DER BETRIEB 23 - page 67

Mietvertrag in den Blick genommen werden. Die Vertragspar-
teien haben im zeitlichen Zusammenhang eine Vielzahl von auf-
einander abgestimmten Vertra¨gen geschlossen. Danach wollte
die Beklagte das Stadthaus errichten und hat zur Finanzierung
dieser Maßnahme die Schuldnerin herangezogen; die Schuldne-
rin hat die Maßnahme bei der Kla¨gerin durch den Forfaitie-
rungsvertrag refinanziert. Zur Realisierung der Pla¨ne hat die Be-
klagte das Grundstu¨ck an die Schuldnerin verkauft und sollte es
von ihr mieten und nach Ablauf der Mietzeit zuru¨ckerwerben,
wobei ihr ein durch eine Auflassungsvormerkung und durch ein
– notariell beurkundetes, bis zum 30. 7. 2022 unwiderrufliches –
Verkaufsangebot der Schuldnerin abgesichertes Ru¨ckkaufsrecht
eingera¨umt war. Die vereinbarten Mieten sollten letztlich an die
Kla¨gerin fließen. Im Falle der Ku¨ndigung sollte die Beklagte ver-
pflichtet sein, das notariell beurkundete unwiderrufliche Kauf-
angebot der Schuldnerin zu den dort genannten Bedingungen
anzunehmen, wobei der Kaufpreis sich in der Ho¨he nach der
Dauer des Mietvertrages richtete. Außerdem sollte sie die
Schuldnerin in diesem Fall von ihren Verpflichtungen gegenu¨ber
der Kla¨gerin freistellen. Letztlich wollten die Vertragsparteien
durch diese Regelungen erreichen, dass die Beklagte innerhalb
der vereinbarten – durch Ku¨ndigung ggf. variablen – Laufzeit
des Mietvertrages einerseits die Kosten fu¨r die Anschaffung des
Grundstu¨cks und die Errichtung des Stadthauses und anderer-
seits die Finanzierungskosten vollsta¨ndig trug.
37
I
Tatsa¨chlich leiden Teile der getroffenen Vereinbarungen an
Wirksamkeitsma¨ngeln. Die allein im Mietvertrag enthaltene
Verpflichtung der Beklagten, das Kaufangebot der Schuldnerin
bei Beendigung des Mietvertrages anzunehmen, mithin das
Eigentum an dem Grundstu¨ck zu erwerben, war entgegen § 313
Satz 1 BGB a. F., § 311b Abs. 1 BGB nicht notariell beurkun-
det. Dies fu¨hrt nach §§ 125, 139 BGB zur Nichtigkeit jedenfalls
der Erwerbsverpflichtung, aber auch der Verpflichtung, die
Schuldnerin gegenu¨ber der Kla¨gerin freizustellen, weil Letztere
nur im Zusammenspiel mit der Erwerbsverpflichtung Bedeu-
tung erlangt und bei ihrer Fortgeltung ein mittelbarer Zwang
auf die Beklagte herbeigefu¨hrt werden wu¨rde, das Grundstu¨ck
zuru¨ckzuerwerben
25
. Das aber hat zur Folge, dass die Beklagte
den Mietvertrag jederzeit ku¨ndigen und sich der Verpflichtung
entziehen kann, fu¨r die Finanzierung des Objekts bis zum Ende
aufzukommen, sofern sie den Verlust des Grundstu¨cks in Kauf
nimmt. Mithin entstehen die Mietforderungen zum Anfang
eines jeden Monats befristet. Die nicht wirksam umgesetzten
Absichten der Vertragsparteien sind bei der rechtlichen Einord-
nung der Forderung als betagt unbeachtlich.
Kein Ausschluss der Geltendmachung der insolvenzrechtlichen
Unwirksamkeit der Abtretung im Verha¨ltnis der Bank zur Ver-
mieterin
38
I
ee)
Der Einredeverzicht vom 12. 11. 1997 steht dem nicht
entgegen. Die Beklagte durfte sich gegenu¨ber der Kla¨gerin auf-
grund dieses Verzichts nicht auf irgendwelche Einwendungen
aus dem Mietvertrag oder auf die Unwirksamkeit des Mietver-
trages berufen und war ihr gegenu¨ber weiterhin vorleistungs-
pflichtig. Die Geltendmachung der insolvenzrechtlichen Un-
wirksamkeit der Abtretung im Verha¨ltnis der Kla¨gerin zur
Schuldnerin sollte durch die Erkla¨rung jedoch nicht ausgeschlos-
sen werden. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Erkla¨rung,
aber auch ihre bereits dargestellte Entstehungsgeschichte.
25 Vgl. BGH-Urteil vom 6. 12. 1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76 S. 43 (46) = DB
1980 S. 825.
Zur Schenkungsanfechtung der Tilgung einer
fremden Schuld
Tilgung der Steuerschulden eines Dritten durch Insolvenz-
schuldner – Entgeltlichkeit der Leistung, wenn Steuerforderung
des Finanzamts werthaltig ist – Werthaltigkeit der Forderung,
wenn Zahlungsempfa¨nger trotz Insolvenzreife des Dritten Ver-
mo¨gensgegensta¨nde pfa¨nden oder mit Gegenforderung auf-
rechnen kann
InsO § 134 Abs. 1
Begleicht der Schuldner die gegen einen Dritten gerichtete
Forderung des Anfechtungsgegners, kann seine Leistung
entgeltlich sein, wenn sich der Zahlungsempfa¨nger gegen-
u¨ber seinem Schuldner durch Aufrechnung ha¨tte Befriedi-
gung verschaffen ko¨nnen.
BGH-Urteil vom 18. 4. 2013 – IX ZR 90/10
u
DB0594390
Der Kla¨ger ist Verwalter in dem auf eigenen Antrag vom 29. 9. 2005
am 1. 12. 2005 ero¨ffneten Insolvenzverfahren u¨ber das Vermo¨gen der
Kaufhaus F. R. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Die
Schuldnerin u¨berwies am 29. 9. 2005 aus einem Kontoguthaben
45.000 € an das Finanzamt O. zur Tilgung von Steuerschulden der
M. R. GmbH (fortan auch: GmbH), mit der sie gesellschaftsrechtlich
verflochten war. Am selben Tag stellte die GmbH ihren Gescha¨fts-
betrieb ein. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die GmbH zahlungs-
unfa¨hig war. Das Finanzamt erstattete ihr am 20. 10. 2005 aus korrigier-
ten Umsatzsteuervoranmeldungen 1.545,56 €, am 27. 2. 2006 aus Ko¨r-
perschaft- und Umsatzsteuererkla¨rungen fu¨r das Jahr 2004 42.871,82 €
und am 15. 8. 2006 aus Ko¨rperschaft- und Umsatzsteuererkla¨rungen fu¨r
das Jahr 2005 20.655,59 €.
Der Kla¨ger nimmt das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichts-
punkt der Schenkungsanfechtung auf Ru¨ckgewa¨hr der Zahlung von
45.000 € nebst Zinsen in Anspruch. Das LG Hannover hatte die Klage
abgewiesen. Auf die Berufung des Kla¨gers hatte das OLG Celle den
Beklagten antragsgema¨ß verurteilt. Die Revision des Beklagten war er-
folgreich. Sie fu¨hrte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zuru¨ckverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Schenkungsanfechtung der Zahlung auf eine fremde Schuld,
wenn Forderung des Zuwendungsempfa¨ngers wertlos war
1 . . . 6
I
I.
. . .
II. 1.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH
ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung
nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn die gegen den Dritten
gerichtete Forderung des Zuwendungsempfa¨ngers wertlos war;
dann hat der Zuwendungsempfa¨nger wirtschaftlich nichts ver-
loren, was als Gegenleistung fu¨r die Zuwendung angesehen wer-
den kann
1
. Hiervon ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen
hat, regelma¨ßig auszugehen, falls u¨ber das Vermo¨gen des Forde-
rungsschuldners wegen Zahlungsunfa¨higkeit das Insolvenzver-
fahren ero¨ffnet oder er zumindest insolvenzreif war
2
.
Zur Zahlungsfa¨higkeit des Forderungsschuldners zum Zeitpunkt
der Zahlung
7
I
a)
Mit Recht hat das Berufungsgericht bei der Beurteilung
der Zahlungsfa¨higkeit der GmbH zum Zeitpunkt der Zahlung
1 BGH-Urteil vom 16. 11. 2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174 S. 228 = DB 2008
S. 116, Rdn. 8; vom 6. 12. 2007 – IX ZR 113/06, DB 2008 S. 176 = WM 2008
S. 229, Rdn. 14; vom 22. 10. 2009 – IX ZR 182/08, WM 2009 S. 2283, Rdn. 8;
vom 19. 11. 2009 – IX ZR 9/08, DB 2010 S. 217 = WM 2010 S. 129, Rdn. 8;
vom 17. 6. 2010 – IX ZR 186/08, DB 2010 S. 1584 = WM 2010 S. 1421, Rdn. 7.
2 BGH vom 22. 10. 2009, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 8 f.; vom 17. 6. 2010, a.a.O.
(Fn. 1).
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Wirtschaftsrecht
1295
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,...96
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