DER BETRIEB 23 - page 69

Zuru¨ckverweisung an das OLG
13
I
IV.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sa-
che an das Berufungsgericht zuru¨ckzuverweisen (§ 562 Abs. 1,
§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann
der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffe-
nen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563
Abs. 3 ZPO). Die Zuru¨ckverweisung gibt dem Berufungsgericht
Gelegenheit, auf der Grundlage des ggf. erga¨nzten Vortrags der
Parteien die notwendigen Feststellungen zur Werthaltigkeit der
getilgten Steuerforderung des Beklagten zu treffen. Da die auf
eine Aufrechnungsmo¨glichkeit gestu¨tzte Werthaltigkeit einer
Forderung gegen einen insolvenzreifen Schuldner eine Ausnah-
me von dem Grundsatz darstellt, dass Forderungen gegen zah-
lungsunfa¨hige Schuldner wertlos sind, tra¨gt der Anfechtungs-
gegner die Darlegungs- und Beweislast fu¨r diese Ausnahme.
Anforderungen an die Aufrechterhaltung eines
Insolvenzantrages nach Forderungserfu¨llung
Zula¨ssigkeit des Insolvenzantrages trotz Tilgung der dem Antrag
zugrunde liegenden Forderung, wenn im Zeitraum von zwei Jah-
ren vor Antragstellung bereits ein Antrag auf Insolvenzero¨ff-
nung gestellt worden war – Erfordernis der Glaubhaftmachung
eines Insolvenzgrundes – Nichtabfu¨hrung von Sozialversiche-
rungsbeitra¨gen als Indiz fu¨r Eintritt der Zahlungsunfa¨higkeit
InsO § 14 Abs. 1 Satz 2
Der Gla¨ubiger muss das Vorliegen eines Ero¨ffnungsgrundes
auch dann glaubhaft machen, wenn er nach Ausgleich seiner
Forderung im Ero¨ffnungsverfahren seinen Antrag weiterverfol-
gen will, weil in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der An-
tragstellung bereits ein Antrag auf Ero¨ffnung eines Insolvenz-
verfahrens u¨ber das Vermo¨gen des Schuldners anha¨ngig war.
BGH-Beschluss vom 11. 4. 2013 – IX ZB 256/11
u
DB0594298
Die Gla¨ubigerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, stellte am 26. 5.
2011 einen Antrag auf Ero¨ffnung des Insolvenzverfahrens u¨ber das Ver-
mo¨gen des Schuldners, der einen Kfz-Reparaturbetrieb unterha¨lt.
Grundlage des Antrags waren durch Vollstreckbarkeitserkla¨rung be-
scheinigte ru¨cksta¨ndige Gesamtsozialversicherungsbeitra¨ge aus dem
Zeitraum 1. 1. 2010 bis 30. 4. 2011 i. H. von insgesamt 5.557,38 € ein-
schließlich Sa¨umniszuschla¨gen, Gebu¨hren und Kosten. Am 1. 6. 2011
beglich der Schuldner die offenen Forderungen der Antragstellerin.
Daraufhin erkla¨rte diese mit Schriftsatz vom 16. 6. 2011, dass sie im
Hinblick auf ein beim Insolvenzgericht im Jahre 2010 anha¨ngig gewese-
nes Insolvenzero¨ffnungsverfahren u¨ber das Vermo¨gen des Schuldners
ihren Antrag nicht fu¨r erledigt erkla¨re oder zuru¨cknehme.
Mit Beschluss vom 27. 6. 2011 hatte das Insolvenzgericht (AG Ko¨ln) den
Ero¨ffnungsantrag der Gla¨ubigerin als unzula¨ssig abgewiesen. Die dagegen
gerichtete Beschwerde war erfolglos geblieben. Die begru¨ndeten Rechts-
mittel der Gla¨ubigerin fu¨hrten zur Aufhebung der angefochtenen Ent-
scheidungen und zur Zuru¨ckverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 5
I
I.
. . .
II. 2.
Der Antrag auf Ero¨ffnung des Insolvenzver-
fahrens u¨ber das Vermo¨gen des Schuldners kann mit dieser Be-
gru¨ndung des Beschwerdegerichts nicht zuru¨ckgewiesen werden.
Zur Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes nach Erfu¨llung
der den Insolvenzantrag stu¨tzenden Forderung
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I
a)
Zutreffend ist die Annahme des Beschwerdegerichts, der
Gla¨ubiger mu¨sse das Vorliegen eines Ero¨ffnungsgrundes auch
im Falle einer Fortfu¨hrung des Verfahrens nach der am 1. 1.
2011 gem. Art. 24 Abs. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011
1
in
Kraft getretenen Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO
glaubhaft machen
2
. Gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO wird der An-
trag eines Gla¨ubigers auf Ero¨ffnung des Insolvenzverfahrens
u¨ber das Vermo¨gen des Schuldners nicht allein dadurch unzula¨s-
sig, dass die Forderung des Gla¨ubigers erfu¨llt wird, wenn in
einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits
ein Antrag auf Ero¨ffnung eines Insolvenzverfahrens u¨ber das
Vermo¨gen des Schuldners gestellt worden war. Diese Bestim-
mung ist als Ausnahme einer trotz Erfu¨llung der den Antrag
stu¨tzenden Forderung fortbestehenden Antragsbefugnis und
eines hierdurch vera¨nderten Rechtsschutzinteresses zu verstehen,
der das Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrun-
des gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO unberu¨hrt la¨sst. Dies hat zur
Folge, dass im Einzelfall zu pru¨fen ist, ob die mit Antragstellung
erfolgte Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes auch nach Er-
fu¨llung der den Antrag stu¨tzenden Forderung fortwirkt oder der
Gla¨ubiger den Insolvenzgrund erneut
3
glaubhaft machen muss.
Verzicht des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nur auf das Erfordernis
einer bestehenden Forderung des Antragstellers
7
I
aa)
Bereits die einschra¨nkende Formulierung, der Antrag
werde „nicht allein“ durch den Ausgleich der ihn stu¨tzenden
Forderung unzula¨ssig, sowie die gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 InsO
„auch“ erforderliche Glaubhaftmachung des vorangegangenen
Antrags auf Insolvenzero¨ffnung legen das Versta¨ndnis nahe, dass
§ 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nur auf das Erfordernis einer bestehen-
den Forderung des Antragstellers verzichtet, die in § 14 Abs. 1
Satz 1 InsO bestimmten Zula¨ssigkeitserfordernisse des Rechts-
schutzinteresses sowie des Insolvenzgrundes im U¨ brigen aber un-
beru¨hrt la¨sst
4
, zumal das Haushaltsbegleitgesetz 2011 § 14 Abs. 1
Satz 1 InsO lediglich erga¨nzt, inhaltlich aber nicht vera¨ndert hat.
Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes und das Fortbestehen
eines Rechtsschutzinteresses sind kumulativ erforderliche
Zula¨ssigkeitsvoraussetzungen
8
I
bb)
Jedenfalls ergibt sich das erforderliche enge Versta¨ndnis
von § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO als Sonderfall einer trotz Erfu¨llung
der dem Antrag zugrunde gelegten Forderung fortbestehenden
Antragsbefugnis eindeutig aus den Gesetzesmaterialien. Die Be-
gru¨ndung zum Haushaltsbegleitgesetz 2011
5
nennt in U¨ berein-
stimmung mit allen zu dieser Bestimmung vorangegangenen
Entwurfsbegru¨ndungen
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die Glaubhaftmachung des Insolvenz-
grundes und das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses als ku-
mulativ erforderliche Zula¨ssigkeitsvoraussetzungen, wobei an die
Pru¨fung beider Voraussetzungen nach Erfu¨llung der Forderung
des Gla¨ubigers besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.
1 BGBl. I 2010 S. 1885.
2 Vgl. auch AG Wuppertal, Beschluss vom 16. 4. 2012 – 145 IN 1070/11, ZIP
2012 S. 1090 (1091); vom 3. 5. 2012 – 145 IN 84/12, ZIP 2012 S. 1363
(1364); AG Ludwigshafen, Beschluss vom 16. 2. 2012 – 3 a IN 203/11 Lu,
BeckRS 2012, 08155;
Uhla¨nder/Zimmer
, in: Pape, InsO, § 14 Rdn. 17;
Beth
,
NZI 2012 S. 1;
Harder
, NJW-Spezial 2012 S. 277 f.;
Wimmer
, jurisPR-InsR
23/2010 Anm. 1; a. A. AG Go¨ttingen, Beschluss vom 26. 8. 2011 – 74 IN
86/11, ZInsO 2011 S. 2090 (2091);
Wehr
, in: HmbKomm-InsO, 4. Aufl., § 14
Rdn. 72;
Schmerbach
, in: Frankfurter Komm-InsO, 7. Aufl., § 14 Rdn. 88j ff.;
Pape
, in: Ku¨bler/Pru¨tting/Bork, InsO, 2011, § 14 Rdn. 136 f.;
ders.
, ZInsO
2011 S. 2154 (2163);
Frind
, ZInsO 2011 S. 412 (416);
ders.
, EWiR 2012
S. 285 (286);
Hackla¨nder/Schur
, ZInsO 2012 S. 901.
3 Vgl. BR-Drucks. 618/05 S. 15 f.
4 Vgl. AG Ko¨ln, Beschluss vom 9. 5. 2011 – 71 IN 57/11, ZInsO 2011 S. 1517
(1518);
Beth
, NZI 2012 S. 1 (2);
Harder
, NJW-Spezial 2012 S. 277 f.
5 BT-Drucks. 17/3030 S. 42.
6 BR-Drucks. 618/05 S. 15; BT-Drucks. 16/886 S. 11; BT-Drucks. 16/7416
S. 27.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Wirtschaftsrecht
1297
1...,59,60,61,62,63,64,65,66,67,68 70,71,72,73,74,75,76,77,78,79,...96
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