Die Beklagte zahlte die geschuldeten Mieten bis Juni 2003 wie im
Mietvertrag vereinbart. Am 13. 6. 2003 wurde u¨ber das Vermo¨gen der
Schuldnerin das Insolvenzverfahren ero¨ffnet und die Streithelferin als
Insolvenzverwalterin bestellt. Diese forderte die Beklagte auf, die
Mieten ab Juli 2003 an die Masse zu zahlen. Seitdem entrichtete die
Beklagte die vertraglich vereinbarten Mieten an ein Treuhandkonto der
Streithelferin.
Mit der Klage verlangt die Kla¨gerin aus eigenem und aus abgetretenem
Recht die ru¨cksta¨ndigen Mieten ab Juli 2003 bis Dezember 2007 i. H.
von 924.075,01 € zuzu¨glich Zinsen. Das LG Cottbus hatte der Klage
stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin
hatte das OLG Brandenburg das erstinstanzliche Urteil abgea¨ndert und
die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Kla¨gerin, mit der die-
se die Mieten fu¨r das Jahr 2008 i. H. von 240.000 € zuzu¨glich Zinsen
beansprucht hatte, hatte es zuru¨ckgewiesen. Die Revision der Kla¨gerin
blieb erfolglos.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 15
I
A.
. . .
B. II. 2.
Die Klage ist jedoch unbegru¨ndet.
Kein Anspruch der finanzierenden Bank gegen die Mieterin auf
Zahlung der Mieten aus eigenem Recht
a)
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Kla¨gerin gegen
die Beklagte auf Zahlung der Mieten aus eigenem Recht nach
Auslegung von Mietvertrag und Einredeverzichtserkla¨rung zu
Recht verneint.
Zur U¨ berpru¨fung der Auslegung von Willenserkla¨rungen und
von Vertragsbestimmungen durch den Tatrichter
16
I
aa)
Die Auslegung von Willenserkla¨rungen und von Ver-
tragsbestimmungen obliegt grundsa¨tzlich dem Tatrichter. Sie
kann in der Revision nur darauf u¨berpru¨ft werden, ob der Aus-
legungsstoff vollsta¨ndig beru¨cksichtigt wurde, ob gesetzliche
oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder
Erfahrungssa¨tze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem
von der Revision geru¨gten Verfahrensfehler beruht
1
. Sofern das
Berufungsgericht solche Auslegungsregeln und Erfahrungssa¨tze
nicht verletzt hat, ist seine Auslegung fu¨r das Revisionsgericht
bindend
2
.
Kein direkter Zahlungsanspruch der finanzierenden Bank gegen
die Mieterin aufgrund Mietvertrag bzw. Forfaitierungsvertrag
17
I
bb)
Die Auslegung des Berufungsgerichts, § 3 Abs. 5 des
Mietvertrages begru¨nde neben der in § 5 des Forfaitierungsver-
trages erfolgten Abtretung der Mietanspru¨che der Schuldnerin
an die Kla¨gerin keinen direkten Zahlungsanspruch der Kla¨gerin
gegen die Beklagte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit die-
ser Vereinbarung wollten die Parteien des Mietvertrages sicher-
stellen, dass die Beklagte die Mietzahlungen unabha¨ngig von
Einwendungen und Einreden aus dem Mietvertrag an die Zes-
sionarin, die Kla¨gerin, erbrachte; die in § 3 Abs. 2 Satz 1 des
Mietvertrages normierte Vorleistungspflicht der Beklagten sollte
auch auf diese Fa¨lle erstreckt werden. Ihre Gegenrechte hatte sie
nach § 3 Abs. 5 Satz 2 des Mietvertrages allein gegenu¨ber ihrer
Vertragspartnerin, der Schuldnerin, zu verfolgen. Hierdurch
sollten nach den Grundsa¨tzen des § 328 Abs. 2 BGB fu¨r die
Kla¨gerin als Zessionarin keine weitergehenden Rechte begru¨ndet
werden. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Beklagte die
Mieten nicht unmittelbar an die Kla¨gerin, sondern auf ein bei
der Kla¨gerin gefu¨hrtes Konto der Schuldnerin u¨berweisen sollte.
Der Revision kann daher nicht zugegeben werden, es liege eine
die Beklagte gem. § 790 BGB bindende Anweisung nach
§§ 783, 784 BGB vor, die Mieten an die Kla¨gerin zu zahlen.
18
I
Auch die an dem Projekt Beteiligten – die Kla¨gerin als fi-
nanzierende Bank, die Schuldnerin als Bautra¨gerin, Ka¨uferin
und Vermieterin und die Beklagte als Bauherrin und Mieterin –
sind bei Abschluss der Vertra¨ge – Kauf-, Miet- und Forfaitie-
rungsvertrag – nicht davon ausgegangen, die Beklagte ha¨tte be-
reits in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages gegenu¨ber der Kla¨gerin im
Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter ein abstraktes
Schuld- oder Garantieversprechen abgegeben, worauf das Beru-
fungsgericht zutreffend hinweist. Denn sonst ha¨tte die Kla¨gerin,
der der Mietvertrag bekannt war, nicht darauf gedra¨ngt, von der
Beklagten den Einredeverzicht von November 1997 zu erhalten.
Noch im laufenden Rechtsstreit hat die Kla¨gerin ihren Anspruch
auf diese Vertragsklausel zuna¨chst nicht gestu¨tzt; erst das LG
hat diese Klausel als echten Vertrag zugunsten der Kla¨gerin aus-
gelegt.
Kein eigener Zahlungsanspruch aus der Einredeverzichtserkla¨-
rung der Mieterin
19
I
cc)
Ebenso rechtsfehlerfrei ist die Auslegung der Einredever-
zichtserkla¨rung vom 12. 11. 1997 durch das Berufungsgericht,
aus ihr ergebe sich ein eigener Zahlungsanspruch der Kla¨gerin
ebenfalls nicht.
20
I
Der Wortlaut der Erkla¨rung ist nicht eindeutig und des-
wegen auslegungsbedu¨rftig
3
. Das Berufungsgericht hat seiner
Auslegung maßgeblich die Entstehungsgeschichte der Erkla¨rung
zugrunde gelegt. Danach hat sich die Beklagte geweigert, eine
solche von der Kla¨gerin vorformulierte und ihr vorgelegte selbst-
sta¨ndige Garantie im Hinblick auf entsprechende Warnungen
durch die kommunale Aufsichtsbeho¨rde zu unterschreiben. Im
Erkla¨rungstext wurden daher die Wo¨rter „selbststa¨ndige Garan-
tie“ durch „Verpflichtung“ ersetzt, u¨berschrieben wurde die Er-
kla¨rung nunmehr – statt mit Garantieerkla¨rung – mit Ein-
redeverzichtserkla¨rung. Weiter verwies die Kla¨gerin in dem
Schreiben vom 23. 10. 1997 – mithin vor der Unterschriftsleis-
tung durch die Beklagte – darauf, dass die Beklagte in der Ver-
zichtserkla¨rung lediglich – nunmehr allerdings ausdru¨cklich auch
ihr gegenu¨ber – die Verpflichtung u¨bernehmen solle, die sie be-
reits in dem Mietvertrag gegenu¨ber der Schuldnerin u¨bernom-
men habe. Erst dann hat die Beklagte den Erkla¨rungstext unter-
zeichnet.
21
I
Aufbauend auf dieser Vorgeschichte hat das Berufungs-
gericht bei seiner Wu¨rdigung zutreffend auf das Versta¨ndnis der
Vertragsparteien abgestellt und angenommen, dass die Kla¨gerin
die Erkla¨rungen der Beklagten nicht als selbststa¨ndige, an-
spruchsbegru¨ndende Verpflichtung der Beklagten ansehen durf-
te. Dies la¨sst einen Rechtsfehler zulasten der Kla¨gerin nicht er-
kennen. Die Auslegung ist interessengerecht. Da die Miet-
anspru¨che der Schuldnerin bereits an die Kla¨gerin abgetreten
waren und die Abtretung aufgedeckt war, konnte die Beklagte
außerhalb der Insolvenz ihres Vertragspartners schuldbefreiend
nur auf das von der Schuldnerin benannte Konto bei der Kla¨ge-
rin leisten. Die Begru¨ndung einer zusa¨tzlichen selbststa¨ndigen
Verpflichtung der Beklagten wa¨re nur sinnvoll gewesen, wenn
die Parteien das Risiko ha¨tten absichern wollen, dass im Fall der
Insolvenz der Vermieterin die Vorausabtretung wegen insolvenz-
rechtlicher Vorschriften wirkungslos wa¨re. In einem solchen Fall
ha¨tte eine selbststa¨ndige Verpflichtung der Beklagten gegenu¨ber
1 BGH-Urteil vom 8. 1. 2009 – IX ZR 229/07, DB 2009 S. 676 = NJW 2009
S. 840, Rdn. 9.
2 BGH-Urteil vom 1. 2. 2007 – IX ZR 178/05, DB0218070 = NZI 2007 S. 407,
Rdn. 22.
3 Vgl. BGH-Urteil vom 13. 1. 1999 – XII ZR 208/96, NZM 1999 S. 371 (372).
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013