresveranlagung mit einem, zwei
und drei Sockelbetra¨gen
1
2
3
4
5
6
7
8
1 Mio.
2 Mio.
3 Mio.
1 Einkommen (Y
j
)
1,8
2,2
(-0,5)
3,5
3,5
3,5
3,5
2 Verlustabzug (VA
j
) lfd.
-1,5
-1,7
0,0
-3,2
-2,5
-2,9
-3,3
3 Zu verst. Eink. ( Y
jz
)
0,3
0,5
(-0,5)
0,3
1,0
0,6
0,2
4 Verlustru¨cktrag (VR)
-0,5
0,5
5 restliches z.v.E (Y
jzr
)
0,3
-0,0
0,0
0,3
1,0
0,6
0,2
6 Verbleib. VV
j
insg.
-17,5
-16,0
-14,3
-14,3
-14,3
-15,0
-14,6
-14,2
Tab. 4: Minimale Mindestbesteuerung bei geringer Einkommensspreizung und Verlustru¨cktrag
19 Lt. FG Du¨sseldorf dauerte die Liquidation „schon fast 10 Jahre“ (vgl. Urteil
vom 12. 3. 2012, a.a.O. [Fn. 3], Rdn. 39), lt. BFH-Urteil wird mit dem Ende
erst im Jahre 2013 gerechnet (vgl. Urteil vom 23. 1. 2013, [Fn. 1], Rdn. 4).
20 Die Daten sind der Zeitreihe der kassenma¨ßigen Steuereinnahmen der Ge-
bietsko¨rperschaften entnommen, die der
Sachversta¨ndigenrat zur Begutach-
tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
als ZR045 zusammengestellt
hat:
;
Abruf 19. 3. 2013.
21 BFH-Urteil vom 22. 8. 2012 – I R 9/11, DB 2012 S. 2785; vom 20. 9. 2012 –
IV R 29/10, DB 2012 S. 2789; IV R 36/10, DB0560646.
22
Bareis
, DB 2013 S. 144; vgl. auch die Literaturangaben im FG-Urteil vom
12. 3. 2012, a.a.O. (Fn. 3), Rdn. 35.
23 BT-Drucks. 15/1518 S. 13.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Steuerrecht
1269