DER BETRIEB 23 - page 35

– Bei drei Einjahresveranlagungen mit positiven Einkommen
(und noch nicht abgeschlossener Liquidation) mu¨ssen min-
destens drei Sockelbetra¨ge, also mindestens 3 Mio. € (und zu-
sa¨tzlich 60% des u¨bersteigenden Betrags) gewa¨hrt werden.
– Bei einer Dreijahresveranlagung mit positivem Gesamtein-
kommen und noch nicht abgeschlossener Liquidation darf
nur ein Sockelbetrag von 1 Mio. € (und zusa¨tzlich 60% des
u¨bersteigenden Betrags) gewa¨hrt werden.
Die Frage, wie diese Lo¨sung des BFH mit dem verfassungs-
rechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit, also mit den Regeln der
Logik, vereinbar sein soll, wird vom BFH nicht gestellt. Der
BFH verzichtet auch auf konkrete Berechnungen; diese erhellen
die ganze Fragwu¨rdigkeit des Urteils zusa¨tzlich, wie sich nach-
folgend zeigen la¨sst.
IV. Berechnungsalternativen
1. Vergleich der Jahresveranlagungen mit Dreijahresveranla-
gungen
Es stellen sich entscheidende Fragen der Auslegung des § 10d
Abs. 2 EStG unter dem Gesichtspunkt, dass eine Besteuerung
nach der
finanziellen Leistungsfa¨higkeit
zu erfolgen hat. Eine ein-
fache U¨ berlegung mit den obigen Zahlen verdeutlicht das Pro-
blem. Dabei ist zu beachten, dass der gesamte Abwicklungs-
gewinn nach Verlustabzug fu¨r die Jahre 2002–2013 voraussicht-
lich gerade einmal 0,4 Mio. € betra¨gt (Tab. 2 auf S. 1266).
Bei einem Verlustvortrag (-abzug) von 17,5 Mio. € und
einem Einkommen 2003 von 6 Mio. € sind nach § 10d Abs. 2
EStG nur 60% des 1 Mio. u¨bersteigenden Einkommens zzgl.
1 Mio. €, also 4 Mio. € (Feld 2.2) als Verlustabzug zu gewa¨hren.
Fu¨r dieses Jahr sind somit 2 Mio. € Einkommen der KSt zu un-
terwerfen (Feld 5.2). Der verbleibende Verlustabzug betra¨gt
(-17,5 + 4 =) 13,5 Mio. € (Feld 6.2).
Eine entsprechende Rechnung fu¨r das Jahr 2004 ergibt zu-
na¨chst ein zu versteuerndes Einkommen von 0,2 Mio. € (Feld
3.3). Vom Verlust 2005 ko¨nnen jedoch 0,5 Mio. € auf das Jahr
2004 zuru¨ckgetragen werden. (§ 10d Abs. 1 Satz 1 KStG). Dies
geschieht zwar erst im Folgejahr, ist hier aber in der Spalte 3 ein-
getragen. Es ist fu¨r dieses Jahr nichts zu versteuern (Feld 5.3).
Der Verlustabzug vermindert sich um 1,3 auf 12,2 Mio. € (Feld
6.3).
Da im Jahre 2005 vom Verlust von 4 Mio. € ein Teil von 0,2
zuru¨ckgetragen ist, verbleiben hiervon nur noch 3,8 Mio. € (Feld
5.4). Das Einkommen betra¨gt 0, der gesamte aufgelaufene Ver-
lustabzug (12,2 + 3,8 =) 16 Mio. € lt. Feld 6.4.
Fasst man die Ergebnisse dieser drei Jahre zusammen, so er-
geben sich die Zahlen der Spalte 5, wobei zu beachten ist, dass
in Feld 1.5 zuna¨chst nur die positiven Einkommen eingetragen
sind. Zieht man hiervon die laufenden Verlustabzu¨ge (4+1,3) ab,
so verbleiben 2,2 Mio. €, wovon noch der Verlustru¨cktrag abzu-
ziehen ist. Es verbleibt ein zu versteuerndes Dreijahreseinkom-
men von 2 Mio. €. Der urspru¨ngliche Verlustvortrag von
17,5 Mio. € vermindert sich zuna¨chst um 5,3 Mio. € auf
12,2 Mio. €, erho¨ht sich dann aber um den verbliebenen Verlust
des Jahres 2005 von 3,8 Mio. € und betra¨gt somit 16 Mio. €
(Feld 6.5).
Noch mehr zusammengefasst ergibt sich ein Gesamteinkom-
men der drei Jahre von (6+1,5-4=) 3,5 Mio. €. Davon mu¨ssen die
genannten 2 Mio. € versteuert werden, wa¨hrend der Rest von
1,5 Mio. € den Verlustabzug von 17,5 auf 16 Mio. € mindert.
Diese Zusammenfassung der drei Einjahresveranlagungen ist
einer Dreijahresveranlagung gegenu¨berzustellen. Sie erfolgt in
Spalte 6, wobei nur ein Sockelbetrag, sowie in Spalte 7, wobei
zwei Sockelbetra¨ge unterstellt werden.
Selbst die Dreijahresveranlagung fu¨r 2003-2005 mit ein-
fachem Sockelbetrag ist fu¨r die GmbH gu¨nstiger als die Additi-
on der drei Einjahresveranlagungen. Der Grund liegt darin, dass
bei der Zusammenfassung der gesamte Verlust des Jahres 2005
saldiert werden kann. Auf dieses Gesamteinkommen lt. Feld 1.6
entfa¨llt ein Verlustabzug von 2,5 Mio. € (Feld 2.6)
13
. Bei Ge-
wa¨hrung von zwei Sockelbetra¨gen (Spalte 7) ist der Verlustabzug
noch ho¨her; er ermittelt sich mit: 0,6
H
(3,5 – 2) + 2 = 2,9; ent-
sprechend vera¨ndern sich die anderen Daten.
2. Zwischenergebnis
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass bei diesem Sachver-
halt die Dreijahresveranlagung gu¨nstiger als die Addition der
Einjahresveranlagungen ist. Das wirft die Frage nach der
Gleichbehandlung auf. Weshalb soll es gerechtfertigt sein, dass
eine GmbH in Liquidation sich bei der Mindestbesteuerung
besser steht als andere Stpfl., die der Einjahresveranlagung un-
terworfen sind? Die Frage kann auch umformuliert werden:
Weshalb wird einer KapGes. nur dann, wenn § 11 Abs. 1 KStG
anwendbar ist, ein Verlustausgleich innerhalb des Dreijahreszeit-
raumes gewa¨hrt, wa¨hrend dies bei Einjahresveranlagung – auch
im Insolvenz- und Liquidationsfall nach Ablauf der Dreijahres-
frist – nicht der Fall ist? Welche sachlichen Gru¨nde gibt es da-
fu¨r, die Ho¨he des Verlustabzugs davon abha¨ngig zu machen, ob
eine Zusammenfassung mehrerer Jahre fu¨r die Veranlagung vor-
geschrieben bzw. als Sollbestimmung empfohlen ist?
Aus o¨konomischer Sicht ist die Dreijahresveranlagung der
Einjahresveranlagung vorzuziehen, weil im Blick auf das Total-
einkommen weniger Zusammenha¨nge zerschnitten werden. Es
kann dazu nicht nur auf die bilanztheoretische Literatur verwie-
sen werden
14
. Auch die Diskussion um Progressionsgla¨ttung bei
der ESt belegt die Problematik der Jahresabrechnung
15
. Somit
ist im vorliegenden Fall der Dreijahresabrechnung der Vorzug
zu geben.
Dennoch bleibt das Ergebnis mehr als unbefriedigend. Der
GmbH gelingt es zwar, wa¨hrend des gesamten Liquidationszeit-
raums von mehr als neun Jahren ein Totaleinkommen von
0,4 Mio. € zu erzielen, sie muss aber zwischenzeitlich trotz im-
menser Verlustvortra¨ge schon fu¨r die ersten drei Jahre eine Be-
messungsgrundlage in mehr als doppelter Ho¨he versteuern, ob-
wohl am Ende des Dreijahreszeitraums immer noch ein Ver-
lustabzug von rd. 15 Mio. € vorhanden ist. Von einer Besteue-
rung nach der finanziellen Leistungsfa¨higkeit kann hier keine
Rede sein. Fallabwandlungen unter V. weisen auf weitere Pro-
bleme hin.
V. Modellrechnungen
1. Nur positive Einkommen im Dreijahreszeitraum
Die Forderung, bei einem Dreijahreszeitraum auch drei Sockel-
betra¨ge zu gewa¨hren, erscheint plausibel. Dabei ist aber, wie die
13 VA=0,6
H
3,5+ 0,4 = 2,5; das zu versteuernde Einkommen betra¨gt: 0,4
H
3,5
-0,4 = 1.
14 Grundlegend:
Schmalenbach
, Dynamische Bilanz. Nachdruck der 18., von
Bauer
bearbeiteten Aufl., 1962, S. 64.
15 Vorschla¨ge zu Gesetzesa¨nderungen z. B. bei
Siegel
, in:
Korff
et al., Hand-
buch der Wirtschaftsethik, Bd. 3, 1999, S.354 (373), m. w. N. Nicht zufa¨llig
geho¨rt die „Steuerliche Bilanz- und Ausschu¨ttungspolitik“ mit dem Ziel der
Nettovermo¨gensmaximierung (Progressionsgla¨ttung unter Beru¨cksichtigung
von Zinseffekten) zu den Standardthemen der Betriebswirtschaftlichen
Steuerlehre; vgl. z. B.
Siegel
, Steuerwirkungen und Steuerpolitik in der Un-
ternehmung, 1982, S. 178.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Steuerrecht
1267
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