vom 29. 9. 2005 die im Jahr 2006 erfolgten Steuererstattungen
unberu¨cksichtigt gelassen. Denn in die Pru¨fung, ob ein Schuld-
ner in der Lage ist, die fa¨lligen Zahlungspflichten zu erfu¨llen
(§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO), sind nur diejenigen liquiden Mittel
einzubeziehen, die sich der Schuldner kurzfristig innerhalb von
drei Wochen beschaffen kann
3
. Dies traf auf die Steuererstat-
tungsanspru¨che der GmbH nicht zu.
Entgeltlichkeit der Leistung trotz Zahlungsunfa¨higkeit des Drit-
ten, wenn getilgte Forderung ausnahmsweise werthaltig war
8
I
b)
Die Steuererstattungen ko¨nnen gleichwohl fu¨r die Beurtei-
lung des Streitfalles von Bedeutung sein. Die Insolvenzreife des
Forderungsschuldners wird regelma¨ßig dazu fu¨hren, dass die
Forderung des Zahlungsempfa¨ngers als wertlos und die Tilgung
dieser Forderung durch einen Dritten deshalb als unentgeltliche
Leistung zu bewerten ist. Es ko¨nnen aber auch ausnahmsweise
Umsta¨nde gegeben sein, die es rechtfertigen, die getilgte Forde-
rung trotz Zahlungsunfa¨higkeit des Forderungsschuldners als
werthaltig zu beurteilen. Solche Umsta¨nde ko¨nnen etwa vorlie-
gen, wenn der Zahlungsempfa¨nger die Mo¨glichkeit hat, durch
Pfa¨ndung auf einen werthaltigen Ru¨ckgriffsanspruch des Forde-
rungsschuldners gegen den Insolvenzschuldner zuzugreifen
4
. In
entsprechender Weise kann die getilgte Forderung werthaltig sein,
wenn sich der Zahlungsempfa¨nger durch Aufrechnung gegen eine
Forderung seines Schuldners Befriedigung verschaffen und auf
diese Weise seine Forderung trotz Insolvenzreife seines Schuld-
ners durchsetzen kann. So kann es sich im Streitfall verhalten.
Zeitpunkt fu¨r Beurteilung der Werthaltigkeit der getilgten For-
derung
9
I
aa)
Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit der getilgten For-
derung ist allerdings auf den Zeitpunkt der Vollendung des
Rechtserwerbs, also der angefochtenen Zahlung, abzustellen
(§ 140 Abs. 1 InsO). Vorangegangene Leistungen des Zuwen-
dungsempfa¨ngers bleiben deshalb ebenso außer Betracht wie
etwa Vorteile, die erst in einem mo¨glicherweise spa¨ter ero¨ffneten
Insolvenzverfahren eintreten
5
. Die den Wert der Forderung be-
stimmende Durchsetzbarkeit muss gleichwohl nicht bereits zum
maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Begleichung in jeder Hinsicht ge-
geben sein. Es kann vielmehr genu¨gen, dass die gegebenen Um-
sta¨nde die ku¨nftige Mo¨glichkeit einer Befriedigung durch Auf-
rechnung sicher erwarten lassen. Solche Umsta¨nde verleihen
– anders als ungewisse Hoffnungen – der Forderung schon vorab
einen entsprechenden Wert.
Mo¨glichkeit, getilgte Forderung durch Aufrechnung zu erfu¨llen
10
I
bb)
Im Streitfall ist bisher nicht festgestellt, aufgrund wel-
cher Umsta¨nde die Ko¨rperschaft- und Umsatzsteuererkla¨rungen
der GmbH fu¨r die Jahre 2004 und 2005 im Jahr 2006 zu be-
tra¨chtlichen Steuererstattungen gefu¨hrt haben. Nahe liegt, dass
betreffend die Ko¨rperschaftsteuer geringere Gewinne erzielt
wurden als in den Vorauszahlungsbescheiden angenommen
(§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 37 EStG) und betreffend die Um-
satzsteuer geringere Umsa¨tze oder ho¨here Vorsteuerabzu¨ge an-
fielen als vorangemeldet (§ 18 UStG), und dass deshalb die
Steuervorauszahlungen die festgesetzten Steuern u¨berstiegen. In
diesem Fall war das Entstehen der Aufrechnungslage im Kern
schon angelegt, als die angefochtene Zahlung der Insolvenz-
schuldnerin erfolgte. Dies gilt ohne Weiteres fu¨r das Veranla-
gungsjahr 2004 und fu¨r das Jahr 2005 jedenfalls dann, wenn die
GmbH – wofu¨r die Einstellung ihres Gescha¨ftsbetriebs am
29. 9. 2005 spricht – nach der Zahlung keine Gescha¨fte mehr
ta¨tigte, die fu¨r die in Rede stehenden Steuern von Bedeutung
sein konnten, und auch keine Vorauszahlungen mehr leistete.
Dann waren die fu¨r die entsprechenden Steuern maßgeblichen
Sachverhalte bereits verwirklicht und die Grundlage fu¨r einen
Erstattungsanspruch gelegt. Auf die steuerrechtliche Entstehung
(§ 38 AO) oder gar Festsetzung des Erstattungsanspruchs
kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Anspru¨che auf
Erstattung von Steuervorauszahlungen entstehen allerdings be-
reits im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der
aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeit-
raums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung
6
.
Unter diesen Umsta¨nden wa¨re eine Aufrechnung selbst dann in
Betracht gekommen, wenn u¨ber das Vermo¨gen der GmbH das
Insolvenzverfahren ero¨ffnet worden wa¨re, bevor die Erstattungs-
anspru¨che der GmbH erfu¨llbar waren
7
. Tatsa¨chlich ist es zu
einem solchen Insolvenzverfahren bis heute nicht gekommen.
Zum Einfluss der Insolvenzero¨ffnung auf die Werthaltigkeit der
getilgten Steuerforderung gegen die GmbH
11
I
cc)
Sofern die getilgte Steuerforderung des Beklagten gegen
die GmbH die vorangemeldete Umsatzsteuer des Monats Sep-
tember 2005 betraf, ha¨tte die Ero¨ffnung des Insolvenzverfahrens
u¨ber das Vermo¨gen der GmbH bis zur Ho¨he der spa¨teren Ko¨r-
perschaft- und Umsatzsteuererstattung fu¨r 2005 i. H. von
20.655,59 € ohnehin keinen Einfluss auf die Werthaltigkeit die-
ser Forderung haben ko¨nnen. Ohne die angefochtene Zahlung
wa¨ren bei der Ermittlung der Steuerschuld der GmbH fu¨r das
Jahr 2005 entsprechend geringere Vorauszahlungen beru¨cksich-
tigt worden. Es ha¨tte sich dann nicht, wie tatsa¨chlich geschehen,
aufgrund der Ko¨rperschaft- und Umsatzsteuererkla¨rung der
GmbH fu¨r das Jahr 2005 ein Guthaben der GmbH i. H. von
20.655,59 €, sondern eine Zahllast ergeben. Infolgedessen wa¨re
der Betrag von 20.655,59 € nicht an die GmbH ausgezahlt wor-
den. Fragen der Zula¨ssigkeit einer Aufrechnung bei spa¨terer
Ero¨ffnung eines Insolvenzverfahrens ha¨tten sich insoweit nicht
gestellt, weil es in diesem Umfang gerade nicht zu einer Auf-
rechnung oder auch nur Saldierung gekommen wa¨re.
Keine Deckungs- oder Vorsatzanfechtung
12
I
2.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht
aus anderen Gru¨nden als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Voraus-
setzungen anderer Anfechtungstatbesta¨nde als der vom Beru-
fungsgericht angenommenen Schenkungsanfechtung sind nicht
festgestellt. Eine Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131
InsO scheitert daran, dass der Beklagte nicht Insolvenzgla¨ubiger
der Schuldnerin war und diese auch nicht auf eine vermeintliche
eigene Schuld gegenu¨ber dem Beklagten zahlte
8
. Fu¨r den Tat-
bestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO fehlt es
zumindest an Feststellungen zu einer Kenntnis des Beklagten von
einem Vorsatz der Schuldnerin, ihre Gla¨ubiger zu benachteiligen.
3 BGH-Urteil vom 24. 5. 2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163 S. 134 (139) = DB
2005 S. 1787; Beschluss vom 19. 7. 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173 S. 286 =
DB0231731, Rdn. 30.
4 BGH vom 19. 11. 2009, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 11; vgl. auch Urteil vom 27. 4.
2010 – IX ZR 122/09, ZInsO 2010 S. 1091, Rdn. 7.
5 BGH-Urteil vom 3. 3. 2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162 S. 276 (281) = DB
2005 S. 1216; vom 16. 11. 2007, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 10; vom 26. 4. 2012 –
IX ZR 146/11, DB 2012 S. 1374 = WM 2012 S. 1131, Rdn. 43.
6 BFH-Urteil vom 23. 2. 2011 – I R 20/10, BFHE 233 S. 114 = DB0422357,
Rdn. 12 f., m. w. N.
7 § 95 Abs. 1 InsO; vgl. BGH-Urteil vom 24. 3. 1994 – IX ZR 149/93, WM 1994
S. 1045 (1046); vom 9. 3. 2000 – IX ZR 355/98, DB 2000 S. 1272 = WM 2000
S. 933 (934); vom 29. 6. 2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160 S. 1 (4) = DB 2004
S. 2263; vom 19. 7. 2007 – IX ZR 81/06, DB 2007 S. 1860 = WM 2007
S. 1708, Rdn. 23.
8 Vgl. dazu BGH-Urteil vom 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192 S. 221 = DB
2012 S. 399, Rdn. 11 f.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013